Monsieur Lazhar

Originaltitel
Monsieur Lazhar
Land
Jahr
2011
Laufzeit
94 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Margarete Prowe / 11. April 2012

Der frankokanadische Film „Monsieur Lazhar“ ist ein kleines, leises Drama, das zuerst ganz einfach erzählt erscheint, aber dann immer mehr Kraft entwickelt, bis der Zuschauer emotional mitten im Geschehen steckt. Das auf einem Ein-Personen-Theaterstück der Frankokanadierin Evelyne de la Chenelière basierende Drehbuch von Regisseur Philippe Falardeau ist wirklich gelungen und blüht in der Umsetzung auf durch hervorragende Kinderdarsteller (ohne jegliche Erfahrung!) und vor allen Dingen durch den aus Algerien stammenden, in Frankreich sehr bekannten Komiker und Schriftsteller Fellag in der Rolle der Hauptfigur. Verdient gewann „Monsieur Lazhar“ den Publikumspreis in Locarno, den Art Cinema Award des internationalen Verbandes der Filmkunsttheater auf dem Filmfest Hamburg und schaffte es schließlich sogar in die Oscar-Nominiertenliste für den besten fremdsprachigen Film.

Nachdem sich eine Lehrerin erhängt hat, kommt der algerische Flüchtling Bachir Lazhar als Ersatzlehrer an eine Grundschule. Das Kollegium ist überfordert, die Kinder sind traumatisiert, Bachir lässt erst einmal die moderne Bestuhlung auflösen und Tische und Stühle in Reih und Glied ausrichten und verwendet als Diktatvorlage Texte von Balzac, die seine Schüler komplett verwirren. Mit der Zeit bringt seine Art die Schüler dazu, sich ihm gegenüber zu öffnen, doch sind sie nicht die Einzigen, die ein Geheimnis tragen müssen.


Schon im Vorjahr schaffte es ein frankokanadischer Film in die Liste der Oscarnominierten: „Die Frau, die singt - Incendies“, auch dies die filmische Adaption eines Theaterstückes und produziert von den gleichen Personen wie „Monsieur Lazhar“. Doch ist „Lazhar“ um einiges eleganter als „Die Frau, die singt“ und in seiner perfekten Mischung aus Tragödie und Humor wesentlich publikumsfreundlicher. Der Regisseur Philippe Falardeau hat eigentlich kanadische Politik und Internationale Beziehungen studiert, landete dann aber über die kanadische TV-Show „La Course Destination Monde“ in der Filmbranche und reiste für die Sendung um den Globus, um 20 kurze Dokumentarfilme zu machen. Dieses dokumentarische Beobachten prägt seinen Stil: Für „Monsieur Lazhar“ setzte sich der Regisseur wochenlang in eine Grundschule, um sich den Umgang der Schüler mit anderen einzuprägen. Er beschrieb die Schule danach als „komplexes organisches Wesen“, das auf Einflüsse reagiert. Sein Film ist weder klischeebeladen noch überfrachtet noch sentimental oder kitschig und nimmt auch keine einfachen Wertungen vor, sondern lässt den Zuschauer bewusst seine eigenen Meinungen gegenüber den sehr großen Themen überdenken.

Der aus Algerien ins Pariser Exil gegangene Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller Fellag, dort vor allem bekannt für seine One-Man-Shows, erweist sich hier als zwar untypische, jedoch hervorragende Wahl für Lazhar. Er spielt Bachir mit sehr viel Würde und Stolz und doch dem passenden Quentchen an Witz. Die Kinderschauspieler Sophie Nélisse und Émilien Néron beeindrucken in ihrer Authentizität trotz fehlender Erfahrung. Monsieur Lazhar liebt die französische Sprache und so ist dieser Film in seinem Wechsel aus algerischem und frankokanadischen Dialekt natürlich besonders im französischen Originalton ein großer Genuss.

Das gezeigte Universum Monsieur Lazhars ist zwar sehr klein, eine Grundschule in Québéc, doch in diesem Mikrokosmos werden große Themen wie Integration, Immigration, Tod und Trauer, Verantwortung und gesellschaftliche Tabus auf gänzlich zartfühlende und klischeefreie Weise aus einem neuen Blickwinkel gezeigt. „Lazhar“ bewegt sich wahrhaft gekonnt auf der Grenze zwischen Humor und tiefstem, traurigem Ernst und schafft es dabei auch noch, authentisch zu wirken. Wunderbar gefilmt in leuchtender, eisiger Winterfrische in Cinemascope von Ronald Plante und mit einem einprägsamen Piano-Score ist „Monsieur Lazhar“ eine präzise Charakter- und Gesellschaftsstudie in einem perfekt inszenierten Mikrokosmos.

Bilder: Copyright

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