Er ist ein wenig der Spezialist für historische Kostümfilme. Mit „The King´s Speech“ gewann Tom Hooper dafür gleich mehrere Oscars, doch auch seine Musicalverfilmung „Les Misérables“ kam für das Genre bemerkenswert ernsthaft und dramatisch daher und wurde ebenfalls mehrfach nominiert. Für seinen neuen Film „The Danish Girl“ begibt sich der britische Regisseur nun ins Kopenhagen des frühen zwanzigsten Jahrhunderts und zeichnet das Portrait einer Frau, die sich im Körper eines Mannes gefangen fühlt. Im Interview erklärt Hooper Filmszene was ihn an dieser Geschichte gereizt hat.
Filmszene: Mr. Hooper, dieser Film spukte bereits lange in ihrem Kopf herum, bevor er dann schließlich realisiert wurde, richtig?
Tom Hooper: Das stimmt, im Jahr 2008 habe ich das Buch gelesen und mich mit dem Stoff beschäftigt und seitdem stand für mich auch fest, dass ich den Film machen wollte. Dann kamen immer wieder andere Projekte dazwischen, aber ich habe „The Danish Girl“ nie aus den Augen verloren und bin sehr glücklich, die Geschichte jetzt endlich umgesetzt zu haben. Gute Geschichten zu finden, ist nämlich mit das Schwierigste überhaupt und ich habe ein Faible für diejenigen, die zwar sehr interessant, aber nicht so bekannt ist.
Waren es tatsächlich nur andere Filmprojekte die sie so lange daran gehindert haben?
Nein, da spielt natürlich auch immer die finanzielle Seite eine Rolle. Unsere Produzentin kämpfte sogar fünfzehn Jahre lang darum den Film machen zu können. Es ist ein vielleicht heutzutage kein gewagter Stoff mehr, aber doch ein kommerziell schwieriges Thema, bei dem man nicht sicher sein kann, dass genug Leute es sich anschauen möchten. Und da hat dann natürlich der große Erfolg von „King´s Speech“ sehr geholfen nun das Okay zu bekommen, mit einem Budget das zwar nicht üppig, aber doch ausreichend war. Und dafür bin ich Universal sehr dankbar.
Wenn man „The Danish Girl“ mit „The King´s Speech” vergleicht – so man das den tun möchte -, dann haben wir in beiden Filmen eine Hauptfigur die ein ganz persönliches großes Problem überwinden und Ihren Platz in der Gesellschaft finden muss. Sind es diese Art Geschichten, die Sie besonders interessieren?
Das ist ein guter Punkt, denn ich habe mich in beide Drehbücher innerhalb des gleichen halben Jahres verliebt, obwohl „Danish Girl“ dann wesentlich länger bis zur Realisierung gebraucht hat. Und Sie haben recht, es gibt da eine Verbindung, eine thematische Gemeinsamkeit. Jeder von uns hat doch gewisse Blockaden, die zwischen dem stehen was wir sind und eigentlich wirklich sein möchten. Das kann Schüchternheit, eine Depression oder eben auch Stottern sein, wie in „The King’s Speech“. Das Faszinierende an Lili ist, zu welcher Zeit sie überhaupt auf die Idee kommt, sich umwandeln zu lassen. Als es das Wort „Transgender“ noch gar nicht gab und ja auch kein festgelegtes Verfahren wie man in so einem Fall vorgeht. Im Gegenteil, wie auch bei Homosexualität hat man damals eher versucht, diese „Krankheit“ auszutreiben, teilweise mit Elektroschocks und Lobotomie. Dazu kommt diese außergewöhnliche Beziehung zu Gerda, die es schafft Lili zu unterstützen, obwohl das wahrscheinlich bedeutet, ihren geliebten Partner zu verlieren. Beide Filme, dieser und „The King´s Speech“ zeigen daher meiner Meinung nach, dass es vor allem dann möglich ist Blockaden und Widerstände zu überwinden, wenn man einen starken Partner oder Freund an seiner Seite hat.
Die Protagonisten reisen dann von Kopenhagen nach Paris und derjenige, der die Operation schließlich durchführt, ist ein deutscher Arzt aus Dresden. Waren dies damals die fortschrittlichsten Orte für so ein Vorhaben?
Ja, das kann man wohl sagen und gerade die deutschen Städte wie Berlin und Dresden waren ja in den Jahren vor 1933 mit die interessantesten und liberalsten überhaupt. Ich denke auch, dass es gerade im Angesicht der aktuellen „Pegida“-Demonstrationen in Dresden wichtig ist einmal aufzuzeigen, wie weit vorne und aufgeschlossen man in dieser Stadt in vielerlei Hinsicht einmal war, beinahe schon eine Art sicherer Hafen für Freigeister.
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Filmszene-Redakteur Volker Robrah beim Interview mit Tom Hooper |
War Eddie Redmayne für die Rolle von Einar bzw. Lili von Anfang an Ihre erste Wahl?
Ich hatte ihn schon sehr früh dafür im Kopf, ja. Mir ist Eddie bereits vor rund zehn Jahren aufgefallen, als er in der englischen Miniserie „Elizabeth“ spielte und dort ein paar sehr beeindruckende Szenen hatte. Seine Kombination aus Stärke und Verletzlichkeit ist etwas ganz Besonderes, wie viele britische Schauspieler ist er im Grunde sehr zurückhaltend, aber dabei trotzdem auch immer sehr emotional. Mein Instinkt sagte mir von Anfang an, dass er die richtige Wahl ist und das schon lange bevor ihn die Academy ausgezeichnet hat.
Hat sich Ihre persönliche Ansicht zum Thema Geschlechtsumwandlung denn durch diesen Film irgendwie verändert?
Ich habe vor allem eine Menge gelernt und in diesem Zusammenhang außerdem viele interessante Leute kennengelernt. Und die größte Erkenntnis, die mir dabei nochmal ganz klar geworden ist: Es ist keine Frage der „Wahl“, ob man als Mann oder Frau leben möchte, man sucht sich das nicht aus. Bei denjenigen, die sich in ihrem Körper unwohl fühlen, sind das Bedürfnis und der Drang etwas ändern zu müssen, so stark, dass das Thema wirklich komplett ihr Leben bestimmt. Die können dann irgendwann gar nicht mehr anders als etwas zu verändern und ihnen das zu verwehren ist geradezu unmenschlich. Zum Glück hat sich da die öffentliche Meinung im Lauf der letzten Jahrzehnte stark verändert und unser Film ist hoffentlich in dieser Hinsicht gar nicht mehr so notwendig.
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