Spotlight: DESIGN OF A DECADE - Filme der Neunziger

1997......  "Scream": Die Reanimation eines Kultgenres

Schließlich erreichte die seit Jahren andauernde Aufwärm-Manie Hollywoods ihren traurigen Höhepunkt. "Jurassic Park: Vergessene Welt", "Batman und Robin" und "Speed 2" waren die diesjährigen Highlights in der Parade sowohl überflüssiger als auch hochgradig uninspirierter Fortsetzungen. Ein wieder von Action-Filmen dominiertes Filmjahr lieferte mit "Con Air" und "Air Force One" zwei weitere Schablonenproduktionen, die man sich getrost hätte sparen können, während den größten Rummel zu Beginn des Jahres ausgerechnet eine Wiederaufführung machte. Die technisch überarbeitete "Star Wars: Special Edition" lockte die Zuschauer mit dem ziemlich hohlen Versprechen neuer Szenen in die Kinos und machte George Lucas' SciFi-Epos zum erfolgreichsten Film aller Zeiten (zumindest für kurze Zeit). Die wenigen Lichtblicke in dieser Zeit der filmischen Tiefkühlkost stellten Barry Sonnenfelds super-kurzweilige Alien-Komödie "Men in black" und John Woos erste überzeugende Regiearbeit in Amerika, "Im Körper des Feindes", dar. Und dann war da noch eine faustdicke Überraschung, mit der eigentlich keiner so richtig gerechnet hatte.
Wenn es ein Genre gab, an dem die allgemeine Revival-Welle der Neunziger bis dato vorbei geschwappt war, dann war es wohl der Slasher-Film. Michael Myers, Freddie Krüger und Konsorten verstaubten seit längerer Zeit in den Videothekenregalen, und niemand schien sie sonderlich zu vermissen. Doch das war noch lange kein Grund für die Genrelegende Wes Craven, nicht noch einmal einen Streich zu riskieren. In Zusammenarbeit mit Drehbuchautor Kevin Williamson gelang ihm eine blitzgescheite, augenzwinkernde und parodistische Hommage an sein eigenes Werk, die trotz zahlreicher In-Jokes und dem gnadenlosen Ausbaden jedes Klischees immer noch besser funktionierte als die meisten "ernstgemeinten" Slasher-Filme. Während das Spiel mit der erwartungsvollen Angst des Zuschauers genußvoll auf die Spitze getrieben wurde (es gibt halt doch noch Türen, hinter denen niemand lauert), legte Williamson den Charakteren Dialoge in den Mund, die jeden Fanatiker vor Freude jauchzen ließen: So würde wohl ein jeder Teenager reden, der "Halloween" zehnmal gesehen hat und sich plötzlich selber im Plot eines Horrorfilms wiederfindet. Sogar die finale Auflösung der klassischen "Wer ist der Killer?"-Frage gelang überaus ideenreich und war noch dazu logisch nachvollziehbar, was man nicht von jedem Film behaupten kann.
"Scream" gelang es nicht nur, auch für Horrorfilme bisher eher unempfängliche Filmfreunde zu begeistern, er sorgte auch für eine Renaissance des Slasher-Films. Das von Kevin Williamson nach dem plötzlichen Erfolg wahrscheinlich aus der untersten Schreibtischschublade gekramte Skript zu "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast" war zwar hochgradig blöde und das Ergebnis auch kein bißchen unheimlich, im Sog von "Scream" wurde jedoch auch dieser Streifen zu einem Hit. Angeheizt vom neuen Publikumsinteresse wurden im Schnellverfahren Fortsetzungen gedreht, und sogar Jamie Lee Curtis ließ sich zu einem weiteren Teil von "Halloween" überreden. Es ist wohl Williamson zu verdanken, daß einzig das Sequel zu "Scream" selbst nicht enttäuschte und auch hier wieder gnadenlos alle Genreklischees ausgebadet und parodiert wurden.
Die wahren Auswirkungen gingen aber noch viel weiter. Mit “Scream“ und seinen Nachahmern etablierte sich eine neue Riege an Teenie-Superstars (Neve Campbell, Jennifer Love Hewitt, Ryan Philippe, Freddie Prinze Jr., Sarah Michelle Gellar etc. pp.), deren Vermarktungsmöglichkeiten bald die engen Grenzen des Horror-Genre sprengten. So erlebte die High-School-Komödie, Mutter aller Teenie-Filme, ihre wundersame Auferstehung. „Eine wie keine“, „Eiskalte Engel“, „American Pie“ und Konsorten wurden zu einem prägenden Bestandteil der nächsten Film-Jahre. Und während sich der Horror-Trend inzwischen fast leergelaufen hat, sind die Teenie-Streifen ganz dick im Geschäft. Und das alles ging los mit einer kleinen, feinen Horror-Persiflage. Die Dinge nehmen manchmal wirklich ein eigenes Leben an.
Auf jeden Fall kehrte mit "Scream" ein fast in Vergessenheit geratenes Filmgenre zurück auf die Leinwand, dessen weitläufige Auswirkungen nach wie vor anhalten. Der geneigte Fan freut sich bereits auf "Scream 3", und bis dahin kann man sich immer noch über Freundinnen lustig machen, die noch nicht mal die geniale Eröffnungssequenz mit Drew Barrymore aushalten. "Die Frage ist nicht, wer bin ich. Die Frage ist, wo bin ich?"


 
 

"Wie heißt Du?"
"Warum?"
"Ich will doch wissen, WEN ich beobachte!"