„The Artist“ - Interview mit Regisseur Michel Hazanavicius

von Volker Robrahn / 25. Januar 2012

Artist I 1Filmszene:  Michel, auch Ihre in Frankreich sehr erfolgreichen Agentenparodien „OSS 117“ waren ja schon ein wenig ungewöhnlich und verrückt, aber trotzdem hätte wohl kaum jemand erwartet, dass Sie darauf nun einen Schwarzweiß-Stummfilm folgen lassen. Wie kam es dazu?

Michel Hazanavicius:  Dieser Film ist keine Folge der „OSS 117“-Filme, denn die Idee dazu trug ich schon seit vielen Jahren mit mir herum. Es war jetzt nur etwas leichter geworden das Ganze finanziert zu bekommen – was nicht heißen soll, dass es einfach war. Denn natürlich haben die meisten Produzenten trotzdem dankend abgewunken, so einen vermeintlich unzeitgemäßen Film zu fördern. Und ich wollte eben keine reine Komödie machen, wie man sie von mir erwartet und gern gehabt hätte.  

Entstand diese Idee aus Ihrer Verehrung für das alte, klassische Hollywood?

Eigentlich weniger. Es war tatsächlich in erster Linie die Lust und Herausforderung einen Stummfilm zu machen – ich sage jetzt der Einfachheit halber auch „Stummfilm“ obwohl er ja nicht wirklich „stumm“  sondern nur ohne Dialoge ist.  Ein Tribut an Hollywood sollte es eigentlich nicht werden. Dass man den Film jetzt trotzdem so empfinden kam, liegt daran, dass diese Elemente dann dazukamen als wir an den Originalschauplätzen drehten. Da hat sich dann bei mir tatsächlich eine Art erhebendes Gefühl eingestellt direkt am Ort der klassischen Traumfabrik zu arbeiten  und das ist sicher auch mit in den Film eingeflossen, hat sich förmlich hineingedrängt. Dem kann man sich auch gar nicht entziehen.

Und was hat Sie dann speziell an Stummfilmen so fasziniert?

Das war einfach eine großartige Kunst, voller Ausdruck und Emotionen. Sehen Sie, heute denkt man bei Filmen aus dieser Zeit ja zuerst an die großen Clowns, wie Chaplin oder Keaton. Das war jedoch nur eine, sehr spezielle  Art von Filmen. Vor allem bei uns in Europa sind zu der Zeit aber echte Meisterwerke ganz anderer Art entstanden. Die Filme von Lubitsch, Hitchcock oder von Sternberg. Murnaus „Sunrise“ etwa oder sogar noch mehr sein „Der letzte Mann“, das sind großartige Melodramen.  Klassische Geschichten, voll von klassischem Schauspiel und davon ist Vieles leider mit dem Aufkommen des Tonfilms verloren gegangen.  Mich darin selbst einmal zu versuchen ist also eine völlig egoistische Aktion, ich wollte das einfach unbedingt machen.

Artist I 3Auf welche Schwierigkeiten sind Sie dabei gestoßen?

Die größte war natürlich die Geschichte auf diese Art zu erzählen, auf Sprache und  Dialoge als Hilfsmittel zu verzichten. Ich wollte es mir auch nicht zu einfach machen und stattdessen jede Menge Zwischentitel einbauen. Sie werden feststellen, dass es im Gegenteil sogar nur sehr  wenige solcher Texttafeln gibt. Nehmen wir als Beispiel  die Unterhaltung am Frühstückstisch, nachdem George von Peppy in ihr Haus gebracht wurde. Ich denke, die Stimmung und Atmosphäre werden auch so sehr gut deutlich, obwohl wir kaum einen Satz wörtlich mitbekommen, denn es erklärt sich praktisch durch die Gestik und das Mienenspiel von selbst. Und wir müssen auch gar nicht jede Einzelheit wissen, die uns nur vom wesentlichen  ablenken würden – nämlich dem Eindruck, dass in diesem Moment beide sehr glücklich sind. Da wieder hinzukommen hat aber einige Zeit gebraucht, man muss vor allem den Schauspielern viel Raum zur Entfaltung geben. Ich finde es aber wesentlich eleganter das auf diese Weise zu lösen.

Hat Sie die weltweite Aufmerksamkeit und Begeisterung für Ihren Film überrascht?

Absolut. Ich wollte zwar von vornherein keinen intellektuellen „Kunstfilm“ machen, der dann nur einen sehr kleinen Kreis anspricht, auch keinen „Gimmick“ – Movie,  es sollte schon ein populärer, ein richtiger „Mainstream“-Film werden. Aber das was jetzt passiert war natürlich nicht zu erwarten, wie es aussieht lieben ja tatsächlich sowohl die Kritiker als auch das Publikum den Film. Und auch die Amerikaner sind ganz begeistert über das was wir paar Franzosen über ihre ureigenste Ära zu erzählen haben, sie schmeißen uns mit Preisen und Nominierungen ja förmlich zu.

Artist I 2Auch für die Musik, die bei einem Film wie „The Artist“ eine wesentlich größere Rolle spielt als sonst.

Musik ist immer sehr wichtig, aber hier wird sie anders eingesetzt. Die Musik folgt praktisch dem was die Figuren tun und verstärkt es. Wenn die Charaktere überrascht, beschwingt oder verängstigt sind, dann spiegelt sich das in der jeweiligen Musik wieder. Und sie ist eben ständig präsent, nicht nur zu einigen besonderen Momenten. Wäre die Musik  nicht da, würde ja wirklich Stille herrschen. Daher ist sie sehr mächtig und nicht so „diskret“ wie sonst als Begleitmedium. Und genau deshalb wirken auch die wenigen Momente bei denen wirklich mal Stille herrscht in unserem Film dann besonders stark. Wir haben es unseren Schauspielern übrigens dadurch, dass wir auch während des Drehs ständig  passende Musik laufen ließen, etwas leichter gemacht sich in die Situation einzufinden.

Ich nehme aber mal an, trotz des großen Erfolges braucht man zu „The Artist“ nicht mit einer Fortsetzung zu rechnen?

Ganz sicher nicht. Obwohl es tatsächlich so ist, dass mich jetzt gewisse Leute auffordern noch einen weiteren „stummen“ Film zu drehen, so wie sie zuvor von mir weitere  lustige Agentenfilme haben wollten. Es ist auch eine tolle Sache so zu arbeiten und vielleicht habe ich noch einen weiteren Film dieser Art in mir.  Aber dann mit einer ganz neuen, hoffentlich guten Geschichte.


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