Was wir zu sehen bekommen, umfasst im Grunde nur wenige Minuten: Der amerikanische Präsident weilt zu einem Staatsbesuch in Spanien und hält eine öffentliche Rede ans Volk. Um ihn herum: Ein mit Zuhörern und Touristen gefüllter Platz, seine Bodyguards und die Medien. Plötzlich fallen Schüsse, gefolgt von einer Explosion, und dann bricht Panik aus.
Wenn nun der Titel darauf hindeutet, dass wir diese Geschehnisse im Laufe der Handlung aus acht verschiedenen Blickwinkeln geschildert bekommen, sollte man das lieber nicht so genau nehmen sondern beim Nachzählen bedenken, dass es sich hier um einen völlig frei gewählten deutschen Titel handelt, der einer inhaltlichen Überprüfung nur sehr bedingt standhält. Zunächst jedoch folgt der im Original "Vantage Point" benannte Film tatsächlich einem sehr strengen Muster. Angefangen mit den Mitarbeitern eines übertragenden Fernsehsenders und gefolgt von einem Leibwächter, einem Touristen und einem Einheimischen präsentiert man dem Zuschauer die Minuten vor und nach dem Anschlag bis zu einem Punkt, an dem der jeweilige Handlungsstrang dann plötzlich abbricht und wieder zum Anfang zurück gespult wird (dies dann auch im wahrsten Sinne des Wortes). Ein geschicktes Stilmittel, welches, im Gegensatz zum mittlerweile schon etwas ausgelutschten "Echtzeit"-Thriller, auf der Kinoleinwand als ziemlich neu und durchaus innovativ zu bezeichnen ist.
Als beste Idee erweist sich dabei die Entscheidung, jede einzelne Episode bzw. "Sichtweise" handlungstechnisch immer ein kleines Stückchen weiter als die vorherige laufen zu lassen, um genau dann wieder abzubrechen, wenn es besonders spannend wird. Eine cleverer Kunstgriff, mit dem es erstaunlich gut gelingt, den eigentlich TV-Serien vorbehaltenen Cliffhanger-Effekt am Schluss einer jeden Folge effektiv auf einen Kinofilm zu übertragen.
Sehr dicht und angenehm spannend also, diese Inszenierung, bei der sich dann auch Stück für Stück die Verantwortlichen für den Anschlag und ihre Pläne zu erkennen geben. Leider gilt diese Aussage aber definitiv nur für etwas mehr als die erste Hälfte des Werkes, denn kurz darauf wird plötzlich die bis dahin so systematisch durchgezogene Formel aufgelöst und es erfolgt ein Wechsel hin zum klassischen Actionkino mit leichten Glaubwürdigkeitsproblemen (Stichwort: Doppelgänger) und einem völlig überzogenen Showdown, an dessen Ende dann vom Konzept der unterschiedlichen Blickwinkel Nichts mehr übrig und zu sehen ist.
Mit dem berühmten "Rashomon"-Prinzip hatte das Ganze aber auch schon vorher Nichts zu tun, auch wenn darauf bei der Beschreibung von "Vantage Point" gern reflexartig Bezug genommen wird. Denn im Gegensatz zu Akira Kurosawas großem Klassiker haben wir es hier nicht mit sich widersprechenden, individuellen Interpretationen des selben Geschehens zu tun, sondern ganz im Gegenteil mit sich ergänzenden Teilansichten, die dann zusammengenommen das Puzzle vervollständigen. Wobei dieses bedauerlicherweise doch recht unvollständig bleibt, denn wo man sich gern etwas mehr Erhellung im Bezug auf die Hintergründe des Anschlags und die Motivation der Beteiligten erhofft hätte, wird auf diese zugunsten des erwähnten Showdowns und Actiongewitters leider weitgehend verzichtet.
Es wirkt ein wenig so, als hätte man es auf Seiten der Verantwortlichen ein bisschen mit der Angst bekommen, die Geduld des Zuschauers mit einem komplett durchkonstruierten Handlungsverlauf und der ständigen Wiederholung bestimmter Szenen doch etwas zu sehr zu strapazieren. Also wirft man dieses Konzept schließlich mittendrin über Bord und wechselt doch noch auf die Ebene des konventionellen Actionkinos. Kein Konzept-Thriller á la "Memento" also hier, kein Festival- oder Kritikerliebling. Aber immerhin eine unterhaltsame und auch einige Zeit sehr spannende Geschichte, bei der die namhafte Besetzung allerdings eher als Verkaufsargument dient, denn darstellerisch gibt es in so einer kompakten Räuberpistole naturgemäß nicht allzu viel zu holen.
Den leicht verunsicherten, aber noch nicht ganz gebrochenen Bodyguard von Dennis Quaid darf man dabei bedenkenlos als die zentrale Figur des Films bezeichnen und Quaid liefert dabei eine genauso routinierte Darstellung ab wie William Hurt als Präsident oder Sigourney Weaver in ihrem besseren Cameo-Auftritt als Fernsehredakteurin. Die beste, weil emotionalste Rolle, hat noch Forest Whitaker als filmender Tourist abgestaubt, und die undankbarste Matthew Fox, dessen groß beworbene "erste Hauptrolle in einem Kinofilm" eigentlich keine ist. Hey, wer hier nicht mal seine eigene Rückblickepisode spendiert bekommt, ist in "8 Blickwinkel" nun wirklich ein ziemlich armes Würstchen.
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