Filmszene-Special: Interview mit Jean Schulz

von Volker Robrahn / 22. Dezember 2015

Der tägliche „Peanuts“ Comic-Strip endete und starb mit seinem Schöpfer im Jahr 2000. Doch auch wenn Charles M. Schulz verfügte, dass das Kernstück seines Werkes unangetastet bleiben soll, lebt die Marke „Peanuts“ natürlich trotzdem weiter. Das Vermächtnis wird durch ein nach ihm benannten Museum in Schulz Heimatstadt Santa Rosa, Kalifornien gepflegt, aber es erscheinen gerade jetzt auch wieder neue Comics mit den beliebten Figuren um Charlie Brown, Snoopy & Co. und zum Jahresende nun auch ein großer „Peanuts“-Kinofilm. An diesem Projekt wirkt Charles Witwe Jean Schulz, die zudem auch als Direktorin das Museum führt, als Co-Produzentin mit und so führte sie ihr Weg schließlich auch nach Deutschland, wo Sie Filmszene.de ein Interview gewährte.

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Mrs. Schulz, ist es nicht erstaunlich, wie das Thema „Peanuts“ auch heute noch und so viele Jahre nach dem Ende des Comic-Strips die Leute fasziniert. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Meine frühere Antwort darauf war, dass viele Leute die „Peanuts“ zuerst im Fernsehen entdeckten, sich dort die Cartoon-Serie anschauten und dadurch dann oft auch zu den eigentlichen Comics kommen. Das hat aber zuletzt nachgelassen, ganz einfach weil die Serie nicht mehr so oft im TV zu sehen ist. Gerade deshalb ist aber bei vielen auch die Vorfreude auf den neuen Film entsprechend groß, denn endlich gibt es wieder etwas Neues von den „Peanuts“. Obwohl es natürlich in Wahrheit überhaupt nichts Neues ist, denn Charlie Brown ist genau derselbe der er immer war. Gut, er ist nicht ganz genau derselbe der er ganz zu Beginn des Comic-Strips war, denn da gab es in den ersten Jahren schon eine gewisse Entwicklung. Aber es besteht eine große Konsistenz zwischen dem neuen Film und der Art wie die Figuren seit etwa den späten 60er Jahren aufgetreten sind.

Diese Vorfreude auf etwas Neues nach langer Zeit betrifft dann aber doch eher die schon etwas älteren Fans. Wie findet der Nachwuchs zu den „Peanuts“?

Nun, ich spreche sehr oft mit jungen Leuten und stelle dabei meistens fest, dass sie nicht wirklich die „Peanuts“ als Ganzes kennen. Sie kennen halt vor allem Snoopy und vielleicht noch Charlie Brown. Sie kennen diese Figuren aber oft nur als Bild auf T-Shirts oder Tassen, denn sie sind ja nicht mit dem Comic-Strip aufgewachsen. Aber meine Theorie, warum auch der trotzdem noch so präsent ist, lautet: Die Menschen beginnen einfach irgendwo mittendrin zu lesen und dann finden sie einen Strip, den sie lieben, der sie persönlich anspricht. Von da ist der Weg zum „Fan“, der immer tiefer in die Materie eintaucht und weiter nach diesen „magischen Momenten“ sucht, dann gar nicht mehr so weit. Und dann gibt es natürlich auch noch die Hardcore-Fans, die jede Figur und jeden einzelnen Gag aus rund 50 Jahren „Peanuts“ kennen.

jean 1Die haben zumindest mittlerweile die Möglichkeit, die komplette Reihe am Stück zu genießen. Eben seit es die Gesamtausgabe gibt, während zuvor ja lange Zeit nur ein paar Auswahlbände verfügbar waren oder man sich das Werk mühevoll durch Sammeln und Ausschneiden der Zeitungsstrips zusammensuchen musste.

In der Tat und Sie glauben gar nicht, wie froh ich über diese Ausgabe bin. Die erscheint ja auch hier in Deutschland, wie ich gesehen habe und das finde ich erst recht sehr beeindruckend. Viele waren zu Beginn dieser Ausgabe vom Fantagraphics-Verlag (Anmerkung: In Deutschland erscheint die Peanuts-Werkausgabe beim Carlsen-Verlag) nämlich ziemlich skeptisch, ob das überhaupt funktionieren und sich das Projekt ausreichend verkaufen würde. Umso glücklicher bin ich nun, dass es tatsächlich geklappt hat und man die „Peanuts“ endlich von Anfang an bis zum Schluss lesen kann. Selbst ich mache das oft, gehe ganz zurück bis zum Anfang und versuche herauszufinden wie alles miteinander verbunden ist, wie Charles von einer Geschichte zur anderen gelangt ist und wann welche Figuren zum ersten Mal auftauchen. Es ist eigentlich unglaublich, aber anscheinend hat niemand geglaubt, dass die Menschen an so einer chronologischen Ausgabe interessiert sein könnten, bis schließlich Gary Groth und seine Crew das Wagnis angegangen sind – dafür bin ich wirklich sehr dankbar. Zuvor haben irgendwelche Redakteure einfach nur Auswahlbände zusammengestellt und da dann das hineingepackt was sie für besonders lustig hielten. Das hat mich immer gestört, denn so versteht man einfach nicht worum es wirklich geht. Und deshalb ist diese Werkausgabe die schönste Ehrung, die Sparkey überhaupt bekommen konnte.

In diesem Zusammenhang würde ich gern erfahren, was Sie denn von der aktuellen Entwicklung in Sachen „Peanuts“-Comics halten. Es hieß ja stets, dass es zwar weiterhin Merchandise in Form von z.B. Figuren geben soll und da gehört dann sicher auch der neue Film dazu. Nun gibt es aber seit einiger Zeit auch wieder neue Comics, wenn auch nicht als täglichen Strip in der Zeitung. Wie stehen Sie persönlich dazu?

Diese ganze Entwicklung hat damit zu tun, dass eben das Thema „Peanuts“ vor einigen Jahren in der Öffentlichkeit nicht mehr ganz so präsent war. Aus der Notwendigkeit heraus die Marke lebendig zu halten haben wir uns daher auf einen Lizenzvertrag für neue Comic-Books eingelassen, der zunächst auf fünf Jahre begrenzt ist. Ich muss gestehen, dass ich bisher nicht dazu gekommen bin sämtliche diese neuen Comics zu lesen, aber ich habe mir schon einige der Geschichten angesehen und bin zu dem Ergebnis gekommen: Nein, die funktionieren nicht. Sie unterscheiden sich einfach zu sehr von dem was Charles geschaffen hat. Sagen wir es so: Ich kann verstehen und nachvollziehen, warum es notwendig ist, neben der Werkausgabe auch neues Material zu veröffentlichen. Aber diese Comics sind schon sehr – anders. Selbst die Art der Farbgebung ist völlig unterschiedlich. Ich kann damit leben, aber wichtig ist mir die Aufrichtigkeit beim Bewerben dieser Ware: Dies sind neuerfundene Geschichten von anderen Leuten, daher sollte man auch ehrlich sagen: Dies ist eine neuer Ansatz für die „Peanuts“, geschaffen von z.B. Vicki Scott, koloriert von dem und dem…Das sollte ganz klar erkennbar sein. Was man aber stattdessen macht, ist eine Kombination aus neuem Material und einer Handvoll Originalseiten von Charles. Dadurch kann man dann zwar „Charles M. Schulz Peanuts“ aufs Cover schreiben, aber für mich fühlt sich das nicht richtig an. Und es gibt auch immer wieder Fans, die mir schreiben und fragen „Was ist das hier?“ Ich bin da wirklich sehr zwiegespalten und wünsche mir halt nur, dass man den Leuten ganz klar und ehrlich sagt WAS sie da bekommen.

jean 1 5Sprechen wir ein wenig über den Film, denn ich kann nicht leugnen, dass auch ich zuerst etwas skeptisch war ob das denn funktionieren kann, in der Form eines computeranimierten Spielfilms. Sicher, heutzutage macht man das so und der klassische, gezeichnete Trickfilm ist stark ins Hintertreffen geraten. Aber nachdem uns Regisseur Steve Martino nicht nur einige Ausschnitte gezeigt sondern auch erklärt hat, wie lange man am Konzept und daran gearbeitet hat, die Figuren „richtig“ hinzubekommen, bin ich mittlerweile recht angetan von dem was ich gesehen habe. Es scheint tatsächlich gelungen zu sein, den Geist der Vorlage zu treffen. Was ist Ihre Meinung dazu?

Ich bin sicher kein großer Freund von dreidimensional animierten Filmen. Gut, ich gehe aus Zeitgründen allgemein nicht oft ins Kino, aber ein paar dieser Filme wie z.B. „Rio“ habe ich schon gesehen. Was mir dabei aufgefallen ist, ist dass sich diese Filme oft sehr prätentiös geben, dass man zeigen will was alles möglich ist, indem es viele aufregende Kamerafahrten gibt und die Figuren oft spektakulär durch die Gegend fliegen. Das ist natürlich nicht das worum es bei den „Peanuts“ geht und deshalb war auch ich beim Thema „3D“ zunächst eher skeptisch. Aber das war auch nicht was Steve Martino wollte. Stattdessen hat man mehr als ein Jahr an Zeit alleine dafür verwendet, den Look und die Bewegung der Figuren richtig hinzubekommen. Das Erstaunliche ist nicht nur, wie ihnen das dann auch gelungen ist, sondern dass man ihnen überhaupt diese Zeit dafür gegeben hat. Was aber wohl auch deshalb sinnvoll war, weil es nun mal eine äußerst engagierte und auch kritische Fangemeinde der „Peanuts“ gibt, die eine lieblosere Herangehensweise vermutlich nicht akzeptiert hätte. Auch diese Gemeinde wollte Steve zufriedenstellen, denn es ist für ihn eben selbst ein Herzensprojekt. Aber klar, man weiß schon mit wem man es zu tun hat und warum man es deshalb besser „richtig“ machen sollte.

So ist es ja heutzutage, schon die bloße Ankündigung genügt, um über das Internet und in sozialen Netzwerken eine sofortige Reaktion zu erhalten und die fällt nicht immer freundlich aus. Wie war es in den Zeiten, in denen Charles Schulz seine Comics gezeichnet hat, gab es da überhaupt eine Art Feedback von den Lesern?

Sehr wenig gab es da an Reaktionen und eigentlich so gut wie gar nichts drang von außerhalb der Redaktion zu uns herein. Und wissen Sie was? Ich bin im Grunde sehr dankbar dafür, dass Charles zu der Zeit gestorben ist zu der er leider gestorben ist. Denn ich weiß genau, was er dazu gesagt hätte, zu all diesem Gezwitscher, zu all der Aufregung, die sich um alle möglichen Themen in der heutigen Medienwelt ausbreitet. „Alles Nonsens“ hätte er gesagt, alles kompletter Unsinn. Ich kann mich daran erinnern, wie er einmal, das war Ende der Achtziger Jahre, zu hören bekam, dass einige Leute der Meinung waren, der „Peanuts“-Strip wäre etwas beliebig und langweilig geworden. „Dann kann ich ja aufhören und einen Jüngeren ranlassen“ hat er damals gepoltert, was aber natürlich niemand wirklich wollte. Ich kann mir nicht vorstellen, wie er mit der heutigen Kultur des Kommentierens und Kritisierens durch Jedermann zurecht kommen würde. Ich weiß nur, dass er immer wenig Lust hatte auf so etwas zu hören, obwohl es durchaus an ihm genagt hat. Seine Maxime war aber immer „Ich kann nur das zeichnen, was ich interessant und witzig finde, mehr geht leider nicht.“

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Filmszene-Redakteur Volker Robrahn beim Gespräch mit Jean Schulz

Zum Abschluss eine Frage, deren Antwort ich mir nach unserem Gespräch aber eigentlich schon denken kann: Ist Jean Schulz selbst ein großer „Peanuts“-Fan?

Ja, ja und nochmal ja! Ich kannte natürlich den Strip schon bevor ich Charles geheiratet habe. Aber selbst danach hatte ich mich nicht so intensiv damit beschäftigt, denn das was man halt jeden Tag sieht, dem schenkt man oft gar nicht so viel Beachtung. Daher kann ich sagen, dass ich erst in den fünfzehn Jahren seit Charles Tod viel tiefer in die Materie eingedrungen bin. Ich lese fast jeden Tag ein paar „Peanuts“-Strips und entdecke dabei auch immer wieder etwas Neues.

Frau Schulz, herzlichen Dank für dieses Gespräch.


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