Der wilde Schlag meines Herzens

Originaltitel
De battre mon coeur s'est arrete
Land
Jahr
2005
Laufzeit
107 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Kai Kollenberg / 23. Dezember 2010

Amerikanische Remakes von europäischen Filmen gibt es zu Genüge, dass aber ein Film aus den USA in Europa neu adaptiert wird, kommt nicht alle Tage vor. Und wenn sich dann noch wie in diesem Film ein Franzose an dem Stoff versucht, darf man doppelt gespannt sein.

Die Handlung von "Der wilde Schlag meines Herzens" ist mit dem Original ("Fingers" mit Harvey Keitel) bis auf wenige Abweichungen identisch: Thomas (Romain Duris) ist Immobilienhai in Paris, der mit nicht immer ganz legalen Methoden arbeitet. Hat er einmal Gefallen an einer Wohnung gefunden, tut er alles, um diese zu bekommen oder zu behalten. So setzt er Ratten in einem Mietshaus aus oder sorgt auch schon mal mit einem Baseballschläger dafür, dass Hausbesetzer seine neu erworbenen Räumlichkeiten verlassen. Er tritt hiermit in die Fußstapfen seines Vaters, der ebenfalls in der gleichen Branche mit denselben zwielichtigen Methoden arbeitet. Als Thomas aber eines Tages wieder seinem alten Klavierlehrer begegnet und der ihm die Gelegenheit für ein Vorspielen anbietet, stürzt sich Thomas ins Klavierspiel, um Konzertpianist zu werden - wie es seine tote Mutter war.

"Der wilde Schlag meines Herzens" handelt von der Angst des Scheiterns. Von der Angst, trotz aller Mühen nicht sein Ziel zu erreichen. Damit ringt Thomas, nachdem er das Klavierspiel wieder entdeckt hat. Das Vorspiel bei seinem ehemaligen Lehrer soll nicht gefährdet werden, er kann und will diese Möglichkeit nicht riskieren. Ständig ist er bedacht, sich bei seinen "Geschäften" in der Immobilienbranche - im wahrsten Sinne des Wortes - nicht die Hände schmutzig zu machen, sich nicht zu verletzen, um sich voll auf sein Klavierspiel konzentrieren zu können. Und dennoch malträtiert er anfangs das Klavier wie seine "Geschäftspartner". Ständig ist da eine unterdrückte Wut im Spiel, von der man nicht sagen kann, woher sie rührt. Von dem Unvermögen mit seinem Vater umzugehen, von dem Verlust seiner Mutter?
Hauptdarsteller Romain Duris schafft es, diese aufgestaute Wut greifbar zu machen. Beim Klavierspiel, beim verbissenen Üben, beim Streit mit seinen Geschäftspartner. Die Grenzen in Thomas' Leben fangen an zu verschwimmen und Duris stellt dieses Dilemma brillant nach. Thomas steht im Konflikt mit seiner rauen, zwielichtigen Geschäftwelt und der sensiblen Welt der Pianisten. Duris schafft es, den Charakter trotz all seiner Fehler, seiner Arroganz, seinem schlechten Benehmen und seiner Gewalt sympathisch wirken zu lassen. Man fühlt mit Thomas, der sich entscheiden kann, wohin er im Leben will.

Thomas' zentraler Konflikt ist allerdings auch das Problem des Films. Man weiß nicht, worauf der Fokus der Geschichte liegt: Sehen wir nun einen Klavier spielenden Gangster oder einen kriminellen Pianisten? Regisseur Jacques Audiard kann sich nicht recht entscheiden, welche Geschichte er erzählen will. Dass wäre nicht so schlimm, würde er nicht am Ende zahllose Handlungsstränge hinterlassen, die er nicht mehr aufgegriffen hat, die nicht zu Ende erzählt wurden, die ohne Zusammenhang in der Handlung stehen: Thomas' Freund, der Eheprobleme hat, die Freundin seines Vaters etc. Es scheint, als wollte Audiard die eine oder andere Szene einfügen, um den Film noch nicht enden zu lassen. Diese Szenen stören nicht wirklich, die eigentliche Geschichte wird durch sie aber nicht weitergeführt. Und für das Verständnis von Thomas sind sie auch nicht entscheidend.

Trotz dieser Schwächen hat der Film neben seinem sehenswerten Hauptdarsteller einen großen Pluspunkt: das Ende. Hier schafft es Audiard, die Grundproblematik des Films kongenial aufzugreifen. Noch einmal wird das Ringen Thomas' mit sich selbst deutlich, wobei für den Zuschauer bis zum Schluss offen bleibt, ob und wofür sich Thomas entscheiden wird. Es sei jedem ans Herz gelegt, so lange zu warten, bis die letzte Filmminute verstrichen ist. Denn vor allem Romain Duris zieht hier noch einmal alle Register seines Könnens. Was allein die Schlussszene betrifft, zählt "Der wilde Schlag meines Herzens" zu den besten Filmen dieses Jahres.

Mit einem leichten Übergewicht von Stärken gegenüber Schwächen erweist sich der Film jedenfalls als ein durchaus passables und sehenswertes Stück Kino. Und damit hat "Der wilde Schlag meines Herzens" bereits mehr auf der Haben-Seite, als so manches Remake aus Hollywood.


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