Manfred von Richthofen, "Der rote Baron" genannt aufgrund seines im provokanten Rot lackierten Jagdflugzeugs, war der erfolgreichste Kampfpilot des Ersten Weltkriegs und holte über 80 feindliche Flugzeuge vom Himmel. Das klingt auf den ersten Blick nach einem brauchbaren Filmstoff, und der in Los Angeles lebende deutsche Regisseur und Autor Nikolai Muellerschoen investierte denn auch mehrere Jahre in die Entwicklung dieses Films, der es nun als eine der teuersten deutschen Produktionen aller Zeiten tatsächlich auf die Leinwand geschafft hat. Dass es überhaupt soweit gekommen ist, muss für Regisseur und Produzenten einer Sisyphos-Arbeit gleichgekommen sein, und verdient allein für diese Leistung ebenso Respekt wie für seine detailreiche und um viel Authentizität bemühte Umsetzung. Ein guter und überzeugender Film ist dabei allerdings trotzdem nicht herausgekommen. Und das liegt vor allem an der dramaturgischen Schwäche des Ausgangsmaterials.
Wenn man es auf die wichtigsten Fakten reduziert, war Manfred von Richthofen ein verwöhnter Aristokrat, der tun konnte, was er wollte, sich für eine Karriere als Kampfflieger entschied, in dieser Funktion einen verwerflichen und moralisch nicht zu rechtfertigenden Angriffskrieg unterstützte und schließlich den Tod fand, weil er solange weiterflog, bis er selbst abgeschossen wurde. Kurz und gut: von Richthofen war ein außergewöhnlicher Pilot, aber als Helden kann man ihn nach heutigen Maßstäben weder bezeichnen noch verkaufen.
"Der rote Baron" ist deshalb vor allem ein Film auf der Suche nach einer brauchbaren Story, und reißt so ziemlich jedes Thema an, das sich ihm bietet. Da gibt es die Geschichte über Ehre und Respekt unter den Piloten auf beiden Seiten, die ihre Luftduelle eher als sportlichen Wettkampf unter Gentlemen betrachten und mit den am Boden stattfindenden Gräueln des Krieges nichts zu tun haben, illustriert sowohl durch den Zusammenhalt von Richthofens deutscher Piloten-Clique (u.a. Til Schweiger) als auch durch seinen Umgang mit dem alliierten Flieger Captain Brown (Joseph Fiennes), mit dem von Richthofen nach diversen gegenseitigen Beinahe-Abschüssen am Boden fast freundschaftlich umgeht. Da gibt es die Geschichte vom Fliegerass als Propaganda-Werkzeug, wenn die oberste Heeresleitung die Kampfleistungen ihres besten Piloten öffentlich ausschlachtet und ihn zum Massenidol hochstilisiert und somit als Kriegswerbung benutzt. Dann ist da noch die Geschichte vom Bruderkonflikt, den Manfred mit dem jüngeren Lothar austragen muss, einem blind-patriotischen Heißsporn, der sich als Flieger aus dem Schatten seines überlebensgroßen Bruders lösen möchte. Und natürlich noch die unvermeidliche Liebesgeschichte, während der Manfred immer wieder auf die Krankenschwester Käte (Lena Headey, "300") trifft und von ihr die Augen geöffnet bekommt, an was für einem schrecklichen Krieg er eigentlich teil hat.
"Der rote Baron" erzählt all dies so ein bisschen, aber nichts davon richtig, und lässt das Publikum so letztlich überall außen vor. Im gefühlten Minutentakt springt der Film zwischen zahllosen Spielorten in der deutschen Heimat und an der Kriegsfront in Belgien und Frankreich umher, wechselt dabei ebenso unstet zwischen den verschiedenen Subplots hin und her und lässt so keiner seiner einzelnen Geschichten und leider auch keiner der Nebenfiguren eine realistische Chance, sich richtig zu entfalten. Das hat zur Konsequenz, dass so ziemlich alle Figuren außer Richthofen selbst zu beinahe namenlosen Gesichtern verkommen und auf bloße Plotfunktion reduziert werden. Paradebeispiel ist der ausgezeichnete Axel Prahl in der Rolle des General von Hoeppner: In seinen wenigen Auftritten erklärt er Frontverläufe und Angriffspläne und tut, was man als Befehlshaber halt sonst noch so tut, das war's aber auch schon.
Für die Tragik der Geschichte erweist sich diese Unterentwicklung der Nebenfiguren als besonders problematisch bei von Richthofens Fliegerfreunden, von denen weder die Namen ausreichend hängen bleiben noch irgendwelche Charaktereigenschaften, die sie zu mehr machen würden als halt irgendwelche Piloten. Wenn es dann unweigerlich zu diversen tödlichen Abschüssen auch auf deutscher Seite kommt, bleibt von Richthofen mit der Trauer um seinen jeweiligen Freund ziemlich alleine - das Publikum hat hier jedenfalls aufgrund der Distanz zu den fremd gebliebenen Figuren nichts mitzufühlen.
Die dürftige emotionale Tiefe des Films wird zudem noch weiter durch die sehr auffällige Nachsynchronisation gefördert. Denn obwohl die allermeisten Darsteller deutsch sind, wurde der Film für die internationale Vermarktung in Englisch gedreht. Bei der deutschen Synchronfassung macht nicht nur der aufgesetzte französische Akzent von Lena Headey die ohnehin vollkommen hölzerne und unglaubwürdige Liebesgeschichte noch zusätzlich zur Qual, auch bei den deutschen Kollegen klingen die Dialoge unnatürlich und flach, eben wie "drübergesprochen", und den Darstellungen der an sich guten Schauspieler wird ein Großteil ihrer Authentizität genommen.
Die großen, pathetischen Worte, die hier immer wieder geschwungen werden, verlieren auch dadurch fast komplett ihre Glaubwürdigkeit und wirken eher wie aufgesetztes, gestelztes Gerede. Was auch daran liegt, dass hier so ziemlich alle emotionalen und moralischen Konflikte beinahe nur in Wörtern, aber nicht in Taten stattfinden. Alles wird großspurig erörtert, ändern tut sich deswegen trotzdem niemand - oder wenn doch, dann wird es nicht gezeigt.
"Der rote Baron" ist ein ungünstiges Paradebeispiel für so genanntes "elliptisches Erzählen", wobei ein bedeutendes Ereignis nicht gezeigt wird, sondern lediglich seine Anbahnung und die Auswirkungen, so dass sich das Publikum selbst zusammenreimt, was dazwischen geschehen ist. Auf diese Art und Weise umgeht "Der rote Baron" nicht nur diverse wichtige Luftschlachten (womit sich natürlich viel Geld bei den Effekten sparen ließ), sondern lässt auch bedeutende Charakterentwicklungen im Off geschehen - und raubt seinem Publikum konsequent die Chance, den Figuren wirklich nahe zu kommen.
Der Hauptleidtragende dieser Unzulänglichkeiten ist fraglos Matthias Schweighöfer, der sein enormes Talent schon oft genug unter Beweis gestellt hat und mit dieser epischen Hauptrolle die Chance auf einen internationalen Karrieresprung gehabt hätte. Er muss den Film fast ganz allein tragen, weil selbst seinen Kollegen mit illustren Namen kaum eine Chance gelassen wird, sich richtig zu entfalten. Dank seiner enormen Ausstrahlung und einer sehr präzisen Darstellung des formvollendeten Aristokraten von Richthofen gelingt es Schweighöfer trotzdem, das Publikum bei der Stange zu halten und als einziges echtes Bindeglied des Films zu funktionieren, der ansonsten viel zu unzusammenhängend zwischen Locations, Ereignissen und Erzählsträngen umher springt.
Eine besondere Erwähnung haben sich auch noch die Ausstattung und die Trickaufnahmen der Luftkämpfe verdient, denn beides bewegt sich absolut auf internationalem Niveau. Visuell ist "Der rote Baron" ein wirklich starker Film mit beizeiten großartigen Bildern, die sich nicht hinter ähnlichen Hollywood-Vorbildern verstecken müssen.
Schade nur, dass es nicht gelungen ist, diese visuelle Exzellenz auch auf die Geschichte und die Figuren zu übertragen - denn schlussendlich steht die historische Realität hier einem echten dramatischen Bogen im Weg. Es gibt keinen großen Showdown, keinen richtigen emotionalen Höhepunkt, und keine echte Wandlung der Hauptfigur. Auch wenn sich der Film arg müht, etwas anderes zu suggerieren - am Ende hat von Richthofen vielleicht die Liebe gefunden und die Augen für die Gräuel des Kriegs geöffnet, doch beides hält ihn nicht davon ab, sich weiter ins Cockpit zu setzen, bis es dann halt das letzte Mal ist.
Mit zu vielen Plotebenen, die nur angerissen aber nicht vernünftig ausgeführt werden, und durch die Bank mangelnder Figurentiefe gelingt es dem "Roten Baron" leider nicht, mit mehr als seinem Oberflächenglanz und der historischen Genauigkeit zu überzeugen, und er erwirkt mit seinen vielen großspurigen Worten eher den Eindruck eines Films, der gerne großes Drama gewesen wäre, aber letztlich nicht wusste, wie er das sein soll.
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