Er
führt ein armseliges Leben und hält sich selbst für
den größten Loser der Welt. Wesley Gibson (James McAvoy)
fehlt jedoch bedauerlicherweise jeglicher Antrieb an seinem erbärmlichen
Dasein etwas zu ändern. Weder muckt er gegen die fiese Chefin
in seinem öden Bürojob auf, noch reagiert er, als es sein
bester Freund mit seiner Freundin treibt. Bis plötzlich eines
Tages das Rasseweib Fox (Angelina Jolie) in sein Leben tritt, ihn
auf spektakuläre Weise vor einem Attentäter rettet und
ihm schließlich die "Bruderschaft" präsentiert,
einen Geheimbund von Auftragskillern, der von dem imposanten Sloan
(Morgan Freeman) geleitet wird. Auch Wesley soll nun dieser Gruppe
besonders talentierter Menschen beitreten, denn sein Vater, den
er nie kennen gelernt hat, war angeblich der beste Killer der Welt.
Doch der ist jetzt tot, ermordet von einem Abtrünnigen der
Bruderschaft, Wesley soll sich ausbilden lassen um dann den Verräter
zur Strecke zu bringen. Und nach anfänglichen Schwierigkeiten
findet der bisher so schüchterne und wenig selbstbewusste junge
Mann doch sehr schnell Gefallen an seinem neuen, aufregenden Leben.
Bei "Wanted" handelt es sich zwar mal wieder um eine
Comicverfilmung, aber um eine recht Ungewöhnliche. Denn obwohl
es in der Vorlage auch um den bekannten Kampf zwischen Superschurken
und Superhelden geht, verlieh Autor Mark Millar seiner sechsteiligen
Miniserie doch einen besonderen Dreh. In seiner Welt haben die Schurken
schon vor Jahren endgültig gesiegt und manipulieren die Menschheit
ganz nach ihren Wünschen. Ohne Rücksicht
und ohne Angst vor Verfolgung haben zu müssen, morden, vergewaltigen
und plündern sie sich durch die Gegend. "Wanted"
war eine eher kleine Independent-Veröffentlichung, frech und
brutal sowie völlig unbelastet von der langen Chronologie,
welche die vielen Marvel- und DC-Figuren seit Jahrzehnten wie einen
Rucksack mit sich herumschleppen.
Das Konzept schien einigen Entscheidern in Hollywood dabei derart
interessant, dass sie sich bereits die Filmrechte sicherten, als
erst ein knappes Drittel der Story überhaupt veröffentlicht
war. Das Ergebnis ist entsprechend: Nachdem sich Comicoriginal und
Filmadaption eine gute halbe Stunde lang derart ähneln, dass
viele Szenen und Dialoge fast wörtlich wieder zu finden sind,
schlägt der Film anschließend eine komplett andere Richtung
ein und hat im weiteren Verlauf mit seiner Vorlage praktisch Nichts
mehr zu tun (erst bei der Schlussansprache ans Publikum trifft man
sich doch nochmal kurz wieder). Auf Seite der Produzenten hatte
man offenbar wenig Lust auf eine weitere Superheldenmär und
entschied sich stattdessen für reines Actionfutter, welches
nur noch andeutungsweise mit übernatürlichen Elementen
arbeitet. Und es kann auch nicht wirklich überraschen, dass
es eine ausschließlich aus Exkrementen bestehende Comicfigur
mit dem hübschen Namen "Shithead" dabei dann letztendlich
nicht auf die Leinwand einer Mainstreamproduktion geschafft hat.
Als Actionfilm ist "Wanted" dafür aber nun eine
echte Granate geworden. Und das liegt sicher in erster Linie an
dem Mann, dem man hier die Regie übergeben und auch ansonsten
anscheinend recht viel Vertrauen geschenkt hat. Tibur Bekmambetov
heißt der und zeichnet für
die bisher weltweit erfolgreichsten russischen Filme der Neuzeit
verantwortlich. Zwar hatte mit seinen Romanadaptionen "Wächter
der Nacht" und "Wächter des Tages" mancher
Zuschauer westlicher Prägung noch so seine Probleme, aber die
bezogen sich meist auf die etwas unausgegorene und wirre inhaltliche
Seite. Rein visuell waren diese Werke bereits ziemlich beeindruckend
und qualifizierten ihren hauptverantwortlichen Macher schnell für
Hollywood.
Dass geht ja allgemein heutzutage recht schnell, aber während
man in den letzten Jahren bei nahezu allen deutschen oder auch skandinavischen
Importen auf dem Regiestuhl einen eklatanten Verlust des eigenen
Stils zu beklagen hatte (für den sie doch eigentlich mal geholt
worden waren) ist das bei Bekmambetov erfreulicherweise nicht der
Fall. Den ließ man nicht nur in Prag drehen sondern sogar
seine eigene Moskauer Effektschmiede benutzen, deren hier nun zu
bewundernde Ergebnisse schlichtweg beeindruckend sind. Wer nämlich
glaubte, Jahre nach John Woo und der "Matrix" gäbe
es keine originellen Kameraeinfälle mehr, der sollte hier mal
bitte kurz reinschauen. Immer wieder baut der anscheinend hochmotivierte
Filmemacher kleine optische Spielereien ein, lässt z.B. die
umher fliegenden Buchstaben einer als Keule benutzten PC-Tastatur
die Worte "Fuck You" formen oder einen Zug auf derart
spektakuläre Weise entgleisen, wie man es noch nicht gesehen
hat. Das alles wohlgemerkt ohne dass man es auf den ersten Blick
als offensichtliche CGI-Animation erkennt, wie es sonst ja leider
allzu oft der Fall ist. Lediglich den Spaß mit den kollidierenden
Kugeln wiederholt man dabei ein paar Mal zu viel.
"Spaß"? Ja, denn nichts anderes als ein überzogener
Cartoon ist das Ganze natürlich und den sollte bitte niemand
ernst nehmen, der an "Wanted" Vergnügen finden möchte.
Andernfalls müsste man
nämlich über die hier präsentierte Lösung der
Frage "Wie mache ich mehr aus meinem Leben" ernsthaft
moralisch nachdenken. Obwohl die sogar schon ein ganzes Stückchen
abgemildert wurde im Vergleich zur Vorlage, bei der sämtliche
Hauptpersonen völlig hemmungslos rein zum Vergnügen und
zur persönlichen Befriedigung morden. Das geht natürlich
nicht in einer ansonsten allerdings reichlich brutalen und bluthaltigen
amerikanischen Großproduktion, und so stülpt man dem
Treiben der "Bruderschaft" ein mystisch angehauchtes Deckmäntelchen
über, welches deren Taten quasi im Sinne einer "höheren
Ordnung" legitimiert. Überhaupt ist der komplett neue
Handlungsbogen, dem die Filmversion schließlich folgt, der
größte Schwachpunkt des Gesamtwerks, da er trotz eines
großen Twists kurz vor Schluss nicht so recht zu überzeugen
und zu fesseln vermag.
Ansonsten
hat man aber alles richtig gemacht, auch in Sachen Besetzung, denn
hier passt das Casting wirklich mal wie die berühmte Faust
aufs Auge. Morgan Freeman als genauso undurchsichtige wie gelegentlich
warmherzige Führungskraft? Spielt der im Schlaf und trotzdem
immer klasse. Und wohl kaum jemand dürfte Angelina Jolie in
der Rolle eines knallharten Flintenweibs für eine eklatante
Fehlbesetzung halten. Auch der aus Dramen wie "Abbitte"
oder dem "letzten König
von Schottland" bekannte James McAvoy ist hier - trotz
schmächtiger Figur und eher unterdurchschnittlichen Attributen
als klassischer Actionheld - absolut passend eingesetzt, denn nur
mit diesem Schachzug kann man schließlich die Wandlung seiner
Figur überhaupt glaubhaft machen.
Und so ist also der etwas überraschende Erfolg des Films (über
130 Millionen Dollar US-Boxoffice) durchaus verdient, nicht zuletzt
weil man hier einem begabten Regisseur die Möglichkeit gegeben
hat, einem für seine Fähigkeiten maßgeschneiderten
Projekt den ganz eigenen Stempel aufzudrücken.
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