Funke, die Vierte: Nach "Herr der Diebe", dem ersten "Die wilden Hühner"-Film und dem kürzlich erschienenen "Hände weg von Mississippi" kommt mit dieser Fortsetzung schon die vierte Verfilmung der höchst erfolgreichen Kinderbuch-Autorin heraus. Dass es, zumindest aus deutschen Landen, womöglich vorerst die letzte ist, liegt dabei einzig an der Knappheit weiterer Stoffe (die Filmrechte für Funkes "Tintenherz"-Reihe hat sich bereits Hollywood geschnappt) und sicher nicht an der qualitativen Umsetzung. Denn abgesehen vom etwas lahmen "Herr der Diebe" ist auch dieser Funke-Film wieder ein unaufgeregter, herzerwärmender und einfühlsamer Spaß für Klein und Groß geworden.
Nach dem Erfolg des ersten Films um die Mädchen-Bande der "wilden Hühner" (1,2 Millionen Kinobesucher und massig DVD-Verkäufe) machte man sich im Handumdrehen an eine Fortsetzung. Eile war allerdings auch geboten, läuft man bei Ensemble-Filmen mit Kinder-Besetzung doch große Gefahr, dass die Protagonisten ihren Rollen allzu schnell entwachsen (siehe die wahrlich wachsenden Probleme der "Harry Potter"-Reihe). So verbrachten die Mädels der Hühner-Bande und ihre ehemaligen Erzfeinde von der Jungen-Gang der "Pygmäen" zum zweiten Mal hintereinander die Sommerferien am Filmset - für eine Geschichte, die wiederum ihrerseits die Schwierigkeiten thematisiert, mit dem Größer werden und allem, was es mit sich bringt, Schritt zu halten.
Wie der Titel schon unmissverständlich verrät, hat bei den circa 13-jährigen Hühnern das emotionale Wirrwarr der Pubertät voll zugeschlagen, und so muss Sprotte (Michelle von Treuberg) zu Beginn des Films auch ziemlich hastig für die Zuschauer die jüngsten Ereignisse zusammenfassen, um das Publikum auf den nötigen Stand für die Filmhandlung zu bringen. Während Ober-Huhn Sprotte nämlich noch immer glücklich liiert ist mit Pygmäen-Boss Fred (Jeremy Mockbridge), hofft Frieda (Lucie Hollmann) jedes Wochenende auf Besuch ihres Reiterferien-Freundes, himmelt die mollige Trude (Zsa Zsa Inci Bürkle) einen Schönling aus der Nachbarklasse an und muss die frühreife Melanie (Paula Riemann) damit klar kommen, dass sie "Pygmäe" Willi (Vincent Redetzki) für eine Ältere hat sitzen lassen, weshalb sich Melanie allzu leicht anderen Jungs an den Hals schmeißt.
Das ist ja schon mal eine Menge Gefühlstrubel, doch während Lehrerin Frau Rose (Jessica Schwarz) mit den Kindern eine Aufführung von Shakespeares "Sommernachtstraum" vorbereitet, kommen die wahren Probleme erst ins Rollen: Denn Sprotte muss zunächst mit ansehen, wie ihre Mutter (Veronica Ferres) drauf und dran ist, den langweiligen Fahrlehrer Torben (Oliver Stokowski) zu heiraten - als auf einmal Sprottes biologischer Erzeuger (Thomas Kretschmann) vor der Tür steht, der Frau und Kind einst im Stich gelassen hatte. Während Sprotte sich konsequent dagegen zu sperren versucht, sich überhaupt mit ihrem leiblichen Vater auseinander zu setzen, wird die Mädchen-Clique alsbald auf eine Zerreißprobe gestellt durch die erste große Liebe des fünften "wilden Huhns" Wilma (Jette Hering) - denn die ist blond, wunderschön und heißt Leonie.
Diese Thematisierung von Homosexualität in doch noch ziemlich jungen Jahren dürfte einen Gutteil des erwachsenen Publikums überraschen und vielleicht auch kurzzeitig irritieren, das verfliegt jedoch schnell, da die Filmcrew um Regisseurin Vivian Naefe auch in diesem Belang ruhig und gewissenhaft vorgeht und den Fokus auf den Figuren hält, anstatt die Geschichte durch künstlich generierte Aufregung zu beschleunigen. Nach dem rasanten Einstieg geht es im Folgenden - trotz zahlreicher Protagonisten und Nebenhandlungen - nämlich durchaus gemächlicher zu, wie schon im ersten Teil nehmen sich Naefe und ihre Co-Autorinnen Uschi Reich und Marie Graf Zeit, um ihre thematische Bandbreite sensibel aufzubereiten und die Unsicherheit ihrer frühpubertären Hauptfiguren konsequent ernst zu nehmen.
Das jüngere Kinopublikum ist entsprechend schon von Beginn an von der Handlung gefangen und verfolgt mit atemloser Begeisterung das Geschehen auf der Leinwand, während ihre großen Begleiter nach nicht allzu langer Zeit auch kaum anders können, als dem sympathischen Charme des Films zu erliegen und sich mit sanfter Nostalgie in eine Funke-typische Jugendzeit zurück zu träumen - eine Jugend, die vielleicht etwas harmloser und betulicher dargestellt wird, als sie tatsächlich ist oder jemals war, die zwischen Baumhaus- und Hühnerstall-Romantik aber die Realität so weit hereinlässt, dass man ihre Geschichten wirklich glauben kann und mag.
Das liegt eben auch an der wirklichkeitsgetreuen Portraitierung der Kinderseelen, die sich hier einen Teil ihrer Unbeschwertheit erhalten wollen, doch unweigerlich (und leicht überfordert) von den Problemen überrannt werden, die das Älter werden so mit sich bringt. Einige preschen dabei zu schnell vor, wie Melanie, die sich mit zuviel Schminke, älteren Jungs und nervigem Rumgezicke (da erinnert Paula Riemann wirklich sehr an ihre Mutter…) schnell ins Abseits manövriert, andere wie Trude beharren stur auf den einfachen Kinderzeiten, während das Leben und die Pubertät die Welt um sie herum gnadenlos umwälzt.
Dass am Ende vieles, aber eben nicht alles wirklich gelöst ist, spricht wiederum für die Filmemacher, ihr junges Publikum nicht mit pseudo-simplen Lösungen zu verschaukeln, sondern ernsthaft darauf hin zu weisen, dass das Leben weiter geht, und man halt einfach nicht wissen kann, wie. Ob es trotz Fortsetzungs-Potential der Geschichte noch einen "Hühner"-Film geben wird, ist übrigens leider eher unwahrscheinlich: Allein die Darsteller-Riege noch einmal für einen Dreh-Sommer zusammen zukriegen, könnte schwierig werden, und nach Aussage von Drehbuch-Autorin Uschi Reich geben die Funke-Bücher allein keinen dritten Film mehr her. Aber vielleicht ist das auch gut so, die wilden Hühner an diesem Punkt zu verlassen - auf ewig fast, aber eben noch nicht ganz zu alt für Baumhaus und Wohnwagen.
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