Nach
"Sommer vorm Balkon"
stellt "Whisky mit Wodka" die zweite Zusammenarbeit des
Regisseurs Andreas Dresen mit dem erfolgreichen Drehbuchschreiber
Wolfgang Kohlhaase dar. Außerdem ist der Film für Dresen,
nach seinem hoch erfolgreichen Low-Budget-Projekt "Wolke
9" (der für seine Verhältnisse unglaubliche 500.000
Zuschauer in die Kinos lockte) die Rückkehr zum Erzählen
in Cinemascope. Da trifft es sich gut, dass "Whisky mit Wodka"
ein Film über das Filmemachen selbst geworden ist.
Im Zentrum steht der langsam alternde, dafür aber umso stärker
trinkende Schauspieler Otto Kullberg (Henry Hübchen), der mit
seinen zahlreichen Aussetzern und Eskapaden die Dreharbeiten für
den neuen Film des ehrgeizigen Regisseurs Martin Telleck (Sylvester
Groth) an den Rand des Scheiterns bringt. Kurzerhand beschließt
der Produktionsleiter Herbert (Peter Kurth), dass man Kullberg unter
Druck setzen muss, indem man ihm einen jüngeren Schauspieler
als Zweitbesetzung vor die Nase setzt und ihm damit droht, dass
der Neue im Zweifelsfall die Rollen spielen wird. Denn den alternden
Schauspielstar - so die Überlegung - packt man am besten bei
seinem Stolz. Doch auch die Zweitbesetzung, Arno (Markus Hering),
beschwert sich schon bald über seine Rolle als Mittel zum Zweck,
was die Dreharbeiten auf Rügen zu einer immer größeren
Belastungsprobe für den Regisseur, seine Geldgeber und das
ganze Team werden lässt.
Filme
übers Filmemachen haben eine gewisse Tradition, und betrachtet
man Meisterwerke wie Truffauts "Amerikanische Nacht",
Fellinis "8 1/2", Godards "Die Verachtung",
Altmans "The Player" oder auch Vincete Minellis "Stadt
der Illusion", so ist man gewillt festzustellen, dass sich
dieses Sujet hervorragend als Filmstoff eignet. Tatsächlich
schafft es Dresen in der ersten halben Stunde, durch den schnellen
und fließenden Wechsel zwischen Dreharbeiten und den Film-im-Film-Aufnahmen
eine gehörige Portion Witz zu erzeugen. Darin unterstützt
ihn ein hervorragendes Darstellerensemble. Henry Hübchen verkörpert
den alternden Darsteller Otto Kullberg mit einer seligen Mischung
aus widerlicher Eleganz und hingebungsvoller Nonchalance. Daneben
glänzt in wesentlich leiseren und kühleren Tönen
Corinna Harfouch, die die weibliche Hauptrolle neben Kullberg spielen
soll, gleichzeitig aber vor ihrem Ehemann, dem Regisseur Telleck,
zu verbergen versucht, dass sie vor vielen Jahren eine Liebesbeziehung
mit ihrem Co-Star hatte. Doch über ihnen allen thront Sylvester
Groth als ständig angespannter, cholerischer Regisseur, dessen
wütender Schrei: "Ich bin doch kein Eimer, in den jeder
reinscheißt", durchaus das Zeug zum Filmzitat des Jahres
hat.
Es
sind daher alle Elemente versammelt, die Andreas Dresen-Filme bisher
auszeichneten. Jedoch muss man mit einer gewissen Enttäuschung
feststellen, dass man nach der Vorführung von "Whisky
mit Wodka" mit einem gewissen Gefühl der Leere das Kino
verlässt. Hier fehlt irgendetwas. Es hat wohl etwas damit zu
tun, dass Dresen die tolle Fähigkeit besitzt, Figuren - egal
wie überzeichnet oder irreal sie manchmal erscheinen - dem
Zuschauer nahe zu bringen. Man entwickelt eine gewisse Fürsorge
für diese Charaktere und ihre Lebensumstände. Diese Nähe
macht den besonderen Reiz vieler seiner Filme aus. In "Whisky
mit Wodka" muss man nun bestürzt feststellen, dass man
diese Nähe zu diesen Figuren nicht entwickeln kann. Die Schicksalsschläge,
die die Charaktere ereilen, die Sorgen und Beziehungsgeflechte,
die der Film um sie herum baut, wirken so unecht und falsch wie
der Trailerpark des Filmteams, der am Ostseestrand einen hässlichen
Fremdkörper darstellt.
Man
fühlt sich zwangsläufig an den zweiten Kinofilm dieses
Jahres erinnert, der das Motiv der Dreharbeiten für einen Film
als Kulisse für seine Geschichte nahm. In Pedro Almodovars
"Zerissene Umarmungen" ist das Kino Leidenschaft und Lebenselixier
in einem. Seine Figuren scheinen nur durch und mit dem Film leben
zu können. Bei Dresen wirkt der Film als Element eher lästig.
Fast erscheint die emotionale Gleichgültigkeit, mit der man
den Geschehnissen auf der Leinwand begegnet, gewollt. Vielleicht
will "Whisky mit Wodka" uns das Umfeld des Filmemachens
als ein eiskaltes Ökosystem präsentieren, in dem man nur
auf Zuruf seine Gefühle und Emotionen abrufen kann und im wahren
Leben bei den einfachsten Kommunikationswegen versagt. Vielleicht
lässt der finanzielle Druck, am Ende einer Deadline ein fertiges
Produkt abliefern zu müssen, keinen Platz mehr für die
abgrundtiefe Liebe zum Medium.
Doch dann kann man sich berechtigt fragen: Wieso tun sich alle diesen
Stress, diese unwürdige Behandlung eigentlich an? Frank Capra
sagte einmal: "Film is a disease. When it infects your bloodstream,
it takes over as the number one hormone; it bosses the enzymes.
As with heroin, the antidote to film is more film." Dresens
neuem Film ist diese Auffassung traurigerweise fremd. Der Blick
aufs Kino, als kapitalistisches Wirtschaftssystem, mag in "Whisky
mit Wodka" zwar beabsichtigt sein, doch überzeugen kann
er nicht.
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