In seine Heimat Dänemark erkennt man ihn auf der Straße, aber auch hierzulande hat sich Nikolaj Lie Kaas mit Auftritten in Lars von Triers „Idioten“ oder dem Kultfilm „In China essen sie Hunde“ einen Namen gemacht. In „Erlösung“ schlüpft der dänische Film- und Theaterschauspieler nun zum dritten Mal in die Rolle des knorrigen Ermittlers Carl Mørck, eine Figur die der populäre Autor Jussi Adler-Olsen einst für seine Romanreihe erfunden hatte. Wie es ist diesen Charakter weiterzuentwickeln erzählte uns Nikilaj Lie Kaas bei der Vorstellung seines neuen Films in Hamburg.
Filmszene: Glückwunsch zum nun schon dritten Film dieser Reihe, Nikolaj. Wie viele Jahre wird Sie Carl Mørck denn voraussichtlich noch begleiten?
Nikolaj Lie Kaas: Nicht mehr allzu lange, denke ich. Es gibt zwar noch weit mehr Bücher mit ihm, aber die Filmrechte gelten jetzt erst mal für die ersten vier Bücher und es kann gut sein, dass danach dann auch Schluss ist. Wie ich gehört habe, ist Jussi Adler-Olsen wohl kein allzu großer Fan der Filme – was ja bei Verfilmungen von Büchern aber auch nichts Ungewöhnliches ist. Allerdings gibt es wohl auch Überlegungen zu einem US-Remake, aber darin würde dann natürlich jemand Anderes die Rolle spielen. Wir dagegen werden also die Geschichte um Carl & Assad im nächsten Film wohl auf irgendeine Art zu einem befriedigenden Abschluss bringen müssen.
Inwieweit ist gerade die Figur des Carl Mørck denn eine werkgetreue Adaption der Buchvorlage oder doch mehr ihre eigene Interpretation des Charakters?
Es ist verdammt schwierig, wenn nicht gar unmöglich, so einen Charakter annähernd 1:1 umzusetzen. Denn ein Roman ist nun mal kein Drehbuch. Und mit Carl haben wir dann auch noch eine Figur, die eigentlich gar nicht da sein möchte, er würde nämlich lieber gar nichts tun als diese Arbeit. Als ich damit begann die Bücher zu lesen, sah ich einen Typen der im Keller sitzt und Kreuzworträtsel löst, bis es schließlich Assad gelingt, doch noch sein Interesse zu wecken. Wenn man das genauso übernimmt wäre das Publikum vermutlich sehr schnell gelangweilt von dieser Figur. So kann man da also nicht herangehen. Wir erzählen daher die Geschichte auf eine etwas andere Art, ohne dabei aber den Geist der Vorlage zu verraten. Und daher hat meiner Meinung nach auch Beides seine Existenzberechtigung – sowohl die Bücher, als auch die Filme. Man sollte am besten auch Beides unabhängig voneinander betrachten.
Was hast Du denn persönlich mit Deiner Filmfigur gemein? Bist Du auch manchmal so schlecht gelaunt?
Na, wer ist das nicht ab und zu (lacht). Er verhält sich nicht mehr so „sozial“ wie man es eigentlich erwartet und ich denke, dass macht ihn wiederum reizvoll und sympathisch und bietet auch Identifikationsmöglichkeiten – wer möchte nicht ab und zu mal aus den gesellschaftlichen Zwängen ausbrechen und sich so geben wie man sich gerade fühlt? Natürlich ist jemand wie Carl einsam und nicht glücklich, aber er ist andererseits eben auch unglaublich ehrlich. Außerdem finde ich, dass Carl und Assad ohne den jeweils Anderen im Grunde nicht existieren könnten, sie ergänzen sich beiden zu einem kompletten Charakter. Yin und Yang, sozusagen.
Es gibt da diesen einen Satz im Film, als der Killer zu ihm sagt „Du kämpfst so sehr um das Leben von Leuten, die Du nicht einmal kennst. Du kannst mir nicht erzählen, dass Du keinen Glauben mehr hast“. Das ist für mich so etwas wie die Kernaussage zu dieser Figur überhaupt.
Ganz genau! Carl realisiert es zwar für sich selbst überhaupt nicht, aber natürlich glaubt er noch an Etwas, sonst würde er sich nicht so sehr für die Opfer einsetzen. So sucht sich jeder seinen eigenen, persönlichen Mittelpunkt. Wir haben die Menschen, für die ihre Religion den Anker bildet, für andere ist es die Familie. Für Carl bleibt da sein Job, seine Aufgabe – auch wenn es ihm selbst gar nicht so bewusst ist.
Es kann doch eigentlich kein Zufall sein, das in nahezu allen Filmen die aus Skandinavien zu uns gelangen, eine gewisse Düsternis und Traurigkeit zu spüren ist, selbst in den Komödien.
Da ist sicher etwas dran, diese, ich nenne es mal „Melancholie“ gibt es schon. Es ist eine Seite, die man lange Zeit eher versteckt und sich lieber „positiv“ und fröhlich gegeben hat. Aber ich denke wir müssen wohl einfach akzeptieren, dass wir eine gewisse Traurigkeit in uns haben. Ich finde es sogar wichtig, dass es auch diesen Teil gibt und man ihn sich eingesteht. Was meine Frau übrigens weniger versteht, denn wenn ich mal beim Betrachten eines Filmes von Emotionen überwältigt werde, kann sie das schwer nachvollziehen. Viele mögen es nicht, traurig zu sein, aber auch diesen Part gilt es zu akzeptieren, womit wir wieder den Bogen zur Figur von Carl Mørck schlagen. Es kann aber natürlich auch einfach daran liegen, dass man einfach immer melancholischer wird, je weiter es gen Norden und in die Dunkelheit geht (lacht).
Trotz all der dunklen Themen um die es in den Filmen geht, ist von „Erbarmen“ bis „Erlösung“ doch auch immer eine Menge Humor enthalten, vor allem in den Dialogen zwischen Carl & Assad. Habt Ihr eigentlich Spaß beim Drehen?
Den haben wir definitiv, ja! Wobei das Empfinden dabei für mich und Fares wohl etwas unterschiedlich ausfällt. Denn obwohl wir uns super verstehen und Freunde geworden sind, sind wir doch sehr unterschiedliche Typen. Vor allem hat Fares Fares eine völlig andere Arbeits- und Herangehensweise an die Arbeit als ich. Ich baue eine gewisse Spannung auf, die ich dann auch raus lassen muss, ich bringe viel Energie mit ans Set und reagiere dann oft spontan. Fares ist dagegen stets fokussiert, die ganze Zeit auf den Text und das Drehbuch konzentriert. Daher ist er manchmal doch sehr genervt, wenn ich spontan das Thema wechsle oder auf einmal etwas völlig Anderes mache. Aber trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb, haben wir auch eine Menge Spaß bei der Arbeit.
Du stammst aus einer Schauspieler-Familie, dein Vater war Mitglied der auch bei uns sehr bekannten „Olsen-Bande“.
Filmszene-Redakteur Volker Robrahn beim Interview mit Nikolaj Lie Kaas. |
Daher bist Du praktisch seit der Kindheit mit den Begleitumständen eines öffentlichen Lebens vertraut. Geht das soweit, dass man Dich in Dänemark auf der Straße erkennt und wie gehst Du damit um?
Ja, ich werde oft erkannt. Ob ich das mag und wie ich damit umgehe? Nun, ich kenne das seit ich siebzehn bin und eigentlich bemerke ich es gar nicht mehr. Weil es schon solange ein „Normalzustand“ für mich ist. Aber es ist trotzdem immer wieder ein tolles Gefühl, wenn jemand auf Dich zukommt und Dir sagt, wie sehr er Deine Arbeit schätzt – da gibt es kaum etwas Schöneres, denn man gibt sich ja schließlich viel Mühe das zu erreichen. Aber klar, manchmal möchte man auch lieber gerne privat sein, wer will das nicht. Aber dafür kann ich ja in andere Länder gehen, da erkennt mich dann niemand mehr.
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