Captain Jack is back. Dieser Satz verkündet zum Glück nicht das Comeback des peinlichen Eurodance-Projekts im Militär-Look, sondern die auf Sommer-Superhit programmierte Rückkehr von Johnny Depp als Piratenboss Jack Sparrow. Eine Fortsetzung, auf die sich sogar viele Sequel-kritische Filmfans gefreut haben - erwies sich "Fluch der Karibik" doch als einer der originellsten und besten Hollywood-Blockbuster der letzten Jahre und versetzte sein Publikum mit der gelungenen Revitalisierung des seit über 60 Jahren eigentlich toten Subgenres des Piratenfilms ins Staunen. Mit Depps fast schon legendärer Vorstellung als von zuviel Sonne und Rum rammdösiger Captain Jack als Herzstück spielte der Film weltweit über 650 Millionen Dollar ein. So ein Ergebnis gibt Sicherheit, weswegen man sich nicht nur für eine, sondern gleich für zwei Fortsetzungen entschied: Teil Zwei und Drei wurden Rücken an Rücken abgedreht, und die Fans der frischen Piraten-Franchise können sich jetzt schon aufs nächste Jahr und den Abschluss der Trilogie freuen. Sofern ihnen nicht "Fluch der Karibik 2" ein klein wenig Enthusiasmus raubt.
Schon beim ersten Teil verließ man sich nicht allein auf
die bodenständige Piraten-Romantik um Schatzinseln, Säbelrasseln
und Kaperfahrten, sondern fügte mit dem titelgebenden Fluch
ein übernatürliches Element hinzu, das spektakuläre
Computereffekte und einen kaum zu überwindenden Gegner garantierte.
Ein Rezept, das für die Fortsetzungen noch eine Schraube höher
gedreht wird, bedient man sich hier doch reichhaltig am Mythen-Fundus
des Seemannsgarns. Zu Beginn wird das Traumpaar Will Turner (Orlando
Bloom) und Gouverneurstochter Elizabeth Swann (Keira Knightley)
kurz vor seiner Hochzeit verhaftet, da sie am Ende von Teil Eins
dem zum Tode verurteilten Piraten Jack zur Flucht verholfen hatten.
Wie sich herausstellt, ist diese Verhaftung aber nur ein Winkelzug
des zwielichtigen Lords Cutler Beckett (Tom Hollander), der mit
dem drohenden Todesurteil den guten Will dazu erpressen will, Jack
Sparrow ausfindig zu machen und ihm seinen Kompass abzunehmen -
denn der führt einen nicht nur zur Toteninsel aus dem Original,
sondern auch noch zu einem Objekt von weitaus größerem
Wert: Ein "Schatz", den Jack selbst auch gerade zu finden
versucht, um sich vor ewiger Verdammnis als Crew-Mitglied von Davy
Jones zu retten.
Hier
fängt besagtes Seemannsgarn an, denn Davy Jones ist in der
englisch-amerikanischen Seefahrer-Mythologie so etwas wie der Teufel
der Meere, und wird hier in einer recht freien Interpretation zu
einer Piraten-Ausgabe des "Fliegenden Holländers"
(der wiederum aus der europäischen Mythologie stammt), ein
zu ewigem Kreuzen auf den Meeren verfluchter Freibeuter, dessen
Sichtung für jedes Schiff ein Omen des sicheren Untergangs
ist. "Fluch der Karibik 2" präsentiert Davy Jones
als einen sowohl unter als auch auf dem Wasser lebenden Piraten,
der wie der Rest seiner verfluchten Crew zu einem Mischwesen aus
Mensch und Meeresbewohner mutiert ist - in Jones' Fall unter anderem
mit Tentakeln als Barthaare. Flüche und Untote gibt's also
auch in Teil Zwei, und auch für die Einbeziehung eines biblischen
Meer-Ungeheuers waren sich die Filmemacher nicht zu schade - für
neuerliche große Bedrohung unseres wackeren Heldentrios ist
also gesorgt.
Einzig, reicht das für einen ebenso großartigen Film?
Die Antwort tendiert eher gegen Nein, und das liegt nicht allein
an den üblichen Fortsetzungs-Krankheiten, die aus der Zwickmühle
entstehen, möglichst viel von Charme und Erfolgsfaktoren des
Originals zu kopieren und dabei trotzdem einen eigenständigen
und halbwegs frischen Film zu machen. "Fluch der Karibik 2"
kommt weitaus düsterer daher als sein Vorgänger, bei dem
selbst die knochige Geister-Crew noch eher amüsierte als erschreckte.
Hier soll der Zuschauer sich wirklich grausen, manchmal auch ekeln,
und das funktioniert - wirkt sich aber auch negativ auf den Spaß-Faktor
aus, der bei Teil Eins das entscheidende Salz in der Suppe war.
Auch wenn Johnny Depp wieder zu begeistern weiß und der Film
einige grandiose Komik-Momente hat: Der Ton ist deutlich ernster,
und über weite Strecken bleiben die Lacher fast vollständig
aus.
Das
liegt auch daran, dass man es wohl aus dramaturgischer Notwendigkeit
nicht dabei belassen hat, Jack Sparrow wie in Teil Eins als federführende
Witzfigur agieren zu lassen. Keine Sorge, sein unvergleichlicher
Habitus und Sprachstil sind unverändert (drum gilt auch in
diesem Falle die unbedingte Empfehlung, Depps Vorstellung in der
Originalfassung anzuschauen), aber der gute Captain bekommt auch
Gefühle, die fürs spaßorientierte Publikum an einigen
Schlüsselstellen - sagen wir mal - gewöhnungsbedürftig
sein dürften. Die reine Freude am anarchischen Captain Jack
wird dadurch ein wenig getrübt, da man aus dieser Figur aber
schließlich Stoff für zwei Fortsetzungen ziehen wollte/musste,
ist diese Wendung weg vom reinen Spaßvogel und hin zu etwas
mehr Charaktertiefe zumindest nachvollziehbar. Über Glaubwürdigkeit
zu debattieren ist bei einem Film wie diesem wohl ohnehin unangebracht.
Sehr wohl angebracht ist allerdings der Wunsch nach ein wenig mehr
Stringenz, denn der zentrale Makel von "Fluch der Karibik 2"
ist seine überbordende Länge. Die stolze Laufzeit von
150 Minuten ist kein Indikator für eine episch ausgebreitete
Handlung, sondern Resultat einer stellenweise doch sehr schleppenden
Erzählweise. Opulente und breit angelegte Action-Sequenzen
gut und schön, aber dann bitte auch die Zwischenstücke
etwas flotter gestalten. Die allgemeine Exposition der Kernelemente
der Handlung zieht sich bis weit in den Mittelteil des Films hinein
- tödlich für ein ordentliches Tempo. Da es der umständlich
und langwierig strukturierten Eröffnung auch nicht gelingt,
dem köstlich schrägen Spaß dieser Sektion des Originals
gleichzukommen, fällt Teil Zwei im Vergleich leider von Anfang
an ab und erreicht bis auf wenige unbeschwerte Momente nie wirklich
die Höhen des ersten Teils.
Dass
"Fluch der Karibik 2" diese Momente hat, ist allerdings
nicht zu leugnen. Auf der Haben-Seite stehen einige großartige
Lacher und vor allem zwei kongenial-komische Action-Sequenzen, mit
Jack Sparrow als wandelndes Früchte-Schaschlik beziehungsweise
einem Drei-Parteien-Schwertkampf auf einem rollenden Mühlrad
als brillante Kernstücke. In dem heillosen Durcheinander des
Vor-Showdowns, in dem diverse Fraktionen mit diversen Motiven sich
nicht um einen, sondern gleich zwei zentrale Gegenstände balgen,
findet "Fluch der Karibik 2" seinen eigentlichen Höhepunkt
und kommt auf Tuchfühlung mit dem Original.
Das sich etwas hinziehende Finale im Anschluss ist dann leider wieder
ein Beleg dafür, dass dieser Film mit sinnvoller Straffung
auch hätte 20 Minuten kürzer ausfallen können. Die
letzten Szenen setzen bereits die Segel für Teil Drei, so dass
man hier mit einem (als solcher doch recht schwachen) Cliffhanger
entlassen wird und schon einmal dezidiert erzählt bekommt,
was uns nächstes Jahr ungefähr erwartet.
Auch wenn man keine Kosten und Mühen gescheut hat, der erhoffte Superfilm ist "Fluch der Karibik 2" nicht geworden (auch wenn es für den Supererfolg wahrscheinlich trotzdem reichen wird). Das ist sicher nicht die Schuld des famosen Produktionsaufwands oder der Trick-Abteilung, die hier erfreulicherweise zu großen Teilen auf ehrliche Handarbeit vertraute, was schlichtweg immer noch viel besser aussieht als die preiswerteren, aber weniger überzeugenden CGI-Effekte (die leider auch hier das große Finale dominieren). Auch die Darsteller müssen sich nichts ankreiden lassen. Bill Nighy ist als neuer Bösewicht Davy Jones zwar eher schwach, kann unter seiner klobigen und überwuchernden Maske aber auch kaum schauspielerische Akzente setzen und leidet zudem darunter, dass es Jones als Figur an echten Konturen und der genüsslichen Gemeinheit seines Vorgängers Captain Barbossa fehlt. Ein recht farbloser Schurke, der sein Schicksal indes mit Orlando Bloom und Keira Knightley teilt, beide eher Spielbälle der Handlung und in den dünnen Konventionen ihrer Rollen erstarrt. Trotz ausgeglichener Leinwand-Anteile bleibt auch "Fluch der Karibik 2" ganz klar die Show von Johnny Depp, auch wenn es diesmal sicher nicht zu einer Oscar-Nominierung langen wird. Gut gelungen ist derweil die Einbindung zahlreicher alter Bekannter aus Teil Eins, die immer wieder für überraschte Lacher und einfallsreiche Wendungen sorgen kann.
Auch aus diesem Grund werden die Fans des ersten Teils sicherlich nicht enttäuscht das Kino verlassen, wenn sie sich nach zweieinhalb Stunden aus ihren Sitzen schälen. Genauso begeistert wie vor drei Jahren werden sie allerdings wohl auch nicht sein. "Fluch der Karibik 2" ist solides Popcorn-Entertainment geworden, und viel mehr darf man angesichts der Beschränkungen einer Fortsetzung wohl auch nicht erwarten. Trotzdem: Ein bisschen mehr Tempo, Witz und Esprit hätte es schon sein dürfen. Hoffen wir also auf Teil Drei, denn Captain Jack ist noch nicht weg.
Neuen Kommentar hinzufügen