Nun also Hollywood. Nachdem Tom Tykwer, der sich mit seinem Geniestreich "Lola rennt" in der ganzen Welt einen Namen gemacht hat, vor gut zwei Jahren mit "Das Parfüm" bereits die teuerste Produktion der europäischen Filmgeschichte inszenieren durfte, nahm er nun erstmals im Regiestuhl eines großen Hollywood-Streifens platz. Bei solch einem prestigeträchtigen Projekt eines derart namhaften deutschen Regisseurs ließ sich auch die Berlinale-Leitung nicht lumpen, und so wurde "The International" die Ehre zuteil, die Internationalen Filmfestspiele 2009 zu eröffnen - natürlich "außer Konkurrenz", um den kompletten PR-Bonus mitnehmen zu können und noch während des laufenden Festival-Wettbewerbs bundesweit anzulaufen.
Noch dazu spielt dem Film der bedauerliche historische Zufall in die Hände, so kurz nach Ausbruch der weltweiten Finanzkrise zu starten, denn der namensgebende Bösewicht des Films ist eine Bank. Deren Machenschaften haben mit den tatsächlichen Auslösern der realen Krise zwar wenig zu tun. Trotzdem erweckten die fortwährenden Fragen der Journalisten auf der Berlinale-Pressekonferenz zu diesem speziellen Aspekt den Eindruck, dass "The International" genau deswegen gesteigerte Aufmerksamkeit zuteil wird - trotz der lobenswert beharrlichen Hinweise Tykwers, dass man sich diese Fragen sparen könne, weil sich kein direkter Bezug zwischen Film und Finanzkrise herstellen ließe.
Bleibt die Frage: Hat der Film dieses ganze Bohai überhaupt verdient? Und da bleibt leider nur die Antwort: Nein, eigentlich nicht. Denn als das, was er ist, nämlich ein letztlich ziemlich konventioneller Polit-Thriller, der von Spannung leben möchte, ist "The International" allerhöchstens Mittelmaß.
Der Interpol-Agent Louis Salinger (Clive Owen) ermittelt schon seit Jahren verbissen gegen die zwielichtige "International Bank for Business and Credit" mit Sitz in Luxemburg. Sein neuester, viel versprechender Informant aus der höchsten Ebene des Geldinstituts wird gleich zu Beginn des Films aber leider vor Salingers Augen umgebracht - übrigens am Berliner Hauptbahnhof. Einigermaßen frustriert und angeschlagen bleibt Salinger aber dennoch am Ball und kommt damit dem Vorsitzenden der Bank, Jonas Skarssen (der dänische "Dogma"-Veteran Ulrich Thomsen) in die Quere. Der möchte eigentlich ungestört einen höchst lukrativen Waffendeal in die Wege leiten, der den nächsten afrikanischen Bürgerkrieg auslösen und der Bank einen einflussreichen Schuldner einbringen soll. Und so schrecken Skarssen und sein mysteriöser Handlanger Wilhelm Wexler (Armin Müller-Stahl) auch nicht vor dem einen oder anderen weiteren Mord zurück, um Salinger von seiner Fährte abzubringen.
Naomi Watts spielt in diesem Film übrigens auch mit (als Salingers Ermittlungs-Partnerin von der amerikanischen Staatsanwaltschaft). Man fragt sich allerdings ein bisschen, wieso. Nachdem gleich zu Beginn klar gestellt wird, dass ihre Figur eine glücklich verheiratete Mutter ist und ergo die Möglichkeit eines kleinen Liebes-Subplots zwischen den Hauptfiguren wegfällt, folgt sie Salinger im Folgenden mit der bloßen Funktion eines Dialogpartners zu seinen weiteren Stationen in Mailand und New York, ist in der größten Actionsequenz des Films nicht einmal anwesend, und verschwindet noch vor dem großen Finale in Istanbul komplett aus der Handlung. Nicht nur wird hier eine eigentlich großartige Schauspielerin in einer komplett hohlen Rolle verheizt, der ganze Charakter ist in seiner miserablen Einbindung in die Story eigentlich nichts anderes als ein Armutszeugnis.
Ähnlich unverzeihlich ist die konturlose Hauptfigur Salinger, über den der Zuschauer jenseits seines beruflichen Umfelds absolut nichts erfährt. Ein Mensch ohne Privatleben, und damit irgendwie auch ohne echte Eigenschaften oder Sympathiewerte. "The International" leistet sich noch zahlreiche weitere, kleinere Schnitzer beim kleinen Ein-mal-Eins des anständigen Drehbuchs. Da wird zum Beispiel ausführlich die trickreiche Manipulation der Spuren eines Attentats durch einen korrupten Polizisten gezeigt, und dann sieht man weder den Polizisten nochmal wieder, noch erzielt dessen Manipulation irgendeine Story-relevante Wirkung. So entsteht eine ziemlich holprige Erzählung, die in ihren Details unausgegoren wirkt und darum auch nie so richtig packen kann.
Das gelingt dem ganzen Film ohnehin leider nicht. Obwohl er schnurstracks ins Prozedere springt und keine Zeit mit einem ausführlichen Setup verschwendet, will "The International" nie so recht in Gang kommen, die Spannungskurve gleicht eher einer harmlosen Welle im unteren Frequenzbereich. Das mag auch daran liegen, dass sich das "Böse" in diesem Film schrecklich theoretisch anfühlt. Die Banker sitzen in ihren unfassbar teuren Büros und reden über die schlimmen Dinge, die sie tun - aber die bestehen ihrerseits eigentlich nur aus geheimen Treffen mit den Spitzen des organisierten Verbrechens und dem einen oder anderen Warlord, sowie dem virtuellen Verschieben von Geldbeträgen. Für einen actionreichen Thriller mit visuellen Schauwerten taugt das leider gar nicht, und so versucht sich "The International" mit der Jagd auf einen Auftragskiller aus der Affäre zu ziehen, die den Großteil des Plots beherrscht.
Das fühlt sich aber für die großen Verschwörungsthemen des Films vergleichsweise klein an und erweckt auch durchweg den Eindruck, dass "The International" nicht so richtig weiß, wo er eigentlich hin will. Nachdem man dann 100 Minuten diesem überraschungsarmen Katz-und-Maus-Spiel gefolgt ist, kommt der Film dann doch noch bei einer handlungstragenden Frage an und konfrontiert seinen Helden mit dem Konflikt, ob er bereit ist, selbst das Gesetz zu verletzen, um Bösewichtern beizukommen, denen mit legalen Mitteln nicht beizukommen ist. Aber so richtig beantworten muss er die dann auch nicht.
Trotz dieser unverkennbaren Mängel muss man "The International" trotzdem zu Gute halten, dass er handwerklich sehr gut gemacht ist. Von daher trifft Tom Tykwer (der hier schließlich nur Auftragsregisseur war) noch relativ wenig Schuld am unausgegorenen Endergebnis. In Zusammenarbeit mit seinem Stamm-Kameramann Frank Griebe findet er auch hier zu vielen eleganten und ästhetischen Bildern, besonders bei den mit viel Aufwand gemachten Luftaufnahmen der internationalen Handlungsorte. Und auch die bereits angesprochene zentrale Actionsequenz ist ein echtes Highlight: Eine heftige Schießerei im New Yorker Guggenheim-Museum (bzw. einer exakten Studionachbildung des architektonisch einzigartigen Interieurs des Gebäudes), da darf man als Cineast schon mal mit der Zunge schnalzen - eine geniale Set-Idee für eine Actionsequenz, bei deren visueller Ausreizung Tykwer und Griebe zu Hochform auflaufen.
Ansprechend aussehen tut's also schon, was sich da 118 Minuten lang auf der Leinwand abspielt. Unter der schönen Oberfläche bleibt's aber trotzdem nur ein dramaturgisch schwacher und drum ziemlich unspannender Polit-Thriller, der mit seinem Start-Brimborium leider nur die immer länger werdende Tradition der schwachen Berlinale-Eröffnungsfilme fortgesetzt hat.
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