Anything Else

Land
Jahr
2002
Laufzeit
111 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Anna Sola / 6. Januar 2011

Traurig aber wahr: Woody Allen ist alt geworden, und "Anything Else" ist alles andere als eine gelungene Allen-Komödie, sondern eher ein drittklassiger Aufguss von "Der Stadtneurotiker", einem seiner besten Filme. Weder die Geschichte noch die Aufmachung sind originell, und dann sind da noch die (männlichen) Darsteller. Es ist allgemein bekannt, dass sich halb Hollywood darum reißt, einmal in einem Woody Allen-Film mitzuspielen. Dieses zu erreichen gilt als große Ehre und als eine Art Reifeprüfung. Warum ausgerechnet Jason Biggs ("American Pie") diese Ehre zuteil kommt, ist völlig unverständlich. Sein bisheriger beruflicher Lebenslauf berechtigt ihn in keiner Weise zu einem Platz am Allen-Olymp, aber nun ist es halt geschehen und das Publikum darf es ausbaden. Der Film floppte schon in Amerika und bekam deshalb lange keinen Starttermin in Deutschland.

Biggs spielt Jerry Falk, einen aufstrebenden Gagschreiber, der von seinem Agenten (extrem nervig: Danny DeVito) ausgenutzt wird und sich seine Beziehungsprobleme beim täglichen Spaziergang mit David Dobel (Woody Allen) von der Seele redet. Falk ist eine jugendliche Version der normalerweise von Allen selbst gespielten Hauptfigur, stellt also eine art Alterego Allens dar. Von Selbstzweifeln geplagt trägt er sein Geld zum Psychologen, wie schon so viele Figuren aus Allens Filmen vor ihm. Nützen tut das aber natürlich wie immer nichts, obwohl er obendrein auch noch von Dobel therapiert wird. Dobel ist Lehrer und versucht ebenfalls, sich eine Karriere als Komiker aufzubauen. Er steckt voller guter Ratschläge, aber ihm selbst scheinen sie auch kein Glück zu bringen. Diese Konstellation ist keineswegs neu und aufregend, eigentlich müsste man Woody wegen Ideenraub am eigenen Werk verklagen. Jerry verlässt seine unkomplizierte Freundin Brooke für die eigenwillige und schwierige Amanda (Christina Ricci). Obwohl Ricci ihre Rolle im Gegensatz zu Biggs völlig beherrscht und darin aufgeht, wird man doch das Gefühl nicht los, dass sie nur eine neue Version von Diane Keatons Annie Hall aus dem "Stadtneurotiker" ist. Jerrys Liebe zu ihr wird ständig auf die Probe gestellt, zum Beispiel wenn Amanda zwei Stunden zu spät zum Einjährigen vor dem Restaurant erscheint und verkündet, sie hätte schon gegessen. Außerdem hat sie Probleme mit Sex, jedoch nur bei Jerry und nicht bei anderen. Dann zieht auch noch Amandas Mutter Paula ein, die mindestens so verrückt wie ihre Tochter ist (ein Lichtblick, mit dem der Film viel gewinnt: Stockard Channing) …. 
Wie so oft bei Allen sind es die faszinierenden Frauen, die den Männern die Show stehlen. "Anything Else" lebt von seinen exzentrischen Frauenfiguren, richtig lustig wird es im Film trotzdem nur ein paar Mal, nämlich wenn Woody Allen aufhört, bei seinen eigenen Filmen aus den 70ern zu klauen und sich stattdessen aktuellen Problemen widmet. Zum Beispiel zwingt er Jerry, sich in New Jersey (New Yorker fahren stets in NJ einkaufen, weil es dort günstiger ist) mit Überlebenshilfsutensilien wie schwimmenden Taschenlampen und einem Gewehr einzudecken. Dies ist eine wunderbare Satire der post-Y2K und 11. September-Panik, die von den Medien und der Regierung regelmäßig mit Aufforderungen wie "alle sollten genügend Tape im Haus haben, um im Falle einer Gasattacke die Fenster abdichten zu können" geschürt wird. Andererseits macht Dobel auch viele Bemerkungen über Nazis und Konzentrationslager, die häufig aus dem Nichts gegriffen sind und deshalb etwas befremden. Da wäre es doch besser, sich mehr mit der aktuellen Situation Israels auseinanderzusetzen.
Wenn Jerry mal nicht pausenlos in die Kamera redet, hat man die Chance, auch den Drehort zu bewundern. Der Film bietet reichlich Leckerbissen für New York-Fans, zum Beispiel die zahlreichen Spaziergänge in abgelegenen Ecken des Central Parks. Wie bei den meisten Allen-Filmen (besonders "Manhattan") kann man sagen, dass die Stadt eine der Hauptrollen spielt. Das tröstet einen ein bisschen über die vielen Längen des Films hinweg. So auch die Musik, denn wie immer werden Allens Bilder von Jazzklängen wie Billie Holidays "Easy to Love" begleitet, und an seinem Musikgeschmack ist nach wie vor nichts auszusetzen. 
Trotzdem wünscht man sich, dass Allen auch in anderen Bereichen frühere Höhepunkte erreicht, zum Beispiel eine Szene wie die vollkommen absurde Steptanz-Nummer aus "Everyone says I Love You", bei der Ed Norton durch einen Juwelierladen tanzte. Stattdessen gibt es ein Cameo von einem der beliebtesten Nachwuchskomiker Amerikas, Jimmy Fallon (Saturday Night Live), dem aber nicht mal die Chance gegeben wird, sein Talent zu zeigen. Er darf nur still als Freund von Amanda am Tisch sitzen. Was für eine Verschwendung. 
Trotz aller Kritik muss man aber sagen, dass ein schlechter Woody Allen-Film immer noch besser ist als vieles andere, was sonst im Kino läuft. Dennoch kann auch Allen es sich nicht leisten, sich auf alten Lorbeeren auszuruhen. Vielleicht ist es aber auch klüger zu gehen, wenn man noch von allen respektiert und bewundert wird? Einen Rat, den schon der große Orson Welles ("Citizen Kane") sich hätte zu Herzen nehmen sollen, bevor er "Transformers: The Movie" synchronisierte ….

Bilder: Copyright

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