Liebesleid

MOH (35): 6. Oscars 1934 - "Liebesleid"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 13. Januar 2024

Nach dem wir in der letzten Folge uns einem König von England gewidmet haben, ist es nun Zeit für eine Queen. Die "Queen von MGM" genauer gesagt, wie die extrem ehrgeizige Schauspielerin Norma Shearer auch genannt wurde. Diese stand nämlich für zahlreiche Prestigeproduktionen von Metro-Goldwyn-Mayer vor der Kamera, profitierte dabei aber natürlich auch vom hier bereits besprochenen Star-System – schließlich war Shearer mit dem Vize-Chef und Star-Produzenten Irving Thalberg von MGM verheiratet. Deren Kollaboration im 1934 für den besten Film nominierten "Liebesleid" kann uns aber leider nicht wirklich überzeugen.

Liebesleid

Originaltitel
Smilin' Through
Land
Jahr
1932
Laufzeit
98 min
Genre
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
5
5/10

"Liebesleid" spielt Ende des 19. Jahrhunderts in England. Der wohlhabende John Carteret (Leslie Howard) trauert noch immer um seine vor vielen Jahren und viel zu jung verstorbene große Liebe Moonyean (Norma Shearer) und nur die Anwesenheit ihrer Nichte Kathleen (ebenfalls Norma Shearer) spendet ihm ein wenig Trost. John hat Kathleen nach dem Tod ihrer Eltern bei sich als junges Kind aufgenommen und sieht sie mit den Jahren nun zu einer jungen Frau heranwachsen, die ihn gerade optisch immer mehr an seine alte verflossene Liebe erinnert. Doch als sich Kathleen in den Amerikaner Kenneth (Frederic March) verliebt ziehen für die nun junge Frau dunkle Wolken auf. Zum einen, da Kenneth kurz vor dem gefährlichen Fronteinsatz im ersten Weltkrieg steht. Und zum anderen, weil diesen und John ein dunkles Geheimnis verbindet, dass die Beziehung zwischen Kathleen und ihrem Ziehvater bald auf eine harte Probe stellen wird.

Wie schon öfters in dieser Reihe beruht auch "Liebesleid" auf einem erfolgreichen Broadway-Stück, das soviel potentielles Herz-Schmerz-Drama beinhaltet, dass man den Stoff in kurzer Zeit gleich dreimal in Filmform goss. Sowohl die 1922er und 1932er Version wurden dabei von Sidney Franklin inszeniert, während sich 1941 der uns nur zu vertraute Frank Borzage (“Bad Girl“, “In einem anderen Land“) ebenfalls an dem Melodrama versuchen durfte. So richtig Lust sich die anderen Versionen anzuschauen macht die Fassung von 1932 aber nicht, obwohl wir in dieser Reihe ja von Hauptdarstellerin Norma Shearer schon einmal in den höchsten Tönen geschwärmt haben. Deren Figur legt zwar am Anfang eine ordentliche Chemie mit ihrem Ersatzvater an den Tag, doch spätestens nach einer halben Stunde entwickelt sich die Story zu einer eher zähen Angelegenheit.


Szenen, die eigentlich in einer Minute abgefrühstückt werden könnten, ziehen sich hier gefühlt ewig hin, da sie oft nur aus möglichst kitschig formulierten Liebesbekundungen bestehen. Das geht sogar soweit, dass in einer Szene selbst Kenneth genug von seiner großen Liebe zu haben scheint und genervt anmerkt, warum sich Kathleen denn nun schon wieder so dramatisch um seinen Hals wirft. So wird andauernd über die eigene Gefühlswelt geredet, anstatt dass die Geschichte irgendwelche interessanten Szenen generiert, in denen man diese Emotionen auch tatsächlich im Praxiseinsatz sieht. So dümpelt die Geschichte und die Figurenentwicklung nur mäßig interessant dahin und man läuft sogar einmal Gefahr, der bisher peinlichsten Sterbeszene unserer Oscar-Reihe ("Alibi") Konkurrenz zu machen.

Glücklicherweise ist das Darstellerensemble dann dafür aber doch zu gut. Mehr als Durchschnitt ist dann zwar auch nicht drin, aber angesichts der oft banal wirkenden Dialoge ist das durchaus ein Kompliment für das Ensemble. So liegt die Schuld hier vor allem an einem Drehbuch, das sich auf berechenbaren Storybeats und klischeehaft angelegten Figuren ausruht und seinen Darstellern einfach nichts Spannendes zu tun gibt. Vereinzelt gelingt es Shearer zwar mit ihrer meist zum dahin schmachten verdammten Figur ein paar interessantere emotionale Momente zu kreieren, doch gerade ihr Talent starke und emanzipierte Frauen darzustellen wird mit dieser Figur leider im Keim erstickt.


Immerhin gibt sich Regisseur Sidney Franklin wenigstens ordentlich Mühe das Geschehen zumindest gut aussehen zu lassen. Er lässt sich so zum Beispiel immer wieder clevere visuelle Übergänge einfallen, wenn es zum Beispiel um den Einbau von Rückblenden oder die Überbrückung eines längeren Zeitraums geht. Das ist dann aber nur ein kleines Sahnehäubchen auf eine Torte, bei der das Basisrezept einfach zu uninspiriert ist, um einen wirklich interessanten Geschmack zu entwickeln. Und auch wenn man sich am Ende mit einem halbwegs ordentlichen Finish gerade noch so ins Ziel rettet, wirkt "Liebesleid" insgesamt dann doch eher im negativen Sinne altmodisch und darf auch von Liebhabern klassischer Filme getrost ignoriert werden.

"Liebesleid" ist aktuell als DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar. Alternativ ist der Film auch auf Youtube zu finden (Suchbegriff "Smilin' Through 1932").

 

Die erste Begegnung von Kathleen und Kenneth.


Ausblick
In unserer nächsten Folge wird es mal wieder Zeit die ja immer noch relativ frische Tontechnik auszureizen. Glücklicherweise diesmal mit einem Musical, dass die Steifheit seiner Genre-Vorgänger etwas abschütteln konnte.

Bilder: Copyright

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