Das leuchtende Ziel

MOH (48): 7. Oscars 1935 - "Das leuchtende Ziel"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 26. März 2024

In der letzten Folge hatten wir es in “The Barretts of Wimpole Street" mit einem herrschsüchtigen Familienoberhaupt zu tun, nun treffen wir in “Das leuchtende Ziel“ auf einen knallharten Gesangslehrer. Der hat immerhin hehre Ziele im Blick, sorgt bei seiner Schülerin aber trotzdem für pure Verzweiflung.

Das leuchtende Ziel

Originaltitel
One Night of Love
Land
Jahr
1934
Laufzeit
84 min
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
5
5/10

Karriere oder Liebe – vor dieser schwierigen Entscheidung standen die Menschen auch schon vor knapp 90 Jahren. Angesichts des Mitte der 1930er Jahre immer bedeutsamer werdenden Hays Code, der moralische Richtlinien für Filme in den USA definierte, standen die Chancen für die Selbstverwirklichung weibliche Filmfiguren in dieser Frage damals allerdings zunehmend ungünstig – schließlich sollten nach Meinung der Moralhüter des Landes Frauen möglichst nicht zu rebellisch daherkommen. Vermutlich ist so auch die ziemlich frustrierende Antwort zu erklären, die “Das leuchtende Ziel“ am Ende auf diese Frage nach einer eigentlich halbwegs ordentlichen Mentor-Schülerin-Storyline bereithält.

Der Zwiespalt in dem sich der Film am Ende befindet lässt sich bereits schon durch die unterschiedlichen Filmtitel im Englischen (“One Night of Love“) und Deutschen (“Das leuchtende Ziel“) aufzeigen. Das leuchtende Ziel, dass sich die Hauptfigur Mary Barrett (Grace Moore) hier vorgenommen hat, ist ein großer Opernstar zu werden. Dafür opfert sie all ihr Erspartes und zieht von New York nach Mailand, um dort ihre Karriere endlich in Gang zu bringen. Durch Zufall wird dort der berühmte Gesangslehrer Giulio Monteverdi (Tullio Carminati) auf deren Talent aufmerksam und nimmt Mary direkt unter seine nicht gerade sanften Fittiche – obwohl er seinen Lehrerjob nach einer unglücklichen Affäre mit seiner letzten Schülerin Lally (Mona Barrie) eigentlich an den Nagel hängen wollte. Zur Sicherheit einigt sich Giulio mit Mary im Vorfeld darum auf eine rein professionelle Arbeitsbeziehung, was wiederum deren eifersüchtigem Verehrer Bill (Lyle Talbot) sehr entgegenkommt. Und versprochen ist ja versprochen, oder etwa nicht?


Natürlich funkt hier die Liebe dazwischen, aber dazu kommen wir später. Über die meiste Zeit erwartet uns in “Das leuchtende Ziel“ nämlich kein Liebesfilm sondern stattdessen eher eine klassische Mentor-Schülerin-Beziehung. Auf der einen Seite die von Leidenschaft und Emotion getriebene Mary mit ihrem großen Traum, auf der anderen Seite der kühle Giulio der lieber auf Disziplin und die Perfektionierung von Basics setzt. Das ist vertrautes Storyterrain, wobei das Opern-Setting doch auch heute noch relativ unverbraucht und durchaus interessant daherkommt. Der Konflikt zwischen den beiden Künstlern wird allerdings die meiste Zeit relativ überraschungsfrei abgehandelt und hält eher wenige Höhepunkte bereit. Da unsere beiden Hauptdarsteller aber durchaus überzeugend auftreten ist das halbwegs verschmerzbar.

Mit Tullio Carminati steht hier sogar ein echter Italiener vor der Kamera. Eine passend zum Land getroffene Besetzung, was in dieser Zeit bei ausländischen Rollen in Hollywood ja eher selten war und stattdessen öfters in ungewollten Persiflagen endete. Carminati spielt dagegen den beinharten Mentor ziemlich überzeugend auch wenn man ihm nur bedingt den großen Frauenschwarm abnimmt, als der er zu Beginn des Filmes dargestellt wird. Grace Moore wiederum bringt tatsächlich eine Vergangenheit als Sopranistin am Broadway und ausreichend Charisma mit, um auch ihre Rolle überzeugend zu transportieren.


Da man die einzelnen Musikpassagen auch hier und da durchaus kreativ versucht in die Handlung einzubetten, zum Beispiel um damit eine hartnäckige Vermieterin vom Einkassieren der Miete abzuhalten, ist das ganze Treiben trotz Ermanglung an Höhepunkten eigentlich nett anzuschauen. Lediglich der Nebenplot rund um Marys Verehrer Bill ist schon sehr seichtes Kino. Das steht aber in keinem Verhältnis zu dem gruseligen Endspurt, den der Film am Schluss hinlegt. Eigentlich startet des Schlussdrittel vielversprechend, nämlich mit einer Schülerin, die gegen ihren Meister aufbegehrt und sich von ihrer wildesten Seite zeigt. Die Hoffnung auf eine unterhaltsame Dosis Feminismus ist aber eine gemeine Falle, denn der Film wirft jegliche guten Vorsätze über Bord und bastelt sich ein schreckliches Happy End, das in Sachen Charakterintegrität keine einzige der Hauptfiguren unbeschadet übersteht.

Warum Figuren nun auf einmal von der großen Liebe sprechen oder andere diese nun vollkommen kampflos aufgeben macht angesichts der Vorgeschichte überhaupt keinen Sinn und ist einfach nur ein schäbiger Weg zu einem unverdienten Gute-Laune-Finish. Zumindest kommen Opernfans noch in den Genuss einer minutenlangen Musiknummer aus Carmen, auch wenn ich hier nicht einschätzen kann wie überzeugend dieser tatsächlich gelungen ist (Grace Moore, die einige Jahr später bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, galt in Fachkreisen als zwar sehr gute aber nicht herausragende Opernsängerin). Was ich aber weiß, wer mit dieser Musik weniger anfangen kann wird bei dieser rein von der Bühne abgefilmten Performance vermutlich auch das eine oder andere Mal auf die Uhr blicken.


Durch das ziemlich misslungene Finish macht sich der Film leider einiges wieder kaputt, so dass man am Ende “Das leuchtende Ziel“ nicht wirklich empfehlen kann. Für Oscars in den Kategorien “Bester Ton“ und “Beste Filmmusik“ reichte es allerdings trotzdem und einen Technik-Preis konnte man ebenfalls noch einheimsen (für die Einführung der neuen Audio-Aufzeichnungstechnik Vertical Cut Disc Method). Zumindest Opernliebhaber könnten hier aber einen Blick riskieren, sollten sich aber am Besten auf das qualitative Absacken der Handlung gegen Ende einstellen.

"Das leuchtende Ziel" ist aktuell leider nicht als DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar. Alternativ ist der Film aber im Internet zu finden.

Ausschnitt: Unsere Hauptfigur gibt ihre Fähigkeiten in einem Restaurant zum Besten.


Ausblick
In unserer nächsten Folge pulverisieren wir ein paar Detektivklischees der damaligen Zeit und trinken gemeinsam mit einem illustren Pärchen ordentlich einen über den Durst.


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