Jena Paradies

Jahr
2005
Laufzeit
83 min
Genre
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Beatrice Wallis / 1. Januar 2010

Jenseits der Plattenbauten zeigt das thüringische Jena ein freundlicheres Gesicht. Von Bergen umsäumt, die einen herrlichen Blick über die Stadt erlauben, offenbart sich eine urbane und zugleich grüne Idylle. Mittendrin leben Jeanette (Stefanie Stappenbeck) und ihr zehnjähriger Sohn Louis (Luca di Michieli). Es ist der Jahrhundertsommer 2003, die Stimmung ist melancholisch und das Leben auf sommerliche Weise verlangsamt. Jeanette lebt zurückgezogen alleine mit ihrem Sohn, doch wenn es dem Jungen zu eng wird, sucht er Kontakt zu Harry (Bruno F. Apitz), einem gealterten Platzwart und Trainer des örtlichen Fußballvereins. Doch dieser hat mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen, denn von den jungen Fußballern wird er mehr belächelt als ernst genommen und seine Jobsuche bleibt ebenfalls erfolglos. Jeanette sieht das Glück in Gestalt ihres neuen Nachbarn Philipp (Hans-Jochen Wagner) einziehen, der jedoch eine eigene Familie hat. Trotzdem entspinnt sich ein zartes Band zwischen den beiden, das Jeanette mit beiden Händen ergreift. Wie ein Kind umschlingt sie Philipp mit ihrer Zuneigung, ohne zu bedenken, wie dieser mit ihrem emotionalen Überschwang umgehen soll.

Auch wenn sich Jeanette lebenslustig gibt, alleine ihren Sohn erzieht, als patente Heimwerkerin antritt, die dem neuen Nachbarn in seiner Werkstatt die richtigen Geräte zu reichen weiß, spürt der Zuschauer ihre tiefe Verunsicherung und die Einsamkeit, die sie umgibt. Louis ist ihr Lebensinhalt und alles was da sonst noch war, hat sie abgeschüttelt. Fragen ihres Sohnes nach den Großeltern wehrt sie ab, ebenso wie eine Einladung zu deren silberner Hochzeit, die Louis entdeckt hat. Die selbst gewählte Isolation beginnt zu bröckeln, als ihr Sohn mit seinen Fragen nicht nachlässt und Jeanette sich zunehmend dem älter werdenden Sohn und seinen Bedürfnissen stellen muss. In Louis keimt mit der Einladung die Hoffnung auf, eine Familie und eine eigene Geschichte zu finden.
Hoffnung ist auch das Motiv, das Jeanette und Harry antreibt. Der neue Nachbar, ein Mann, der aussieht, als wäre er zum Beschützen geboren, lässt Jeanette aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen. Doch das Scheitern ist programmiert. Ebenso bei Harry, der ein Auswärtsspiel für seine Fußballjungs organisiert hat und damit die Chance wittert, dass aus der Spaßmannschaft doch noch mehr wird. Aber schon bald zeigt sich, dass auch seine Hoffnungen nicht in Erfüllung gehen. Doch es werden sich andere Wege auftun, die an neue Orte führen und das Leben wird weitergehen.

Eine fast alltägliche Geschichte, die zwar eine besondere Stimmung in sich trägt, aber dennoch kaum spektakulär ist. Damit steht "Jena Paradies" schon fast in der Tradition eines besonderen Genres des deutschen Films, das sich vor allem in den letzten Jahren im Kino präsentiert hat. "Halbe Treppe" war dafür beispielhaft, aber auch "Lichter" oder aktuell "Netto". Filme, die nicht durch spektakuläre Geschichten überzeugen, sondern aus dem Leben einzelner erzählen. Und das kann auch großes Kino sein.
Auch wenn "Jena Paradies" nicht die Klasse von Dresens "Halbe Treppe" erreicht, ist er dennoch sehenswert. In sehr schönen Bildern und schlichter Erzählweise bündelt er die Schicksale dreier Menschen, die einsam sind, deren Leben zwischen Angst und Hoffnung pendelt, die sich aber dennoch aufrappeln, um das Leben zu leben. Da kann man auch durchaus darüber hinwegsehen, dass der Film einige Umstände nicht näher beleuchtet, die wichtig gewesen wären. So erfahren wir zum Beispiel nicht, warum das Verhältnis von Jeanette zu ihren Eltern eigentlich so schlecht ist.
Der Film ist daher sicherlich noch kein ganz großer, aber wer schöne Geschichten mag, der ist hier richtig. Und was nicht ist, kann ja noch werden. Der neue Film von Regisseur Marco Mittelstaedt ist auf jeden Fall bereits in Planung.


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