Stage Beauty

Originaltitel
Stage Beauty
Land
Jahr
2004
Laufzeit
110 min
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Simon Staake / 19. März 2011

 

"Shakespeare in Love" minus Shakespeare persönlich, aber mit jeder Menge moderner Identitätsproblematik. So könnte man "Stage Beauty" auf den Punkt bringen, so wie der Film selbst (freilich mit einigen künstlerischen Freiheiten) die britische Theaterszene Mitte des 17. Jahrhunderts auf die Leinwand bringt. Die Bühne ist für Edward "Ned" Kynaston (Billy Crudup) Schauplatz seiner größten Erfolge - allerdings in Frauenkleidern. Denn durch königlichen Erlass ist es nur Männern erlaubt, Theater zu spielen. Kynaston ist der beste Mann für die Rolle der Frau und seine Darstellung der Desdemona aus Shakespeares "Othello" berührt und bezaubert sein Publikum. Bewundert wird er ebenfalls von seiner Garderobiere Maria (Claire Danes), die neben romantischen Gefühlen aber auch aus professionellem Interesse jede seine femininen Bühnengesten verfolgt. Denn Maria möchte heimlich selbst Schauspielerin sein und ‚leiht' sich abends Kynastons Bühnenkleider, um in einer schäbigen Kneipe selbst die Desdemona zu geben. Als der König Charles II. (Rupert Everett) von der sensationellen Neuigkeit hört, eine Frau auf der Bühne würde auch von einer Frau gespielt, ist der von klassischem Theater gelangweilte Herrscher hoch interessiert, auch aufgrund der kleinen proto-feministischen Denkanstöße seiner Mätresse Nell (Zoë Tapper). Ned wiederum will von Frauen als Darstellern nichts wissen - und muss doch bald um seinen Job bangen. Denn plötzlich sind Frauen auf der Bühne erlaubt, und Kynaston in einer schweren Krise - beruflich und persönlich. Er, der auch in Liebesangelegenheiten nur seine weibliche Seite kennt, muss plötzlich hier wie dort seinen Mann stehen - und die ihm eigentlich treu ergebene Maria wird auf der Bühne zur Rivalin….

Die Fragen, die "Stage Beauty" im Rahmen seiner Geschichte anstößt, sind dabei allerdings eher dem 20. denn dem 17. Jahrhundert zuzuordnen. Aufgelöste Geschlechteridentität, auch und gerade in sexueller Hinsicht, sind eindeutig ein Thema der letzten Jahre, man verweise da nur auf das Mode-Unwort "metrosexuell". Und durch diesen Kontrast ist "Stage Beauty" zwar unterhaltsam, gleichzeitig aber auch ein wenig unglaubwürdig.
Denn während das Thema an sich nicht uninteressant und Neds Dilemma auch recht gut dargestellt ist, so wirken Plotdynamik und Psychologie der Figuren gerade durch ihre modernen Aspekte wie Fremdkörper in diesem historischen Kostümdrama. So ist es etwa historische Tatsache, dass gerade in den höheren Klassen Bisexualität weit verbreitet war, jedoch nicht thematisiert wurde. Sprich: Eine feste Geschlechteridentität war auch damals zumindest im gezeigten Milieu nicht ein Muss - warum Ned dann aber solche Probleme mit seiner Maskulinisierung hat, ist nicht hundertprozentig ersichtlich. Auch dass er und Maria im Schlussteil des Films mal eben das method acting erfinden - auch knapp dreihundert Jahre zu früh - trägt nicht gerade zur Authentizität bei.
Aber die ist ja nur eine Nebensache, solange man gut unterhalten wird, was für den Großteil des Films der Fall ist. Und der gerade angesprochene Kritikpunkt sorgt immerhin für ein erstaunlich mitreißendes Finale. Kurzum: Nix für Hobby-Historiker, das Ganze, aber intelligente, stilvolle Unterhaltung.

Was "Stage Beauty" trotz dem etwas holprigen Mix aus Alt und Neu ebenfalls zu einem sehenswerten Film macht, ist die Leistung von Billy Crudup. Seit er sich vor vier Jahren mit Superleistungen in den genialen "Almost Famous" und "Jesus' Son" ins Rampenlicht spielte, hat man leider nicht viel von ihm gesehen, und dort wo man ihn sah, durften Skript-bedingt andere glänzen ("Big Fish"). Das kann aber nicht verhehlen, dass Crudup ein wirklich exzellenter, dabei sträflich unterbewerteter Darsteller ist, der auch mal einen Film alleine tragen kann. Und das tut er hier - und muss es auch.
Denn während das Ensemble der Nebendarsteller überzeugt (besonders Rupert Everett als süffisanter König), bleibt Hauptdarstellerin Claire Danes leider ziemlich blass. So kann ihre Maria als Figur einfach nicht überzeugen, was allerdings auch ein wenig dem Drehbuch zugerechnet werden muss. Denn ausgerechnet die Liebesgeschichte zwischen Ned und Maria wirkt irgendwie aufgesetzt, wie ein Zugeständnis an Hollywood. Die Chemie zwischen den beiden ist leider nicht sehr ausgeprägt, und die Romanze wird überhastet und wenig überzeugend vollzogen.
Also nix mit Kurzumschreibung als "Shakespeare in Love 2", denn so überzeugend wie dort gehen Liebesgeschichte und historisches Drama hier leider nicht Hand in Hand. Und so bleibt man dann bei Crudups Glanzleistung, der die Zwiespältigkeit seiner Figur grandios darstellt - und weiter an seiner Schattenkarriere als großer Darsteller schraubt.

Nicht vergessen werden sollen bei einem Kostümdrama wie diesem natürlich auch die hervorragenden Sets und Kostüme, die mehr als einen Hauch von 1660 versprühen. Und daher mag der Film zwar bisweilen so zwiegespalten wie sein Hauptdarsteller sein, er ist aber auch ein unterhaltsamer, intelligenter Blick auf eine wenig bekannte, aber markante Zeit der Theatergeschichte. Demnach ist "Stage Beauty" vielleicht keine vollendete Schönheit, aber doch so anregend, dass man ihr gerne zwei Stunden auf der Leinwand schenkt.

Bilder: Copyright

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.