"Anna Karenina": Ein Interview mit Regisseur Joe Wright

von Volker Robrahn / 4. Dezember 2012

anna i 1 5Zwar gilt er schon ein wenig als der aktuelle Spezialist für britische Kostümdramen, doch das bedeutet nicht, dass Joe Wright Publikum und Branche deshalb nicht auch überraschen kann. So bekam sein ungewöhnlicher, phasenweise fast surrealer und leicht märchenhafter Agenten-Thriller „Wer ist Hanna?“ im letzten Jahr ausgezeichnete Kritiken und seine neue Version der bekannten Liebesgeschichte um „Anna Karenina“ verblüfft mit ihrer visuellen Pracht und den theaterhaften Kulissen.  Warum aber jetzt überhaupt wieder diese Rückkehr zum Kostümfilm? „Weil ich mich in diesen Filmen aus einer anderen Zeit viel mehr austoben und meinem Gestaltungswillen freien Lauf lassen kann“ erklärt Wright Filmszene.de  im Interview anlässlich der Präsentation des Films in Berlin. „Zumindest nehme ich mir diese Freiheiten, bei Geschichten die im hier und jetzt spielen spüre ich dagegen eine viel größere Verpflichtung alles akkurat und korrekt wiedergeben zu müssen“. Was er bei seiner Adaption der schon oft verfilmten „Anna Karenina“ erzielen wollte, sei eine Art „magischer Realismus“ und der Filmemacher nimmt sich bei diesem wie auch bei all seinen sonstigen Sätzen viel Zeit um auch ja die richtigen Worte zu benutzen, verbessert und korrigiert seine eigenen Ausdrücke immer mal wieder.  Die Inspiration für seine Entscheidung, die Figuren auf einer sich ständig wandelnden Bühne agieren zu lassen sei dabei aber in erster Linie seiner eigenen Theaterleidenschaft geschuldet, denn Wright schaut sich deutlich mehr Stücke an als Filme.  Und dem Bestreben „die Möglichkeiten des Mediums Film ein Stück über dessen überwiegend naturalistischen Ansatz hinaus auszuweiten“.  Das möglichst realistische ist ihm halt grundsätzlich zu uninteressant und diese Einstellung erklärt dann im Prinzip auch einen Film wie „Wer ist Hanna?“.

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Ständig etwas Neues zu probieren und sich dabei aus der eigenen Komfortzone heraus zubewegen, sei eine Eigenschaft die er mit seiner Lieblingsschauspielerin Keira Knightley teilt, mit der er nun schon zum dritten Mal nach „Stolz und Vorurteil“ sowie „Abbitte“ zusammenarbeitet.  Wie es überhaupt auffällt, dass Wright bei seinen Filmen immer wieder die gleichen Leute um sich schart. Ob ihm eigentlich bewusst sei, dass es im Wikipedia-Eintrag über ihn sogar eine Schautafel gibt, welche akribisch auflistet welche Darsteller und Teammitarbeiter in seinen bisher fünf großen Filmen immer wieder auftauchen? „War ja klar, dass das irgendwann auffällt, aber was soll ich mich dafür groß rechtfertigen – es erscheint mir an sich völlig logisch. Wenn ich schon bei der Art meiner Inszenierungen versuche immer wieder Neuland zu betreten, dann wird man mir doch sicher zugestehen, mich zumindest was die praktische Arbeit angeht mit Bewährtem zu umgeben? Außerdem habe ich einfach gerne eine gute Atmosphäre am Set“ lautet die ziemlich entwaffnende Entgegnung.  

anna i 2Zwei große Bühnen hat er in einer Londoner Halle bauen lassen um das Epos aus der Zarenzeit umzusetzen, auf beiden wurde praktisch immer zeitglich gearbeitet und  „das Licht ging dort eigentlich nie aus, ganze drei Monate lang nicht“ weil ständig entweder gedreht oder weiter an den Kulissen gearbeitet wurde.  Was dann auch wieder einer dieser langen, durchgehenden Einstellungen erlaubte, die praktisch seit „Abbitte“ eine Art Markenzeichen des Regisseurs sind. „Den meisten Druck hat dabei stets der letzte Typ in der Reihe, denn nachdem die Kamera sich über eine weite Strecke durch viele Räume bewegt hat, darf natürlich gerade der Letzte der gefilmt wird keinen Fehler machen, wenn nicht alles umsonst gewesen sein soll“ lacht Wright und betont, dass auf seinen „Last Guy“ aber bisher immer Verlass war. Was ihn an diesem Stoff, der ja doch schon mehrfach verfilmt wurde, denn überhaupt gereizt habe ist eine der unvermeidlichen Fragen. Im Unterschied zu den bisherigen Adaptionen ging es ihm nicht darum Anna Karenina als eine Art Symbol der weiblichen Emanzipation oder der gesellschaftlichen Unterdrückung und Zwänge zu präsentieren, erläutert Wright. „Ich wollte vielmehr ein Individuum zeigen, bzw. mehrere Individuen, die ganz für sich stehen  und sich jeder für sich nachvollziehbar verhalten. Deshalb durfte etwa auch der Karenin von Jude Law kein rein ausschließlich negativ behafteter, gefühlloser Mann sein, dem man diese Frau eh nicht gönnt. Die Ehe und Liebe der Beiden ist im Laufe der Jahre zwar erkaltet und sie kommunizieren nicht mehr, aber man spürt schon, dass da mal etwas war und das liegt nicht zuletzt an Judes Darstellung. Das Ganze stellt außerdem  meinen Versuch da „Liebe“ zu zeigen und ich meine tatsächlich „zeigen“, denn man soll sie nicht nur spüren sondern quasi sehen können, obwohl ich natürlich nicht weiß, ob mir das dann wirklich gelungen ist.“

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Ob er denn nicht trotz all der Annehmlichkeiten des Historienfilmes auch Lust hat, wieder einen moderneren Film zu machen, vielleicht sogar nochmal etwas im Actionbereich?  „Ja, denn ich mag  den Actionfilm, weil er eine Form des „reinen Kinos“ verkörpert“ antwortet Wright, diesmal ausnahmsweise ohne das geringste Zögern.  Ich mag das Pure daran, im Gegensatz zum ausgeklügelten Drama“. Nach „Hanna“ habe es zwar diverse Angebote gegeben, aber da Wright nicht daran  interessiert ist einfach nur ein paar Sachen in die Luft zu jagen, war bisher noch nicht wieder das Richtige dabei. Über eines müssen wir aber noch sprechen, nämlich seinen Ruf  als „Frauenregisseur“. Denn bis auf eine Ausnahme („Der Solist“)   haben wir es in Wrights Filmen stets mit einer oder gleich mehreren starken weiblichen Hauptfiguren zu tun. Und dafür gibt es tatsächlich einen handfesten Grund: „Ich mag Frauen und ich mag  ihre Gesellschaft mehr als die von Männern“, gibt der Filmemacher zu.  „Die Themen der Männer, vor allem wenn sie sich unter Ihresgleichen befinden, sind doch leider oft etwas dumm. Das heißt aber nicht, dass ich mich deshalb als Frauenregisseur betrachte, das hat sich dann oft einfach so ergeben.“ Unabhängig davon wie seine Karriere weiter verlaufen wird, wer den bescheidenen Joe Wright im Gespräch erlebt, glaubt ihm sofort, dass ihm Veranstaltungen wie die Oscar-Verleihung ein ziemlicher Gräuel sind, findet er doch schon die Idee, völlig unterschiedliche Filme  in einem Wettbewerb miteinander zu vergleichen eher unsinnig.  Mit „Anna Karenina“ könnten sie ihm aber durchaus wieder passieren, die Nominierungen.  Den Tipp dann doch einfach in Zukunft nur noch Actionfilme zu drehen, um diesem Prozedere damit garantiert zu entgehen, hält er dann auch zumindest einer Überlegung wert. Er wird ihn aber natürlich trotzdem nicht beherzigen.

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Er bestand auf diese Position: Joe Wright beim Interview mit Filmszene-Redakteur Volker Robrahn

 


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