"Hast du schon gehört, Adam Sandler spielt die Hauptrolle im neuen Film von Paul Thomas Anderson." Für die meisten Filmfans muss es wie ein absurder Cineasten-Witz geklungen haben, als sie das erste Mal von "Punch-drunk love" gehört haben, aber es ist kein Witz: Adam Sandler, Ikone grenzdebiler Komödien mit möglichst niedrigem Niveau ("Big Daddy", "Little Nicky") ist der Protagonist im neuen Werk von Paul Thomas Anderson, der seit seinem Opus Magnum "Magnolia" als einer der herausragenden Regisseure seiner jungen Generation gilt. Hier treffen zwei Filmwelten zusammen, wie sie weiter nicht von einander weg sein könnten, doch das Endergebnis lässt sich gerade deshalb paradox leicht charakterisieren: "Punch-drunk love" ist ein Adam Sandler-Film von Paul Thomas Anderson. So einfach ist das.
Einfach,
das waren bisher alle Figuren, die Adam Sandler gespielt
hat, und
das trifft auch auf seinen hiesigen Charakter Barry Egan
zu. Der
Unterschied zu Sandlers früheren Filmen, in denen er einen
einfach gestrickten Simpel mit immer wieder auftretenden
Gewaltausbrüchen
spielte, ist allerdings der, dass seine Figur diesmal
Format erhält.
Wenn Sandler in "Happy Gilmore" oder seinem jüngsten
Film "Mr.
Deeds" aus heiterem
Himmel anfing, Leute aufs übelste zu vermöbeln, dann gab
es dafür keinen Grund außer dem möglichen Lacher
in so einer Szene, der allerdings wiederum häufig stecken
blieb,
eben weil diese Ausbrüche unmotiviert und deplatziert
wirkten.
Wenn Sandler aber in "Punch-drunk love" die Glastüren
seiner Schwester oder die Männertoilette eines Restaurants
zertrümmert, dann ist das gerade deshalb komisch, weil wir
zum ersten Mal verstehen, warum er das tut.
Paul Thomas Anderson ist kein abgehobener, betont
intellektueller
Feuilleton-Regisseur, und darum gibt er nicht nur liebend
gerne
zu, dass ihm Sandlers Komödien schon so manch drögen
Samstagabend
versüßt haben, er schrieb ihm auch noch aus reinem Spaß
an der Freude eine Rolle auf den Leib, die Sandlers
eigenwilligem
Stil endlich die Substanz gibt, die ihm sonst immer
gefehlt hat:
Barry Egan führt einen unspektakulären Betrieb in
irgendeiner
Seitenstraße im Großraum Los Angeles, und er hat sieben
Schwestern, von denen jede einzelne permanent sein Leben
zu kontrollieren
versucht. Warum Barry immer wieder den unkontrollierbaren
Drang
verspürt, etwas kaputt zu machen, ist schon nach einer
Szene
klar, in der innerhalb von zwei Minuten
drei seiner Schwestern auf der Arbeit anrufen, um ihn an
eine Party
am Abend zu erinnern. Völlig eingeengt und ohne Freiräume
spricht schon seine Körperhaltung Bände: zusammengesunken,
als würde er am liebsten in sich selbst verschwinden,
gleichzeitig
über alle Maßen angespannt, vermittelt er in jeder Szene
den Eindruck, als wäre er am liebsten woanders. Keine
Ahnung
wo, Hauptsache nicht hier. Der Krampf ist in seinem Leben
so allgegenwärtig,
dass Barry selbst bei einem Telefonsex-Gespräch lieber
nicht
auf die eindeutigen Anforderungen der Stimme am anderen
Ende eingeht.
Dass er ihr indes sämtliche private Daten inklusive
Kreditkarten-
und Sozialversicherungsnummer verrät, wird sich noch als
großer
Fehler herausstellen. Ein wenig Licht tritt erst in Barrys
Leben,
als er die zurückhaltend niedliche Lena Leonard (Emily
Watson)
kennen lernt und sich die beiden, trotz aller
Widrigkeiten, ineinander
verlieben.
Was
sich von hieran für ein Plot entspinnt, braucht man gar
nicht
erst zu verraten, denn die zugrunde liegende Kausalkette
würde
ohnehin keiner glauben. Spätestens hier zeigt sich, was es
für Anderson heißt, eine leichte Komödie zu inszenieren:
ein Film machen, in dem alles ein bisschen anders, ein
bisschen
absurd ist. Und das fängt bereits damit an, eine
unerwartete
Szene an die nächste zu hängen. Anderson überrascht
sein Publikum konsequent, ohne dass dieses nachher sagen
könnte,
wieso eigentlich. Mit ebenso einfacher wie subtiler
Eleganz inszeniert
er für "Punch-drunk love" ein eigenes kleines Universum,
in dem absurde Szenen quasi am Wegesrand liegen und auch
dort gelassen
werden, wo die Kamera mit den Einstellungen spielt aus dem
reinen
Vergnügen, eine Szene einfach mal unkonventionell
einzufangen,
und wo man dreitausend Becher Schoko-Pudding kauft und
dafür
über eine Million Bonusmeilen von American Airlines
bekommt.
Eine Geschichte, die übrigens wirklich passiert ist, und
vielleicht
gerade deshalb so gut in diesen eigenwilligen Entwurf von
Absurdistan
passt.
Bei
all seiner köstlichen Komik (die, das muss man fairerweise
sagen, nicht bei allen Filmszene-Redakteuren gleichermaßen
zündete) bleibt die eigentliche Überraschung an
"Punch-drunk
love" jedoch die Neuentdeckung von Adam Sandler.
Feinfühlig
und versiert schabt Anderson von Sandlers typischem
Rollenbild die
Fassade ab und lässt den gebrochenen Menschen zum
Vorschein
kommen, der sich schon immer darin versteckt hat. Und
Sandler blüht
plötzlich auf, als hätte er seit Jahren nur darauf
gewartet:
Mit gänzlich untypischer Zurückhaltung schraubt er seine
normalerweise so übertriebenen Gesten herunter, lässt
in jeder noch so kleinen Bewegung die innere Anspannung
seiner Figur
deutlich werden und schwingt sich so zu schauspielerischen
Höhen
auf, die man ihm bis dato niemals zugetraut hätte. Wenn er
schließlich gegen Ende des Films ein schlichtweg brüllend
komisches Telefongespräch führt, dass so auch in jedem
anderen Sandler-Film hätte stattfinden können (inklusive
aller Schimpfwörter und blanker Aggression), mit dem
feinen
Unterschied, dass er mit Philip Seymour Hoffman - einem
der besten
aktiven Schauspieler Hollywoods - spricht, dann erscheint
das in
der Tat als ein ausgeglichenes Match. Und ein größeres
Kompliment kann man Adam Sandler kaum machen. Ob er
außerhalb
seines bisherigen Rollentypus tatsächlich als Schauspieler
bestehen kann, wird er noch zeigen müssen. Aber jetzt
traut
man ihm das zum ersten Mal auch wirklich zu.
"Punch-drunk love" macht so viele Dinge bewusst anders, dass es für manchen schon befremdlich wirken könnte, und fasst sich an manchen Stellen ein bisschen zu kurz (auch wenn es ganz erfrischend ist, nach Andersons dreistündigem Mammut-Meisterwerk "Magnolia" jetzt schon nach der Hälfte aus dem Kino zu kommen), so dass man merkt, dass es Anderson hier mehr um die lustige Spielerei mit Konventionen und dem üblichen Sandler-Klischee ging. Das ist bei so einem beschwingt agierenden Regie-Genie und bei so viel erfrischender Andersartigkeit aber auch schon mehr als genug. Und so erweist sich der für unmöglich gehaltene Kino-Zwitter als Volltreffer: Paul Thomas Anderson macht den besten Adam Sandler-Film, den es je gab. Man stelle sich jetzt nur noch die Fangemeinden von Regisseur und Hauptdarsteller in trauter Einigkeit im selben Multiplex-Saal vor. Das ist schon fast zu schön, um wahr zu sein.
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