Vorsicht,
hier kommt die Neue. Der Direktor der Londoner St George's
Schule
stellt dem Lehrerkollegium eine neue Kollegin vor. Und sie
ist schön.
Wunderschön. Dieses unsagbar blendende blonde Haar, das
makellose
elfenhafte Gesicht verzaubert jeden auf der Stelle. Es ist
nicht
weiter wichtig, dass Sheba Hart (Cate Blanchett) als
Kunstlehrerin
ein gewisses Klischee erfüllt. Doch an dieser Schule wird
sie
es schwer haben. Es mangelt ihr, so scheint es, an
Durchsetzungsvermögen
gegenüber der pubertierenden Jugend.
Das wundert Barbara Covett gar nicht. Die fast drei
Jahrzehnte ältere
Lehrerin ist eine zynische Beobachterin ihrer Umwelt. Doch
so abwertend
sie zunächst über die neue Kollegin spricht, kann auch
sie sich ihrer aufreibenden Aura nicht entziehen. Judi
Dench spielt
die vereinsamte alte Jungfer Barbara. Ein wahrer Drache,
würde
man hier zu Lande vielleicht sagen. Barbara wird zufällig
beobachten,
wie Sheba eine Affäre mit einem Schüler anfängt.
Eine Entdeckung, die sie nicht gleich den Behörden meldet,
dazu ist Barbara viel zu begeistert von Sheba. Ein
Geheimnis soll
es sein zwischen den beiden Freundinnen. Naiv und die
Angst im Nacken
spürend, willigt Sheba ein, ohne zu ahnen, dass sie damit
alles
andere als in Sicherheit ist.
Richard
Eyre verfilmt mit "Tagebuch eines Skandals" ein Drehbuch
von Patrick Marber ("Hautnah"),
welches auf der Romanvorlage der britischen
Schriftstellerin Zoë
Heller basiert. Mit "Iris" - in dem Judi Dench ebenfalls
mitspielte - bewies der Regisseur schon einmal, dass er es
versteht,
komplexe Frauenfiguren überzeugend in Szene zu setzen. Die
starken Rollenprofile, welche Marbers Drehbücher an den
Tag
legen, machen ihrerseits den Weg frei für große Leistungen
der Darsteller. Leistungen, die Dench und Blanchett mehr
als nur
erbringen. Sie verkörpern ihre Figuren brillant. Blanchett
zunächst naiv, zurückgenommen und sympathisch. Dench
ihrerseits
immer kraftvoll, bissig und ab und zu mit dem Hang zum
Zerstörerischen.
Diesen beiden Furien bei ihrem rasanten Psychoduell
zusehen zu dürfen
macht den Reiz von Eyres Film aus. Für ihre Darstellungen
wurden
beide Schauspielerinnen mit einer Oscar-Nominierung
bedacht. Dass
sie wahrscheinlich keinen Preis bekommen werden, ist nicht
weiter
tragisch, sondern liegt an der übermächtigen Konkurrenz
dieses Jahr (wie Helen Mirren in "Die
Queen"). Beide haben ihn schon mal bekommen und
ehrlich
gesagt ist die wuchtige Energie und Präsenz, die vor allem
Dench demonstriert, mit keinem Preis angemessen zu
würdigen.
Wenn
sie am Anfang fast in einem lästernden Tonfall sagt:
"Früher
haben wir den Schülern Zigaretten und Pornohefte
weggenommen.
Heute konfiszieren wir Messer und Kokain und alle nennen
das Fortschritt",
dann ist der Zuschauer sofort im Bann dieser Person. Warum
ist Barbara
so zynisch-verletzend und direkt? Es lässt sich schwerlich
in Worte fassen, wie Dench es schafft uns diese Person
nahe zu bringen.
Langsam und bedächtig zeigt sich ein trauriges Bild einer
lesbischen
Frau, die ihr Leben lang nach der großen Liebe gesucht
hat.
Eine Suche, die nur Niederlagen mit sich brachte und aus
einem Menschen
einen kalten Eiszapfen machte, der seine Umgebung nur noch
mit tiefster
Abscheu behandelt und perfide Spiele mit den Mitmenschen
treibt.
Vielleicht will Barbara es nicht wahr haben, dass sie
selber so
deformiert ist wie die Schüler die sie beschreibt. Sie ist
wie eine Spinne, die ihre Opfer hinterhältig ins Netz
tappen
lässt. Gefährlich und faszinierend zugleich.
Dench, die Grand Dame der englischen Schauspielerinnen,
dominiert
die Geschichte auch wenn sie nicht im Bild ist. Das liegt
an der
enormen Fülle an Voice-Over-Kommentaren, die allerdings
ein
bisschen einfallslos wirken. Wegen dieser Dominanz gelingt
es Cate Blanchett nicht immer, aus dem Schatten der
mächtigen
Lady heraus zu treten, aber was die Intensität der
Darstellung
angeht, steht sie Dench in nichts nach. Mit ein paar
simplen Strichen
zeichnet sie ein eindringliches Porträt einer Frau, die,
überfordert
von dem stressigen Alltag der eigenen Ehe, immer ein
Späthippie
geblieben ist. Ihre Affäre ist Ausdruck eines
unterdrückten
Verlangens, einer Sehnsucht, die viele Jahre auf
Sparflamme kochte
und jetzt wie ein Strohfeuer heiß auflodern kann - an dem
sie sich allerdings verbrennen wird.
Immer wieder geraten beide Frauen aneinander. In diesen
Momenten
explodiert die Leinwand. Die Spannung hält sich konsequent
bis zum Finale, bei dem die Machtverhältnisse zwischen
Sheba
und Barbara erstaunlicherweise nicht mehr so klar
erscheinen wie
vielleicht zuvor angenommen. Alles unterlegt von der
einprägsamen
Filmmusik des Komponisten Philp Glass, welche die Handlung
manchmal
aber zu schnell und unnötig voranpeitscht. In einigen
Szenen,
wenn Sheba zum Beispiel voller Verzweiflung und heulend in
ihrer
Küche zusammensinkt, zerstört die Musik die Dramatik.
Man hätte sich mehr Zurückhaltung gewünscht. Auch
die letzten Szenen könnten vielleicht ein zu negatives
Bild
einer Lesbe aufzeigen. Ein Thriller-artiges Ende wie
dieses verwirrt
eher und springt aus dem Rahmen dieses ansonsten sehr
gelungen Werkes.
"Tagebuch eines Skandals" ist ein wirklich
beeindruckender
Schauspielfilm geworden, der durch die scharfsinnigen
Dialoge eines
schnörkellosen Drehbuchs immer dann an Qualität gewinnt,
wenn die Inszenierung theaterhafte Züge annimmt. Welch ein
wunderbares Vergnügen ist es, zwei so herausragenden
Schauspielerinnen
bei ihrer Arbeit zu zusehen. Allein dafür hat sich der
Gang
ins Kino schon gelohnt.
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