Silver Linings

Originaltitel
Silver Linings Playbook
Land
Jahr
2012
Laufzeit
122 min
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Frank-Michael Helmke / 23. Dezember 2012

Vom Plakat lächeln Bradley Cooper ("Hangover", "Das A-Team") und Jennifer Lawrence ("Winter's Bone", "Die Tribute von Panem"), zwei der attraktivsten und derzeit angesagtesten Schauspieler in Hollywood, und so im schnellen Vorbeigehen würde man bei so einem Poster und diesen beiden Namen eine stromlinienförmige, gut gecastete und vermutlich ziemlich konventionelle romantische Komödie erwarten, ein guter Film fürs erste Date um zwei hübsche, normale Menschen mit sanftem, leicht verdaulichem Humor. 

Silver LiningsOder auch nicht. Alle Zuschauer, die sich auf Basis dieses sehr oberflächlichen ersten Eindrucks in "Silver Linings" verirren, werden vermutlich einigermaßen verwirrt bis verstört wieder heraus kommen, und hätten beim Filmplakat lieber mal auf die Kleinigkeiten achten sollen. Dass Bradley Cooper zum Beispiel eine kleine Schramme auf der Nase hat und ein bißchen zu verstrahlt lächelt. Oder dass in Jennifer Lawrences Augen etwas funkelt, was überhaupt nicht harmlos ist, sondern eine gewisse Lust am Kontrollverlust erahnen lässt. Das jedenfalls fängt den schrägen Geist von David O. Russells ("Three Kings", "I Heart Huckabees", "The Fighter") neuem Film weitaus besser ein. Ein ziemlich durchgedrehter Film über ziemlich durchgedrehte Menschen. Aber nichtsdestotrotz mit dem Herz sowas von am rechten Fleck.


Cooper spielt Pat Solatano, der zu Beginn des Films aus einer psychiatrischen Anstalt in die Obhut seiner Eltern (Jacki Weaver und Robert de Niro, den man seit langer Zeit nicht mehr so gut gesehen hat) entlassen wird. Der Anstaltsaufenthalt hat Pat vor dem Gefängnis bewahrt, nachdem er einen - nennen wir es mal: "kleinen" Ausraster hatte, als er seine Ehefrau Nikki unter der Dusche mit einem Kollegen erwischte. Zurück in Freiheit versucht Pat, seine manisch-depressiven Ausschläge in den Griff zu bekommen, Silver Liningssich an seiner neuen, positiven Lebensphilosophie festzuhalten (deren Fokus auf die "Silberstreifen" im Leben diesem Film seinen Titel gibt) und sich voll und ganz darauf zu konzentieren, Nikki davon zu überzeugen, dass sie ihrer Ehe eine zweite Chance geben und gemeinsam wieder glücklich werden können. Seine Eltern sind dabei keine große Hilfe: Die Mutter ist eine überängstliche Glucke, und für den selbst eindeutig manisch veranlagten Vater dreht sich sowieso immer nur alles ums nächste Spiel seiner geliebten Philadelphia Eagles und seine halbseidene Buchmacher-Tätigkeit, mit der sich der Pensionär sein Leben finanziert (oder es zumindest versucht). Wer Pat jedoch helfen könnte, ist seine neue Bekannte Tiffany (Jennifer Lawrence). Die ist die Schwester von Nikkis bester Freundin und könnte damit als Kontaktperson fungieren. Allerdings hat Tiffany aufgrund eines eigenen Traumas ihre ganz eigenen psychischen Probleme. Und fordert von Pat als Gegenleistung für ihre Hilfe einen reichlich absurden Gefallen....


Es laufen so einige durchgeknallte Menschen in diesem Film rum. So durchgeknallt, dass es schon etwas heißen möchte, dass ausgerechnet Chris Tucker (in seiner ersten Nicht-"Rush Hour"-Filmrolle seit 15 Jahren) als Psychiatrie-Kumpel von Pat so ziemlich der größte Ruhepol in diesem Film ist. Und so durchgeknallt, dass eben dies das größte Vergnügen an "Silver Linings" ist, der die Unberechenbarkeit seiner Hauptfiguren zu seiner eigenen größten Stärke macht. Silver LiningsPats extrem schlechte Impulskontrolle, die Obsession mit seiner (bis zum grandiosen Finale des Films quasi nie zu sehenden) Ex-Frau, die latente Paranoia von Pat und Tiffany und ihrer beider Hang, ungebremst sofort zu sagen, was ihnen gerade durch den Kopf schießt, sorgen dafür, dass man sich hier nie sicher sein kann, was als nächstes passiert. Die Dialoge zwischen den beiden nehmen ständig unerwartete Wendungen, was die Szenerie immer ziemlich merkwürdig, aber auch sehr unterhaltsam macht. 

Die rastlose Unruhe in Pat und Tiffany spiegelt David O. Russell sehr wirkungsvoll in seiner Inszenierung - wer Russells extrem selbstreflexiven "I Heart Huckabees" gesehen hat (und sich vielleicht noch erinnert, welchen Skandal Russell damals mit einem Set-Ausraster dank seiner eigenen, schlechten Impulskontrolle verursachte), kann sich sicher gut vorstellen, dass dem Regisseur solch ein Geisteszustand selbst nur allzu gut vertraut ist. Russells Dialog ist ohnehin schon sehr schnell, mit seinem oftmals geradezu hektisch erscheinenden Schnitt setzt er aber noch einen oben drauf und erzeugt ein geradezu greifbares Gefühl von Ruhelosigkeit, das zunächst fast etwas anstrengend ist - bis man begeistert begreift, wie effektiv Russell seine Zuschauer damit Pats Erlebniswelt nachempfinden lässt. 

Silver LiningsSo kaputt, durchgeknallt und oftmals völlig absurd es hier zugeht (permanente kleine Höhepunkte sind die ständigen, komplett ernsthaften Diskussionen um den alles beherrschenden Aberglaube zum Spielglück der Philadelphia Eagles), ist "Silver Linings" bei all seiner menschlichen Authentizität nicht nur wahnwitzig komisch, sondern in seinem tiefen Kern auch sehr, sehr romantisch. Und eben nicht mit jener wertlosen, weil realitätsfremd verkitschten Zuckerguss-Romantik rundum schöne Menschen in schöner Gegend mit schönen Problemen. Sondern mit jener schmerzgeprüften, lebensbejahenden Romantik, die aus dem größten Scheiß heraus einen letzten Funken Hoffnung und echte Herzwärme entdeckt, wenn man schon nicht mehr daran geglaubt hat. 

Und für wen das alles noch nicht Argument genug ist, der kann sich diesen Film auch einfach für Jennifer Lawrence angucken. Denn wie Lawrence hier als Tiffany zwischen Schmerz und Euphorie, zwischen Trauma und Obsession, zwischen Zynismus und Verletzlichkeit pendelt, ist eine derart kraftvolle, faszinierende, schillernde und aufregend vibrierende Vorstellung, dass es absolut kein Wunder wäre, wenn die 22-jährige dafür im Frühjahr ihren ersten Oscar gewinnt. "Silver Linings" gilt jedenfalls völlig zurecht als starker Mitfavorit für die diversen Filmpreise dieser Awards-Saison und setzt 2013 die von allen Cineastenherzen in Deutschland lieb gewonnene Tradition fort, dass es direkt zum Jahresbeginn sofort einen der besten Filme des Jahres zu sehen gibt.

Bilder: Copyright

9
9/10

Treffende Rezension, ein wirklich herzergreifender Film, so ziemlich das Beste, was man in diesem Genre seit Jahren sehen kann. I-Tüpfelchen ist die brillante Leistung von Robert De Niro, der hoffentlich hier seine Zeit großartiger Altersrollen einläutet. Wer außerdem dachte, dass Bradley Cooper nur Hangover oder Actionheld kann, der wird hier eines Besseren belehrt - unerwartet große Leistung auch von ihm. Hut ab!

Permalink

10
10/10

Ich kann mich der Rezension ebenfalls nur anschließen. Erfrischende Dialoge und ungekünstelte Charaktere beleben ein Skript voll trockenen Humors.

Die ersten drei Viertel des Films sprühen förmlich Funken. Die Chemie zwischen den Darstellern - und damit sind nicht nur Jennifer Lawrence und Bradley Cooper gemeint, welche die Protagonisten der Handlung verkörpern - funktioniert großartig. Es macht einfach Spaß, den Figuren zu zu sehen, wie sie sich gegenseitig durch ihre Eigenarten in den Wahnsinn treiben.

Hierbei wird herrlich offen gelegt, in wie vielen verschiedenen Visagen uns die Abnormalität tatsächlichlich im Alltag begegnen kann, und was tatsächlich wir uns eigentlich darunter vorstellen dürfen.

Wer sind in dieser Geschichte wirklich die Verrückten: sind es Patrick - der geschiedene, Gewalttätige, frisch gebackene Patient mit der bipolaren Störung - und Tiffany, die rotzige Witwe, die chronisch alles vögelt, was bei drei nicht auf dem Baum ist? Die ihren Gefühlen Ausdruck verleihen und sich ihre wahren Wünsche nicht von gesellschaftlichen Normen diktieren lassen? Oder sind es Patricks Nachbar - der vordergründig perfekte Vorstadtehemann, der heimlich in seiner Freizeit mit Metallica-Untermalung seine Garage zerlegen muss, um seinen Alltag zu bewältigen - und sein Vater Patricio - ein neurotischer Football-Fan, der die absurdesten Begebenheiten mit Sieg oder Niederlage seiner Lieblingsmannschaft verbindet? Die ihre Ängste und Sehnsüchte anhand skurriler Gewohnheiten ausleben müssen, sich den Anschein der Normalität geben müssen, weil sie sich im Grunde vor sich selbst fürchten?

Obgleich David O. Russell und seine Filmcrew sich keinesfalls anmaßen, eine solche Grundsatzfrage anhand des Schicksals von Tiffany und Patrick querbeet für alle Individuen beantworten zu wollen, erlauben sie sich, hin und wieder einen leichten Wink in die entsprechende Richtung zwischen die Szenen einzustreuen, was den Zuschauer zumindest zum Nachdenken anregt.

Einen kleinen Dämpfer bekommt der (Silber)streifen zumindest aus Perspektive des Cineasten etwa zum letzten Viertel des Films hin.

Tiffanys "Tanz"-Ding erweist sich nicht nur für ihren unfreiwilligen Partner als echte Herausforderung. Hier findet ein Bruch inmitten der Handlung statt. Die Idee eines gemeinsamen Tanzwettbewerbes ist ansprechend, wurde aber leider ein wenig holprig inszeniert.

Obwohl die Veranstaltung allen voran für Tiffany große Bedeutung annimmt, kommen besagte Tanz-Szenen nur selten vor die Kamera und wirken auch zum Finale hin ein wenig lieblos.
Das liegt keinesfalls an der Perfomance der Darsteller, die - ebenso wie ihre verbale Kommunikation - vor Lebensfreude strahlt.

Viel hätte die Regie sich vielleicht frühzeitig darum kümmern sollen, dem Thema Tanz und Bewegung ein wenig mehr Raum zu geben.

Letzten Endes handelt es sich bei diesen etwas langatmig geratenen Zwischensequenzen jedoch nur um einen kleinen Schönheitsfehler, der dem Gesamtwerk inhaltlich keinesfalls schadet oder ihm gar etwas von seinem Charme nehmen kann. Denn wenn dieses kleine Feuerwerk an Dialogwitz und Originalität etwas besitzt, dann eine ungehemmte Lebensfreude!

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5
5/10

Ich weiß, dass ich mit meiner Meinung ziemlich alleine da stehe, aber ich kann die vielen positiven Kritiken nicht nachvollziehen. Auch die Oscar-Nominierung ist für mich ein Rätsel. Ich habe ihn mit meiner Freundin im Kino gesehen (die übrigens meine Meinung teilt) und mehr als ein "nettes Filmchen" kam nicht heraus. Kann man sich auch zu Hause auf der Couch auf DVD ansehen.

Wenn ich es böse formuieren würde: wie eine nette Liebeskomödie mit Hugh Grant plus einige Ausbrüche der Darsteller (die wohl irgendwie auf die emotionale Instabilität hinweisen sollen). Versteht mich nicht falsch, ich hätte ihn so gerne gemocht, die beiden Hauptdarsteller sind zweifellos die attraktivsten Menschen, die Hollywood z. Zt. zu bieten hat und auch der gealtertete De Niro und seine hilflose Frau sind sehenswert - aber irgendwie fehlte etwas bzw. schien alles doch sehr konstruiert --- SPOILER --- Zum Beispiel, dass der Tanzwettbewerb mit der Wette des Vaters kombiniert wird, damit der Familienruin abgwandt und die Vater-Sohn-Bezeihung wieder gekittet wird. --- SPOILER OUT --- Was für ein Käse. Also, wer einen Vater-Sohn-Film sehen möchte, der selbst Testosteronmonstern aus der Mukkibude die Tränen in die Augen triebt (mehrmals) sollte z.B. lieber "The Music Never Stopped" schauen. Und gute Liebesfilme, in denen die Charaktere tatsächliche Tiefe und Charme besitzen, gibt es auch (Green Card, Frankie & Johnny, Im Juli, Ein Mann - Drei Leben). Es gab bei "Silver Linings" weder Gänsehautmomente noch irgendwie große Erkenntnisse, die nicht aus einer Erstsemestervorlesung eines Sozialpsychologiestudiums geklaut wurden. Ich vertsehe auch nicht, wieso es spaßig ist (s. o.), wenn sich alle im Film anschreien. Und auch nicht, warum man Coopers innere Veränderung nicht auch äußerlich dargestellt hat (z.B. nachdem er mit der Kurzhaarfrisur aus der Klinik entlassen wurde, hätte man ihn am Ende mit längerem Haar zeigen können, was auch seiner normalen Frisur entspricht).

Egal, hab eh schon zuviel Zeit damit verbracht. Wie gesagt, ich kann den Hype nicht nachvollziehen und warne vor zu großen Erwartungen.

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