Seit 40 Jahren bekommt der Industrielle Henrik Vanger (Sven-Bertil Taube) zu seinem Geburtstag ein Geschenk zugeschickt. Es ist jedes Mal eine gepresste Blüte hinter Glas, so wie er sie von seiner Lieblingsnichte Harriet bekam, bevor diese im Alter von 16 Jahren spurlos verschwand. Der verbitterte Henrik glaubt, dass diese "Geschenke" eine Verhöhnung von Harriets Mörder sind und startet einen letzten Versuch, die alte Geschichte aufzuklären. Er engagiert den Enthüllungsjournalisten Mikael Blomqvist (Michael Nyqvist), der gerade in einer schweren Krise steckt, die ihm eine mehrmonatige Gefängnisstrafe eingebrockt hat. Zu diesem Zwecke hat Vanger seinen Kandidaten Blomqvist vorher beobachten lassen, was schließlich dazu führt, dass sich die damit beauftragte Hackerin Lisbeth Salander (Noomi Rapace) zunächst ungebeten ebenfalls in die Nachforschungen einschaltet. Doch schnell erkennt Blomqvist deren nützliche Fähigkeiten und gemeinsam tauchen beide in eine Geschichte ein, die weit umfangreicher und grauenvoller ist als es den Anschein hat.
Die drei vollendeten Bände von Stieg Larssons "Millennium-Trilogie" gehören zweifelsohne zu den größeren Kulturphänomenen unserer Zeit. Denn als diese veröffentlicht und zu millionenfach verkauften Bestsellern wurde, lebte ihr Autor schon nicht mehr. Larsson verstarb 2004 an einem Herzinfarkt und wurde somit sowohl um die Möglichkeit gebracht, seinen großen Erfolg noch selbst mitzuerleben, als auch darum, sein auf zehn Bände angelegtes Opus zu vollenden. Bis zu seinem Tod war Larsson ein engagierter Journalist, der immer wieder gegen jegliche totalitären und rassistischen Tendenzen und Organisationen anging und anschrieb, und es fällt schwer in seiner Figur des Michael Blomqvist nicht ein Alter Ego des Autors zu vermuten.
Dieser Blomqvist ist zu Beginn der Geschichte unschuldig tief gefallen, in eine Falle gelockt von skrupellosen Industriellen, die sich eines unliebsamen Kritikers entledigen wollen. Doch dieses Schicksal wirkt fast harmlos gegen das von Lisbeth Salander, die als latent gewalttätig gilt und aus zunächst noch im Dunkeln bleibenden Gründen einem Vormund unterstellt ist, der auch über ihre finanziellen Angelegenheiten wacht. Unter ihrer rauen Punk-Attitüde verbirgt sich jedoch ein verunsichertes und schwer traumatisiertes Wesen, und die Besetzung dieses starken Charakters, der zwar nicht die "offizielle" Hauptfigur ist, bei den meisten Lesern jedoch den stärksten Eindruck hinterlassen haben dürfte, war sicher einer der größten Knackpunkte beim Versuch einer optimalen Verfilmung.
Mit der Wahl der Newcomerin Noomi Rapace darf die Wahl als gelungen bezeichnet werden, denn der gelingt es überzeugend diese fast schon gespaltene Persönlichkeit zu verkörpern. Rapace äußerlich passend zu gestalten ist recht einfach, aber die Schauspielerin verleiht ihrer Figur dann auch mit der entsprechenden Gestik und Körperhaltung, vor allem aber mit eindringlichen Blicken viel Leben. Die Szenen, in denen Lisbeth sich an ihrem sadistischen Vormund rächt, der sie vorher vergewaltigt und gedemütigt hatte, sind genauso eindrucksvoll wie nur schwer zu ertragen. Hier geht der Kinofilm dann auch weiter als es die zahlreichen TV-Produktionen tun, die uns seit einigen Jahren mit meist ebenfalls sehr düsteren Kriminalgeschichten aus Skandinavien versorgen.
Denn auf den ersten Blick ist die Frage sicher berechtigt, was denn nun diese ZDF-Koproduktion von all den Krimis der Marke Wallander & Co. so gewaltig unterscheiden soll. Auch jene, beim deutschen Publikum außerordentlich beliebten Fernsehfilme präsentieren schließlich fast immer gebrochene Helden mit Problemen in Verbindung mit oft unsagbar grausamen Verbrechen, die einen tiefen Blick in die Abgründe der menschlichen Seele ermöglichen. Allerdings sind hier nicht nur der Produktionsstandard und die Ausstattung etwas höher, auch der erwähnte Blick geht in der Tat noch ein wenig tiefer, denn Larssons Schweden ist ein von mächtigen Konzernen beherrschtes Land, hinter dessen sozialer Fassade sich machtgierige und emotional erkaltete Menschen mit sehr fragwürdigen Dingen beschäftigen.
Die Zahl der wichtigen Personen ist nicht klein und die Verflechtungen innerhalb der Vanger-Dynastie sind zahlreich, aber es wurden dabei erfreulicherweise genau so viele Kürzungen und Straffungen vorgenommen wie nötig waren, um den Zuschauer einerseits nicht den Überblick verlieren zu lassen, die Geschichte aber andererseits auch nicht allzu sehr zu vereinfachen oder zu verfälschen. Dafür ist fraglos Zeit notwendig, und die nimmt sich diese immerhin zweieinhalb Stunden lange Adaption vor allem, um ihre beiden Protagonisten ausführlich vorzustellen und einzuführen - auch das fällt in die Kategorie "erfreulich".
Da zudem das Mysterium um die verschwundene Harriet durch eine faszinierende Spurensuche äußerst spannend umgesetzt wird, gibt es nur wenige Längen zu bemängeln. Gearbeitet wird dabei nach der bewährten Methode, den Zuschauer immer nur genauso viel wissen zu lassen wie die Ermittler, und das sorgt dann naturgemäß für entsprechende Überraschung oder auch Erschrecken, wenn Stück für Stück neue Details ans hier nicht besonders helle Tageslicht kommen.
Ein besonders schöner oder angenehmer Film ist "Verblendung" daher nicht, sondern mitunter eher ein ziemlich unangenehmer Schlag in die Magengrube. Dass sich ganz am Ende die Ereignisse dann auf einmal förmlich überschlagen und nach der eigentlichen Auflösung des Falles noch mehrere Nachklapps angefügt werden, trübt den Gesamteindruck nur unwesentlich. Es ist auch zum Teil der bereits in wenigen Monaten anstehenden Fortsetzung geschuldet, die dann hoffentlich ein ebenso starkes Stück Film werden wird wie dieses hier.
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