Reine Nervensache

Originaltitel
Analyze This
Land
Jahr
1999
Laufzeit
103 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Frank-Michael Helmke / 30. Mai 2010

Griffin Mill hätte diesen Film geliebt. Zur Erinnerung: Griffin Mill war der schleimige Filmproduzent in Altman’s „The Player“, der jedem dahergelaufenen Drehbuchautor genau 30 Sekunden gab, um seine Idee zu erklären. Für diesen Film braucht man noch nicht mal zehn Sekunden, aber es hört sich trotzdem gut an: Mafia-Boss wird neurotisch und muß zum Psychiater. Den Gangster spielt Robert de Niro, den Psychiater Billy Crystal. Das war’s.

Paul Vitti ist der mächtigste Mafia-Pate in New York, doch seine Feinde sitzen ihm im Nacken und es laufen ernsthafte Mordkomplotte gegen ihn. Zu diesem denkbar ungünstigen Zeitpunkt wird der harte Gangster auf einmal depressiv, bekommt Panikattacken, Erektionsprobleme und fängt bei einer Versicherungswerbung an zu heulen. Kurzerhand beauftragt Vitti seinen etwas tumben, aber absolut loyalen und liebenswerten Leibwächter Jelly (Joe Viterelli als die Inkarnation des Mafia-Gorillas, der heimliche Star des Films) damit, einen Psychiater für ihn zu finden. Praktischerweise hat Jelly erst kürzlich einen kennengelernt. Ben Sobol war, abgelenkt durch seinen Sohn, Jelly auf den Wagen aufgefahren, als der gerade einen zusätzlichen Passagier im Kofferraum hatte. Polizei ist in so einer Situation nicht zu gebrauchen, aber Sobol schwatzte dem Mafioso seine Visitenkarte auf, für den Fall, daß größerer Schaden entstanden sei. Und schon sitzt die professionelle Labertasche mitten im Fettnäpfchen, denn Paul Vitti pflegt keine Termine zu vereinbaren, sondern holt sich seinen Psychiater, wann er ihn braucht. Egal, ob der gerade nach Florida fährt, um zu heiraten.
Wir haben hier mal wieder einen der zahlreichen Streifen, deren Handlung sich ohne weiteres in einen Satz packen läßt. Die Qualität solcher Filme hängt letztlich von zwei entscheidenden Faktoren ab: Was macht das Drehbuch aus dieser Nicht-Story, und wie gut sind die Darsteller?

Kurz gesagt: Das Drehbuch ist phantastisch. Mafioso und Psychiater liefern sich so herrliche Wortgefechte, daß in jedem Satz der nächste Brüller lauert, und man vor lauter Lachen Gefahr läuft, einen Gag zu verpassen. Dabei gleitet der Film keinesfalls in lahme Slapstick oder eine derbe Mafia-Parodie á la Zucker/Abrahams/Zucker ab, die Dialoge wirken, im Rahmen der benutzten Klischees, absolut natürlich. Man kann schließlich von einem Mafia-Boss nicht erwarten, daß er mit dem emotionalen Gefasel eines Couchdoktors so ohne weiteres klar kommt. Und der Psychiater weiß selber ganz genau, daß man einem mächtigen Gangster nicht öfter als einmal widerspricht.
Die brillanten Darsteller tun ihr übriges. Robert de Niro ist allein durch seine Anwesenheit schon eine Offenbarung. Als der Inbegriff des Filmmafiosi scheint es ihm sichtlich Spaß zu machen, sein eigenes Image gnadenlos auf die Schippe zu nehmen, und der Eintrittspreis lohnt sich schon, um den harten de Niro einmal aus vollem Herzen wimmern zu sehen. Natürlich wird der Film von diesem Auftritt getragen, und Billy Crystal verkommt streckenweise etwas zum Stichwortgeber, aber am Ende darf auch er richtig zeigen, was in ihm steckt, und zieht eine Show ab, die ihresgleichen sucht.

Das schöne ist, daß sich alle Beteiligten anscheinend im klaren darüber waren, was an diesem Film das wichtigste sein würde. Das Dialogfeuerwerk mit ständigen Gag-Salven wird so lange wie irgend möglich aufrecht erhalten, und erst in der letzten Viertelstunde werden die Handlungsfäden zusammengestrickt, um der Geschichte Anfang und Ende zu geben. Regisseur Harold Ramis („Ghostbusters“, „Und täglich grüßt das Murmeltier“) verzichtet konsequent auf den erhobenen Zeigefinger, weshalb eine großartige Verurteilung von Vittis Lebensstil dankenswerterweise ausbleibt und auch jegliche Moral vergeblich gesucht wird. Und die notwendige Neurose, die der Mafiosi natürlich haben muß, ist zwar eine recht ernste Angelegenheit, führt aber ebenfalls zu einer extrem witzigen Szene, da Vitti seinen seelischen Zusammenbruch nicht gerade zu einem passenden Zeitpunkt bekommt.

„Reine Nervensache“ ist kein Meilenstein der Filmgeschichte, und tut auch nicht so, als wäre er mehr als er ist. Es handelt sich lediglich um eine dünne Story, die die witzigsten Dialoge des bisherigen Kinojahres zusammenhält und auf sehr gekonnte Weise mit den eigenen Klischees chargiert (selbst eine Referenz auf Vito Corleone ist famos eingebaut). Wer nach 106 Minuten königlicher Unterhaltung ohne Hintergedanken sucht, ist hier an der richtigen Adresse. Man trifft schließlich viel zu selten auf einen Film, der keinen anderen Anspruch hat, als seine Zuschauer alle 30 Sekunden herzhaft lachen zu lassen, und dem auch noch gerecht wird.

Bilder: Copyright

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