Closet Monster

Originaltitel
Closet Monster
Land
Jahr
2015
Laufzeit
90 min
Regie
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Maximilian Schröter / 5. Oktober 2016

Connor JessupComing-of-Age-Filme gibt es ja nun wirklich nicht wenige. Die Suche junger Menschen nach ihrer Identität und ihr Entdecken der eigenen Sexualität waren schon immer ein beliebter Stoff fürs Kino. Aber eben auch einer, den der erfahrene Cineast schon dutzende Male gesehen hat und der in der Regel recht vorhersehbare Filme hervorbringt, die stets demselben Muster folgen. Umso positiver ist man daher überrascht, wenn mal ein Film dieses Genres daherkommt, der mit der bekannten und bewährten Formel zwar nicht bricht, in der Ausführung aber so gelungen ist, dass man tatsächlich das Gefühl hat, hier etwas Neues, Frisches gesehen zu haben.
 

Bei „Closet Monster“ handelt es sich um das Spielfilmdebüt des jungen kanadischen Regisseurs Stephen Dunn, der dafür 2015 beim Filmfestival in Toronto den Preis für den besten kanadischen Film erhielt. Im Mittelpunkt der auf autobiographischen Elementen basierenden Geschichte steht der 18-jährige Oscar (Connor Jessup). Seit der Scheidung seiner Eltern lebt Oscar abwechselnd bei seinem Vater (Aaron Abrams) und seiner Mutter (Joanne Kelly). In seiner Heimat, einer kleinen Provinzstadt im kanadischen Neufundland, gibt es nicht viel zu tun oder zu erleben. Wie die meisten Jugendlichen will Oscar dementsprechend vor allem raus aus dieser Umgebung und einen neuen Lebensabschnitt anfangen. Er hat sich in den Kopf gesetzt, nach New York zu gehen und dort ein Studium als Maskenbildner zu beginnen. Momentan jobbt er jedoch noch als Verkäufer in einem Baumarkt. Die Arbeit langweilt ihn zu Tode, doch er lernt dort den rebellischen Wilder (Aliocha Schneider) kennen. Während Oscar sich bisher zu seiner besten Freundin Gemma (Sofia Banzhaf) hingezogen zu fühlen glaubte, entwickelt er nun Gefühle für Wilder. Doch nicht nur die konservativen Ansichten seines Vaters stehen ihm dabei im Weg, sondern auch ein noch immer nicht überwundenes Kindheitstrauma. Wie gut, dass es wenigstens ein Wesen gibt, das stets ein offenes Ohr für Oscars Sorgen hat: sein Hamster Buffy.

Sofia Banzhaf & Connor JessupBei Oscars Kindheitstrauma handelt es sich um eine Beobachtung, die er im Grundschulalter machen musste: Auf dem Friedhof neben seiner Schule wird ein Schwuler brutal zusammengeschlagen und mit einer Eisenstange vergewaltigt. Diese Stange setzt Stephen Dunn im weiteren Verlauf des Films als Bild für Oscars Ängste und Hemmungen ein, wann immer dieser sich mit seiner Homosexualität konfrontiert sieht. Dabei verwendet Dunn immer wieder das Stilmittel des „magischen Realismus“, bei dem die Realität aus der Sicht des Protagonisten – und damit für den Zuschauer – leicht verfremdet dargestellt wird. Auf diese Weise verleiht er seinem Film eine ganz eigene, äußerst wirkungsvolle Bildsprache, die Oscars turbulente Gefühlswelt sicht- und fühlbar macht. Oscars sexuelle Begierden und seine erste homosexuelle Erfahrung verursachen bei ihm immer wieder körperlichen Schmerz und heftige körperliche Abwehrreaktionen, für die Dunn passende Bilder findet. Auch Oscars Gespräche mit seinem Hamster Buffy (der Name stellt natürlich eine Hommage Dunns an die von Joss Whedon erdachte Vampirjägerin dar) dienen dazu, seine Innenwelt dem Zuschauer zugänglich zu machen. Dass Buffy von Isabella Rossellini ("Blue Velvet") gesprochen wird, macht die entsprechenden Szenen zusätzlich zu einem Genuss. Neben zahlreichen kleinen kreativen Einfällen besticht der Film auch durch sein Sounddesign, den treibenden Elektro-Score und eine Auswahl passender, zeitgenössischer Popsongs.

Connor Jessup & Aliocha SchneiderWeil Dunn stets die Geschichte und ihre Figuren im Blick hat, schert er sich wenig um Genre-Grenzen. Die eingesetzten Stilmittel und Erzählelemente entstammen wie erwähnt häufig dem klassischen Coming-of-age-Film, aber Dunns Drehbuch weist sowohl sehr ernste Elemente, als auch einiges an Dialogwitz und sogar eine Prise Body-Horror auf. Weil die Figuren fast allesamt dreidimensionale Charaktere sind, die nie nur eine einzige Facette ihrer Persönlichkeit zeigen, funktioniert diese Mischung aus Genre- und Stilelementen hervorragend. So sind die Rollen unter Oscars Eltern beispielsweise nicht so klar verteilt, wie es anfangs den Anschein hat. Denn während Oscars Mutter zu Beginn des Films als die an der Trennung seiner Eltern Schuldige dargestellt wird und sein Vater als fürsorglich und verständnisvoll, zeigen sich beide Elternteile im weiteren Verlauf der Geschichte auch von einer ganz anderen Seite. Sämtliche Schauspielleistungen wirken dabei vollkommen natürlich, was dazu beiträgt, dass sich diese sehr persönliche Mischung aus Genre- und Stilelementen zu einem wirklich grandiosen Ganzen zusammenfügt, an dem es kaum etwas zu mäkeln gibt.

Connor JessupAuch das Ende des Films trägt dazu bei, dass „Closet Monster“ trotz seiner surrealistischen Elemente so lebensecht wirkt. Denn Dunn widersteht der Versuchung, der Geschichte ein märchenhaft perfektes Finale zu verpassen, wie man es aus Hollywood kennt. Natürlich steht die Überwindung von Oscars Trauma im Mittelpunkt des Films und er muss sich selbst und seinen Eltern gegenüber eingestehen, dass er schwul ist. Aber er muss eben auch feststellen, dass sich vieles im Leben nicht planen lässt. Vor allem aber muss Oscar seinen eigenen Weg gehen und eigene Entscheidungen treffen.

Nach diesem beeindruckenden Debüt darf man auch auf den weiteren Weg von Stephen Dunn gespannt sein. Auf dem Filmfest München erzählte er im Juni bereits von den Plänen für seinen zweiten Spielfilm, der erneut in seiner kanadischen Heimat spielen wird. Mit „Closet Monster“ hat er sein Können jedenfalls bereits eindrucksvoll bewiesen und ein stilistisch hochinteressantes Debütwerk vorgelegt.

Bilder: Copyright

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