Ob man über Adolf Hitler lachen kann und darf, diese Frage hat sich eigentlich nie gestellt: Charlie Chaplin nutzte in seinem "Der große Diktator" schon 1940 die entwaffnenden Mittel des Humors, um den "Führer" der Lächerlichkeit preis zu geben. Das war nicht nur brüllend komisch, sondern seinerzeit auch psychologisch von Bedeutung: Als es noch so aussah, als könnte Hitler mit seinem Feldzug durch Europa tatsächlich Erfolg haben, war das befreiende Lachen über diese Angstfigur auch ein Weg, sich seiner Verletzbarkeit bewusst zu werden: Solange man noch über ihn lachen kann, kann man ihn auch aufhalten.
Wie weit man mit der Verballhornung einer der größten Schreckensgestalten der Geschichte gehen kann und darf, ist ebenfalls spätestens durch Walter Moers' Comic "Adolf, die Nazi-Sau" geklärt worden. Und fürs Kino schien es nach der extremen filmischen Annäherung an den wahnsinnigen Diktator in "Der Untergang" fürs Erste genug zu sein mit dem "Führer". Ein bisschen wundern konnte man sich da schon, dass Dani Levy - für seinen letzten Film "Alles auf Zucker" mit Publikumserfolg und deutschen Filmpreisen überschüttet (zurecht) - sich für sein nächstes Projekt ausgerechnet Hitler vorknöpfte. Diese Verwunderung wich dann allerdings einer noch größeren Neugier durch die Besetzung von niemand anderem als Helge Schneider in der Rolle des faschistischen Schnauzbarts. Das roch nach einer köstlich versponnenen, respektlos-satirischen Abrechnung in bester Moersscher Tradition - großartig.
Was es wurde, ist (leider) etwas anderes. Levy versucht sich an der tragikomischen Tradition des "Großen Diktators" und Ernst Lubitschs nicht minder genialem Klassiker "Sein oder Nichtsein" (1942), und erzählt eine Geschichte, deren komödiantische und tragische Elemente für sich nur bedingt überzeugen und zusammen kein harmonisches Ganzes ergeben.
"Mein Führer" ist die aus der Ich-Perspektive erzählte, fiktive Geschichte von Adolf Grünbaum ("Lola"-Preisträger Ulrich Mühe, "Das Leben der Anderen"), dem früheren Schauspiellehrer Hitlers, der an Weihnachten 1944 aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen zurück nach Berlin gebracht wird, um dem von Selbstzweifeln geplagten Führer die nötige Überzeugungskraft für seine anstehende Neujahrsansprache zurückzugeben. Nach dem Willen von Propagandachef Goebbels (Sylvester Groth) und Reichsinnenminister Heinrich Himmler (Ulrich Noethen, der dieselbe Rolle schon in "Der Untergang" spielte) soll der Jude Grünbaum nun dem Diktator helfen, den "Volkssturm" anzuschieben und das bevorstehende Ende der Nazi-Herrschaft und des Holocausts abzuwenden.
Die Grundsituation ist mutig und absurd - vielversprechend, möchte man meinen. Doch die Probleme werden offensichtlich, wenn man sich vor Augen führt, dass hiermit ja keine Sketch-Parade inszeniert, sondern ein Film erzählt werden soll. Und kann (oder möchte) man die Beziehung zwischen Hitler und Grünbaum tatsächlich so tief ausleuchten, dass sich daraus eine tragende Dramaturgie entwickeln ließe? Dani Levy jedenfalls hat es nicht getan, und orientiert seine Struktur an dem Plot um Grünbaum und seine Familie (Ehefrau Elsa und vier Kinder), die er als Gegenleistung für seine Dienste ebenfalls aus dem KZ holen lässt. Während er tagsüber in der Reichskanzlei mit Hitler Schauspielübungen macht, debattiert er nachts im Keller mit seiner Frau darüber, wie er die Situation nutzen sollte.
Die entscheidende Szene kommt nach einer guten halben Stunde, nachdem Grünbaum sich entschlossen hat, Hitler umzubringen. Er bittet ihn bei einer Übung, die Augen zu schließen und an eine schöne Erinnerung zu denken, setzt bereits zum tödlichen Schlag auf den Kopf an - und verharrt, als Hitler auf einmal beginnt, eine rührende Vater-Sohn-Anekdote aus seiner Kindheit zu erzählen. Der humanistische Schauspieler erkennt auf einmal den Menschen im Monster - und weigert sich von nun an, Hitler zu töten.
Spätestens an diesem Punkt hört "Mein Führer" auf, wirklich witzig zu sein. Das liegt zum einen an den ethischen Debatten, die Grünbaum und seine Familie führen, und seinen zusehends tragischen Bemühungen, seine kleine Macht gegenüber Hitler und Goebbels auf andere Art zu nutzen - beides ist überhaupt nicht zum lachen, und soll es natürlich auch nicht sein. Zum anderen - und das ist das entscheidende Manko - versucht Levy im Folgenden, die grotesk-absurden Szenen mit dem "Führer" gleichzeitig zur Verballhornung und zur (durchaus ernst gemeinten) Psychologisierung zu nutzen. Und das funktioniert leider nicht.
Sinnbildlich für diese Widersprüchlichkeit ist die Vorstellung von Helge Schneider: Einerseits ließ man den Komiker in täglichen, dreistündigen Sitzungen fast vollkommen hinter einer dicken Maske verschwinden, andererseits bricht in seinem ambitionierten Spiel aber auch immer wieder der wahre Helge Schneider durch, kämpfen die Bemühungen um einen authentischen Akzent mit Schneiders eigenwilligem, typischem Sprachstil - und verlieren. In diesen Momenten ist der Film dann tatsächlich so Schneider-artig witzig, wie man es erwartet (und vielleicht auch erhofft) hat.
Gelungener Humor findet sich auch anderswo: Sylvester Groths hervorragende Vorstellung als Goebbels ist mit seinem kölschen Akzent und den absurden Propaganda-Phrasen (wie man sie so ähnlich zuletzt vom irakischen "Informationsminister" vor dem Sturz Saddam Husseins gehört hat) genauso bitter-komisch wie die grotesken Pläne, das zerbombte Berlin mit Filmkulissen für die Neujahrsveranstaltung wieder auferstehen zu lassen. Und die Seitenhiebe auf die preußische Pedanterie der nationalsozialistischen Vernichtungs-Organisation sind ebenfalls für mehrfaches Schmunzeln gut. Doch sie bilden das Beiwerk einer moralisch-tragischen Haupthandlung, die im Laufe des Films derart an Gewicht gewinnt, dass man sich fast schon schämt, im Anschluss an manche dramatische Szene über jetzt irgendwie unpassend wirkende Gags zu lachen.
Irgendwie unpassend erscheint letztlich auch der Umgang mit der Figur Hitler, denn in gewisser Weise gehen Levys Absichten hier nach hinten los. Spätestens mit dem (schwachen) Schluss und der abschließenden Moral von der Geschicht' wird deutlich, dass Levy hier auf seine Art mit Hitler abrechnen wollte, das Schreckgespenst zurückstutzen auf ein erbärmliches, lächerliches Männchen. Das ist im Prinzip dasselbe, was auch Chaplin 1940 gemacht hat - mit dem Unterschied, dass es zu Chaplins Zeiten wie oben erwähnt psychologisch wichtig war, aber 60 Jahre nach Kriegsende längst abgegriffen ist.
Mehr noch: Levy macht Hitler zwar als durchgeknallten, impotenten Bettnässer lächerlich, doch wie er dann das gesamte machtbesessene, hasserfüllte Wesen des Diktators mit einer Handvoll Kinderzimmer-Psychologie über schlechte Erziehung zu erklären versucht, das wirkt in seiner "Der Mensch im Monster"-Analyse weitaus verharmlosender als das Hundegetätschel in "Der Untergang", bei dem die Kulturjournaille noch in Massen die Barrikaden stürmte und von unakzeptabler Vermenschlichung krakeelte.
Man darf gespannt sein, ob sie Levys neuen Film angesichts seiner letzten Großtat (der Revitalisierung der deutsch-jüdischen Komödie in "Alles auf Zucker") freundlicher aufnehmen werden. Wahrscheinlich schon. Das ändert aber nichts daran, dass "Mein Führer" für eine Komödie zu tragisch, für ein Drama zu absurd und für die angestrebte Mischform zu unausgewogen ist. Wer sich unbedingt an der Feuilleton-Debatte beteiligen will, bitte schön. Wer einen wirklich gelungenen Film sehen will, schaut sich besser noch mal "Der große Diktator" an.
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