„Was trägt Glatze und kennt nur ein Wort ... Oi?“ – „N’ Skinhead.“
„Und was trägt Stacheln und kennt nur vier Worte ... Hasse mal ne Mark?“ – „N’ Punk.“
Soweit eine Szene zwischen Janosch (Sascha Backhaus) und Zottel (Jens Veith). Janosch ist ein Skinhead und Zottel ein Punk. Und mit diesen beiden Ausdrucks- und Lebensformen einer Jugendkultur beschäftigt sich „Oi! Warning“, der Debütfilm der Brüder Dominik und Benjamin Reding. Gegen die Forderungen der Filmförderung setzten die beiden ihr unbequemes und sperriges – leider aber auch letztendlich nicht ganz zufriedenstellendes – Traumprojekt für schlappe 856.000 DM um.
Janosch hat die Schnauze voll: von der Schule, seiner Mutter, dem spießigen Leben am Bodensee. Also haut er ab, zu seinem alten Freund Koma (Simon Goerts) nach Dortmund. Koma ist Skinhead, unpolitisch aber mit Spaß an Pogo, Bier und Oi!-Konzerten und wenn es sein muss auch daran, jemanden zusammenzutreten. Mit seiner Freundin Sandra (Sandra Borgmann) erwartet Koma Nachwuchs und freut sich über einen Männerfreund. Koma führt Janosch in die Welt der Skinheads ein, eine Welt voll archaischer Rituale. Begeistert von seinem charismatischen Freund und der neugewonnenen Kameradschaft rasiert sich auch der sensible Janosch die Haare ab, trägt enge Jeans und Springerstiefel und gibt auch gegenüber seiner neuen Freundin Blanca (Bianca Dierks) ganz den harten Skin. Die Dinge verkomplizieren sich, als Janosch Zottel kennen lernt, einen Punk, der in einem Bauwagen wohnt und sich mit Feuerspucken über Wasser hält. Als Komas geheime Zuflucht in einem verlassenen Steinbruch abbrennt, will dieser Rache. Einer der „Zecken“, der Punks, muss es gewesen sein. Als er dann noch Janosch und Zottel beim zärtlichen Liebesspiel überrascht, dreht Koma durch. Unvermeidlich dreht sich die Spirale der Gewalt...
Ein ehrlicher Film über Jugendliche sollte es werden, sagen die beiden Jungregisseure, die rein optisch durchaus ihrem eigenen Film entsprungen sein könnten, über ihren Erstling. „Die Leinwand lügt immer“ behaupten die beiden zwar, aber es sollte so aufrecht wie möglich sein, denn ehrliche, interessante und vor allem interessierte Filme über unsere Jugend – da sind sich die Twens einig – gibt es viel zu wenige. Dabei wollten sie nicht didaktisch oder mit erhobenem Zeigefinger zu Werke gehen. Und genau dort liegt das Problem von „Oi! Warning“, der mit etwas mehr Didaktik ein besserer Film hätte werden können. Mit der Taktik „Zeigen statt erklären oder interpretieren“ disqualifiziert sich dieser Film selbst ein wenig, denn dadurch bleibt vieles flach und kaum nachvollziehbar.
Wie etwa auch der Charakter des Koma, der erstaunlich konturenlos bleibt. Das angebliche Charisma ist denn mehr Behauptung als erkennbare Darstellung. Was nicht an dem durchaus beeindruckenden Simon Goerts liegt, sondern am Drehbuch: Wir sehen, was Koma tut, aber es wird nicht thematisiert. Dabei wäre genau das die richtige Fragestellung gewesen, wenn es darum geht, eine Jugendkultur vorzustellen: Warum ist dieser Koma so wie er ist, wie „tickt“ so ein Skinhead? Reines Aufzeigen vermeidet zwar Schwarz-Weiß-Denken, aber es verhindert auch die wirkliche Auseinandersetzung. Zudem drückt sich „Oi! Warning“ im Rahmen der Herangehensweise auch um eine Betrachtung der politischen Komponente: Koma ist weder rechts, noch links, für ihn gibt es nur „die Anderen“ die er „kaputtmachen“ will, bevor sie ihn „kaputtmachen.“ Leider ist es beim Thema Skinheaddasein nicht damit getan, die in der öffentlichen Diskussion aufgeworfene Frage nach der Nähe zur Rechtsradikalität völlig zu ignorieren. Selbst wenn man das Credo „ehrlich und nicht verurteilend“ ausgibt.
Formal kann der Film schon eher überzeugen: Die Darsteller wurden zum Teil aus Laien rekrutiert, um eine möglichst große Authentizität zu gewährleisten und liefern – sofern das Drehbuch dies zulässt – beachtenswerte Leistungen ab. Besonders erwähnenswert dabei Sandra Borgmann (Minirolle in „Im Juli“), deren Skinfreundin und Jungmutter die am besten gezeichnete und gespielte Rolle des ganzen Filmes ist. Ebenfalls recht beeindruckend ist die ausdrucksstarke Schwarz-Weiß-Fotographie des Films. Wenn gleich sich hier der Eindruck aufdrängen könnte, inhaltliche Schwächen sollen durch einen möglichst „künstlerischen“ Eindruck der Bilder aufgewertet werden.
Letztendlich unterliegt „Oi! Warning“ dem gleichen Problem wie der zwei Jahre alte „American History X“ von und mit Edward Norton, der sich ebenfalls mit dem Skinheadmilieu beschäftigte, allerdings mit deutlichem Augenmerk auf dem Thema Fremdenhass. Beide Filme sind eindeutig gut gemeint, bekommen dabei aber ihre Thematik nie so richtig in den Griff und machen es sich letztlich etwas zu einfach. Leider hat „Oi! Warning“ auch keinen Edward Norton, der in „American History X“ vieles mit seiner hervorragenden schauspielerischen tour de force rausriss. Allerdings ist dieser Vergleich natürlich nicht hundertprozentig fair, schließlich haben wir es hier mit einem Low Budget-Film ohne großen Hollywoodaufwand zu tun. Erfreulich genug, dass man dem thematisch interessanten weil brisanten und aktuellen Film einen Kinostart ermöglicht. Schließlich darf man bei aller Kritik an „Oi! Warning“ nicht vergessen, das es sich um ein Regiedebüt handelt, das zwar im Gesamteindruck nicht wirklich überzeugen kann, aber für die Zukunft durchaus Interessantes der Gebrüder Reding erwarten lässt.
Land
Jahr
2000
Laufzeit
90 min
Genre
Release Date
Bewertung
Neuen Kommentar hinzufügen