Die Reise des Personalmanagers

Originaltitel
The Human Resources Manager
Land
Jahr
2010
Laufzeit
103 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Patrick Wellinski / 28. November 2011

Nachdem eine ehemalige Putzkraft bei einem Selbstmordanschlag ums Leben kam, wird der Personalmanager (Mark Ivanir) der größten Brotfabrik Israels damit beauftragt, einen drohenden Presseskandal zu verhindern. Die Fabrik wird beschuldigt, unmenschlich und fahrlässig gehandelt zu haben, da sie die eigene Angestellte lange nach dem Anschlag nicht identifiziert oder als vermisst gemeldet hat. In einer Szene von Eran Riklis neustem Film „Die Reise des Personalmanagers“ begibt sich der Personalmanager in die Wohnung der Verstorbenen. Er weiß nichts über die Frau, er weiß nicht, dass sie Rumänin war, orthodox und Mutter eines Sohnes. In ihrer Wohnung gleitet die Kamera mit seinem Blick durch das Zimmer und begutachtet ihre Habseligkeiten. Es ist der einzig ehrliche Blick eines Films, der hier etwas erahnen lässt von der Problematik der illegalen Gastarbeiter in Israel.

Die weitere Handlung spielt dann nicht mehr in Israel, sondern im Heimatland der Verstorbenen (es ist Rumänien, auch wenn der Film aus unerfindlichen Gründen es nie benennt), wo der Personalmanager deren Familie ihren Leichnam übergeben soll. Doch alles gestaltet sich schwierig, weil der Ex-Ehemann die Papiere nicht unterschreiben will, der Sohn noch minderjährig ist und die nächste Verwandte in einem 1000 Kilometer entfernten Dorf wohnt. Um die Tote in ihr Heimatdorf zu bringen und die Formalitäten zu erledigen, wird daher der Sarg auf einen alten, klapprigen Bus geschnallt, ein ortskundiger Fahrer engagiert, der pubertierende Sohn, der lästige Boulevardjournalist aus Israel und der Mann der Botschafterin eingepackt und weiter geht die Reise.

Eran Riklis ging es in seinen vorherigen Filmen immer um den einen Moment, an dem sich das Politische mit dem Alltag der gewöhnlichen Leute trifft. Er hatte bisher immer ein nahezu magisches Auge, wenn es darum ging diese Situationen als schreiend komisch und absurd zu zeichnen. Erinnert man sich nur an die Syrische Braut, die mit ihrem wunderschönen weißen Kleid zwischen zwei einsam-verstaubten Grenzposten an den Golanhöhen immer wieder hin und her geschickt wird. Oder an die würdevolle Hiam Abbas in „Lemon Tree“, die nicht mehr zu ihren Zitronenbäumen kommt, weil der neue Nachbar, der israelische Verteidigungsminister, den Hain weiträumig absperren und überwachen lässt. Das alles sind erfreulich einprägsame Szenen, die nicht nur innerhalb des Films funktionierten, sondern immer auch eine gewisse Atmosphäre aus dem Nahen Osten transportierten. Dabei gibt es auch im ersten Teil der "Reise des Personalmanagers" durchaus vielversprechende Augenblicke, welche in diese Richtung tendieren. Nun - so viel lässt sich schon mal sagen - diese Kunstfertigkeit des Regisseurs sucht man in seinem neusten Werk leider vergebens.

Woran liegt das? Es ist die Frage, die einen am stärksten beschäftigt, während auf der Leinwand der Personalmanager immer mehr seinen zynischen Charakter erkennt und sein eigenes Versagen als Vater akzeptiert, indem er dem rumänischen Jungen (Noah Silver) näher kommt. Und immer wieder ist da auch der Sarg mit der toten Mutter im Bild. Zum einen als Zeichen für das Ziel der Reise, zum anderen aber auch als Moment der Vergänglichkeit, der sicherlich damit heraufbeschworen werden soll. Alle Road Movies handeln vom Tod. Manche mehr, manche weniger explizit. Dies ist nun ein Fall für die erste Kategorie. Und das bekommt dem Film nicht wirklich gut, denn so wird der komplette Handlungsverlauf offensichtlich und vorhersehbar. Für den größten Überraschungseffekt sorgt dann nur noch der Wechsel des Transportmittels.

Korruption, Schneestürme, Straßenkinder und gefährlich hoher Alkoholkonsum: Es ist zudem sehr unschön mit welch grober Klischeekeule Riklis hier ein Rumänienbild zeichnet, das vollkommen kalt und hoffnungslos im Grau der Landschaften und Stimmungen der Menschen untergeht. Aber das ist egal, denn hier ist das Land nur Kulisse für die Geschichte, die von Selbstfindung und Trauerbewältigung erzählen soll, dies aber sehr unterkühlt und fast schon gelangweilt nach Schema F abspult.

Dies vor Augen darf man sich schon fragen, wozu hier überhaupt diese lange Reise unternommen wird. Es gibt keinen zwingenden ästhetischen Grund für die Bildachse Israel-Rumänien. Ohne weiteres hätte man diese Geschichte auch in der Kombination Israel-Moskau oder Israel-Wuppertal erzählen können. Und das scheint – um die Metapher etwas zu überanstrengen – der endgültige Sargnagel im Konzept des Films zu sein. Denn so wird „Die Reise des Personalmanagers“ beliebig. Doch das bewusste Vermeiden jedweder Beliebigkeit war bisher das größte – und wie wir jetzt feststellen müssen, vielleicht einzig interessante – Talent von Eran Riklis.

Bilder: Copyright

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