Der Dokumentarfilm “Charlotte Rampling – The Look” bietet mehr als nur einen Blick in den wohl kühlsten Schlafzimmerblick der Welt: Die deutsche Regisseurin Angelina Maccarone macht die Schauspielerin Rampling, die so oft das „Objekt der Begierde“ war, zum Subjekt, indem sie diese Gespräche mit Freunden oder Weggefährten (u. a. Peter Lindbergh und Paul Auster) zu Themen wie Liebe, Tod oder Tabus führen lässt. Untertitelt als „Ein Selbstporträt durch andere“ ist „The Look“ wunderschön anzuschauen, witzig, intelligent und berührend zugleich. Der Blick Ramplings auf andere wird zum Blick zurück auf sie und offenbart bisher verborgene Facetten einer eigentlich weltbekannten Frau.
Dazwischen werden Szenen ihrer berühmtesten Filme gezeigt. Rampling (65, derzeitig zu sehen in Lars von Triers „Melancholia“ ) wählte in ihrer jahrzehntelangen Karriere den Europäischen Film statt den Glamour Hollywoods, da es in Europa ungewöhnlichere und stärkere Frauenbilder im Film gab. Nach ihrem Spiel in Viscontis „Die Verdammten“ (1969) suchte sie sich immer wieder kontroverse und auch verstörende Rollen. Besonders ihre Rolle als Ex-KZ-Insassin, die eine sadomasochistische Beziehung mit ihrem ehemaligen Peiniger anfängt in Liliana Cavanis „The Night Porter“ (1974), wurde kontrovers diskutiert und führte sogar dazu, dass die berühmte Filmkritikerin des „New Yorker“, Pauline Kael, sie danach nicht nur als Schauspielerin, sondern sogar als Person verdammte, wie Rampling in „The Look“ sagt. Da dieser Film ein Geschenk des Produzenten Michael Trabitzsch an Charlotte Rampling war, hatte diese untypischerweise bis zum Ende ein Vetorecht, mit dem dieser Film einfach wieder vernichtet worden wäre, hätte er ihr nicht gefallen.
Für Maccarone, die bisher nur Spielfilme gemacht hatte, war dies eine schwierige Erfahrung: Sie konnte erst durchatmen, als die Schauspielerin nach vielen Verzögerungen endlich das finale Werk komplett gesehen hatte und sich darin passend wiedergegeben fand. In dieser Dokumentation spricht Rampling zwar mehr über das Schauspiel und was es in ihrem Leben bedeutete als über biographische Stationen ihres Lebens, doch bestand für diesen Film auch keine Notwendigkeit, über ihre Männerbeziehungen und Co. zu sprechen, die die Klatschpresse lange beschäftigten. Stattdessen diskutiert Charlotte Rampling das Thema „Exposure“, das Ausgesetztsein, mit Peter Lindbergh, lässt sich von diesem fotografieren und dreht den Spieß plötzlich einfach um. Es ist faszinierend, hier zu sehen, wie kamerascheu einer der berühmtesten Fotografen der Welt plötzlich sein kann. Auch die Falten in ihrem Gesicht sprechen die beiden an und Rampling zählt auf, was man an ihrem Gesicht chirurgisch optimieren könnte – unter anderem ihre Schlupflider. Lindbergh erwidert: „Du willst dir den berühmtesten Blick der Welt wegoperieren lassen?“.
Über das Altern spricht sie mit dem Schriftsteller Paul Auster auf seinem Hausboot in Brooklyn, über Tabus hingegen mit dem deutschen Künstler Jürgen Teller, der sie und sich nackt fotografierte für die Serie „Louis XV“ (2004). Die Posen waren provokant: In einer Einstellung sieht man hier das Foto, in welchem Rampling am Flügel sitzt, Teller nackt auf dem Rücken liegt und seinen Po dem Publikum hinstreckt. Die sich der Kamera hier entspannt hingebende Charlotte Rampling war übrigens auch die erste Person, von der Helmut Newton jemals Aktbilder anfertigte.
Das Kapitel „Resonance“ ist hervorzuheben, da sich hier ein Regisseur, Charlottes Sohn Barnaby Southcombe, und seine Darstellerin - und gleichzeitig Mutter - in einem Boxring gegenübersitzen und nach der Sanford-Meisner-Methode („Acting is Reacting“) repetitiv Sätze an den Kopf werfen, um damit Emotionen hervorzurufen und sich so der Rolle im Werk zu nähern. Wie viel gespielt und wie viel echt ist in diesem Moment, das wird zusätzlich gebrochen durch den Spiegel, in dem man auch noch Maccarones Hamburger Kameramann Bernd Meiners sieht.
Maccarone zeigt Rampling an ganz alltäglichen Orten, im Schwimmbad, beim Kickern mit ihrer Szenenbildnerin Franckie Diago („In den Süden“) und beim Spazieren im Park. Hier kommt es zu einer wunderbaren Szene: ein paar ältere Männer sitzen im Park und erkennen sie. Als sie gehen will, ruft einer hinterher, er hätte gern einen Kuss. Rampling geht zu ihm und drückt ihm einen Kuss voll auf den Mund. Ihm entfährt nur ein „Oh la la!“. Das gleiche will man nach Betrachten dieser gelungenen Dokumentation ebenfalls sagen. Bei „The Look“ handelt es sich übrigens nicht um die erste schöne Dokumentation über Rampling: 2009 drehte der mit ihr befreundete britische Regisseur Jack Bond „Waiting for Charlotte“, eine charmante Tagestour durch Paris, im Zwiegespräch mal zu Fuß, mal in Ramplings Mini Cooper unterwegs. Themen und Orte wurden leicht chaotisch gewechselt, doch gleichzeitig wurde wunderbar über Film und ihre Person gesprochen. Auf die Frage, welche Filme Charlotte Rampling mit auf eine einsame Insel mitnehmen würde, antwortete diese übrigens mit: „Tod in Venedig“, „Citizen Kane“, „Apocalypse Now“, „Die Kinder des Olymp“ (1945, Marcel Carné) und Ozons „Sous le sable“, in dem sie selbst mitspielte.
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