Als Brad Pitt das letzte Mal mit Regisseur und Autor Andrew Dominik zusammenarbeitete, entstand "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford", ein bemerkenswerter, bildgewaltiger, in seiner kompromisslos-langsamen Eigenwilligkeit geradezu mutiger Film und aus Cineasten-Sicht damals eines der interessantesten Werke seines Jahrgangs. Grund genug jedenfalls, auf die erneute Kollaboration von Pitt und Dominik gespannt zu sein. Leider erweist sich "Killing them softly" als eine herbe Enttäuschung von einem Film, der sich für wahnsinnig klug hält, dabei aber durchweg nur langweilt.
Dominik hat sich einen Roman aus den 1970er Jahren als Grundlage genommen und die Handlung ins Jahr 2008 adaptiert, mitten in die heiße Phase des Präsidenten-Wahlkampfs zwischen John McCain und Barack Obama, zur Zeit der großen Wirtschafts- und Finanzkrise. In dieser desillusionierten nationalen Stimmung werden die beiden unterbelichteten Ganoven Frankie und Russell (Scott McNairy und Ben Mendelsohn) angeheuert, um eine von der Mafia organisierte Pokerrunde zu überfallen. Eigentlich ein Selbstmordkommando, doch weil straßenbekannt ist, dass der Organisator der Runde Markie Trattman (Ray Liotta) vor Jahren schon einmal seine eigene Pokerrunde überfallen und damit davongekommen ist, hoffen die Gangster, dass die Mafia erneut Martie als Kopf des Überfalls vermuten und ihm die Schuld in die Schuhe schieben wird. Als der Überfall tatsächlich klappt, engagieren die (hier niemals in Erscheinung tretenden) Mafiabosse den Auftragskiller Jackie Cogan (Brad Pitt), um die Sache aufzuklären und die Schuldigen ihrer nötigen Strafe zuzuführen.
Es ist ein viel bewandertes und unter Filmfreunden sehr beliebtes Pflaster, auf dem sich Andrew Dominik hier bewegt. Der Blick in den Alltag der unteren "Verwaltungsebenen" des organisierten Verbrechens erinnert an Martin Scorsese; die dümmlichen, an völliger Selbstüberschätzung leidenden Kleingangster kennt man so ungefähr von den Coen-Brüdern oder aus den brachialen Gangsterkomödien von Guy Ritchie; und die oft minutenlang banal vor sich hin mäandernden Dialoge zwischen Auftragskillern und anderen Kriminellen tragen ein sehr Tarantino-eskes Erbgut in sich. Große Vorbilder, doch Dominik benimmt sich, als habe er mit voller Absicht alle prägenden Eigenschaften dieser seiner Gangsterfilm-Vorläufer genommen um sie zielgerichtet all dessen zu berauben, was sie spannend, witzig, interessant oder faszinierend gemacht hat.
Durch die Konventionen des Gangster-Kinos betrachtet, funktioniert nichts an "Killing them softly". Die Geschichte wird ohne eine nennenswerte Wendung geradeaus durcherzählt, so etwas wie Spannungsaufbau wird hier ganz bewusst unterbunden. Die gelegentlich vorhandenen Ansätze für Farce oder Komik werden ebenso wenig ausgespielt. Es ist, als hätte Dominik gezielt allen Glamour des Genres dekonstruieren wollen, um das Gangsterleben in seiner ungeschönten, geradezu banalen Unattraktivität zu zeigen. Das ist von daher naheliegend, als dass sein Umgang mit den Konventionen des Westerns in "Die Ermordung des Jesse James..." ganz ähnlich war. Leider ist Dominik hier jedoch sehr inkonsequent: Während weite Strecken des Films mit unendlich (und unnötig) lang gezogenen Dialogszenen zwischen zwei sitzenden Charakteren (sprich: ohne jede Dynamik) vergehen und die Bildsetzung sich sehr viel Mühe gibt, alles möglichst grau und trist aussehen zu lassen, bricht Dominiks Inszenierung immer wieder für kurze, eklatante Ausreißer aus diesem Grundton heraus, wenn er z.B. einer seiner Figuren in die vernebelte Sinnestaubheit eines Heroin-Rausches folgt (fast schon peinlich platt unterlegt mit Velvet Undergrounds "Heroin") oder eine Exekution in ausgiebiger, hochauflösender Superzeitlupe zelebriert.
Das sieht für sich genommen zwar sehr hübsch aus, passt aber eben so gar nicht zum Rest des Films und vermittelt den unschönen Eindruck eines Regisseurs, der ein bißchen sehr verliebt in seine eigene Arbeit ist und sich für besser hält, als er ist. Eindeutigstes Indiz dafür ist die bleischwer aufgetragene Meta-Bedeutungsebene, die "Killing them softly" mit einer Penetranz durchzieht, dass es fast schon stinkt: Von der ersten Szene an erklingen permanent aus irgendwelchen Radios oder Fernsehern Ansprachen-Schnipsel von Noch-Präsident George W. Bush oder Präsidentschaftsanwärter Obama, die unablässig über die herrschende Wirtschaftskrise schwadronieren und wie Amerika sich daraus wieder befreien wird. Äußerst unsubtil will Dominik hier etablieren, dass das Abbild seiner Gangsterwelt doch bitte verstanden werden soll als Metapher fürs große Ganze von Amerika, dass die ermatteten und ihrer eigenen Bosse überdrüssigen Ganoven stellvertretend sind fürs einfache Arbeitervolk und die verquere innere Logik, mit der hier Unschuldige auf die Abschussliste gesetzt werden, genauso absurd ist wie die Maßnahmen, die den einfachen Steuerzahler für die Verfehlungen der großen Banken zahlen ließen. Das ist eine bemerkenswerte metaphorische Schwere, die Dominik seinem Film hier aufbürdet. Leider ist er nicht in der Lage, diese auch wirklich überzeugend zu tragen. Stattdessen wirkt das alles nur schrecklich prätentiös und selbstverliebt, zumal niemals so etwas wie eine substantielle Aussage erreicht wird.
So wabert "Killing them softly" ohne jedes Tempo, Biss oder Spannung vor sich hin, und lediglich seine herausragenden Darsteller bewahren ihn vor dem Versacken in absoluter Langeweile. Brad Pitt spielt seinen Part als kampfesmüder Killer mit gewissen Arbeitskomplexen grandios, und die schauspielerisch besten Szenen des Films gehören einer Auseinandersetzung von Pitt mit James "Tony Soprano" Gandolfini, der hier sinnbildlich für die abgebrannte, trüb-düstere Zukunft steht (sowohl der Gangster als auch Amerikas) als ein ehemals verlässlicher Auftragskiller, der nun heillos versunken ist in seiner Sucht nach Alkohol und Prostituierten.
So großartig Gandolfini in dieser prägnanten Rolle ist, so müssen sich auch seine zwei großen Dialog-Szenen den Vorwurf gefallen lassen, einfach viel, viel zu lang zu sein. Was andere Filme in einer Minute prägnant auf den Punkt bringen, wälzt Dominik auf bis zu fünf Minuten aus, ohne dabei relevant mehr zu sagen. Solch eine Szene ist ein saftiges Steak für einen gewissenhaften Schauspieler, der da beherzt hinein beißt und ausgiebig drauf herum kaut. Das Publikum jedoch hat herzlich wenig davon außer den immer drängender werdenden Wunsch, dass es jetzt doch bitte mit dem nächsten Gang weitergehen möge.
"Killing them softly" ist ein Gangsterfilm fürs intellektuelle Arthousekino. Ein Film der sich programmatisch allem versperrt, was ihn wirklich aufregend oder unterhaltsam machen könnte, und dafür aufdringlich einfordert, dass sein Publikum bitte schön ganz doll darüber reflektieren möge, was er hier unterschwellig denn eigentlich ausdrücken und erzählen möchte. Das kann man ganz toll finden, wenn man auf intellektuelles Arthousekino steht und nicht dabei erwischt werden will, dass man keine kluge Antwort auf die Frage hat, was uns der Künstler damit sagen möchte. Oder man findet es blöd, weil es schlicht öde ist und das, was der Künstler damit sagen möchte, einfach nicht sonderlich klug.
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