Es wäre nicht verwunderlich, wenn die der Öffentlichkeit
unbekannte Person, die beim Hamburger Carlsen-Verlag für die
Programmauswahl zuständig ist mittlerweile ein "König
Midas"-Namensschild an die Bürotür genagelt bekommen
hätte. Denn wem gleich zweimal innerhalb weniger Jahre das
Kunststück gelingt, eine Jugendbuchreihe an Land zu ziehen,
die über Monate hinweg mit gleich mehreren
Titeln sämtliche Bestsellerlisten anführt, der scheint
fürwahr ein goldenes Händchen zu besitzen. Allerdings
sollte man die mittlerweile gehäuft auftretenden Vergleiche
zwischen der "Twilight"-Reihe und derjenigen über
den Zauberlehrling Harry Potter dabei wirklich auf den rein kommerziellen
Gesichtspunkt beschränken. Denn literarisch liegen zwischen
den eher flachen und eindimensionalen Werken von Stephanie Meyer
und dem vielschichtigen Schreibstil einer Joanne K. Rowling gleich
mehrere Niveau-Welten, und nicht wenige Leser jenseits der 20 empfinden
das Lesen der Vampir-Schwarten sogar als wahre Tortur.
Aber Millionen begeisterter (vorwiegend natürlich weiblicher
und vor allem jugendlicher) Fans sprechen eine deutliche Sprache,
und so entwickelte sich also die tragisch angehauchte Liebesgeschichte
zwischen der Schülerin Bella und dem Vampir Edward zum neuesten
Medienphänomen in Buch und Film und liefert zusätzlich
diversen bunten Magazinen ausreichend Stoff, ihre Seiten zu füllen.
Und ein Gutes hat die zweifelhafte Qualität der Meyerschen
Prosa dann ja auf jeden Fall: Diesmal haben die Verfilmungen eine
echte Chance, tatsächlich mal besser zu sein als die Vorlage.
Und was mit dem ersten Film noch nicht
so ganz gelang, geht nun mit der Adaption des zweiten Teils der
Saga schon deutlich mehr in diese Richtung.
Bella Swan (Kristen Stewart) hat sich entschieden: Sie möchte
mit ihrer großen Liebe, dem Vampir Edward Cullen (Robert Pattinson)
zusammen sein und wäre dafür sogar bereit, sich selbst
zu so einem Wesen der Nacht machen zu lassen. Doch Edward zögert
nicht nur, er fällt nach einem bedrohlichen Zwischenfall, bei
dem seine Freundin fast dem Blutrausch eines seiner Familienmitglieder
zum Opfer gefallen wäre, eine weitreichende Entscheidung und
verlässt Bella anscheinend für immer. Diese zieht sich
daraufhin, von seelischem Schmerz überwältigt,
immer weiter von ihrer Umwelt zurück und fällt in eine
tiefe Depression. Lediglich die Aktivitäten mit ihrem Jugendfreund
Jacob (Taylor Lautner) muntern sie wieder etwas auf, doch dieser
sieht nicht nur mehr in ihr als eine gute Freundin, er trägt
zudem ebenfalls ein großes Geheimnis mit sich herum
.
Dieses "Geheimnis" wird zwar über mehr als die Hälfte
der Laufzeit des Films als ein solches behandelt, doch sollten im
Grunde schon minimales Kombinationsvermögen und zwei nicht
durchgehend geschlossene Augen ausreichen um zu erkennen, worum
es sich bei dem guten Jake handelt, nämlich um einen Werwolf.
Oops, verraten. Aber wie gesagt: Minimale Beobachtungsgabe und vielleicht
mal kurz daran erinnert, was am Ende des ersten Teils nicht nur
angedeutet, sondern fast schon direkt ausgesprochen wurde, und die
ganze Geheimniskrämerei hat sich erübrigt.
Und da steht er nun, der amerikanische Durchschnittsteenager, gefangen
in einer Liebestriangel mit dem aparten Herrn Vampir auf der einen
und dem lustigen Werwolfs-Bauernjungen auf der anderen Seite. Eine
recht hohe Fabelwesendichte eigentlich für so eine Kleinstadt
im Nirgendwo, aber man kann sich's halt nicht aussuchen. Auch Jacob
hält die Beziehung zu Bella aufgrund der gelegentlichen animalischen
Transformationen seiner Kumpel zwar für latent gefährlich,
möchte aber trotzdem eher nicht drauf verzichten. Die Angebetete
selbst hält sich aber lieber mit Kamikaze-Aktionen wie Motorradfahren
oder Klippenspringen bei Laune, erscheint ihr doch in diesen Momenten
höchster Gefahr stets eine recht reale Vision ihres Edward
vor Augen, der dann erfolglos versucht, seinen Schatz von weiteren
Dummheiten abzuhalten.
Dies ist ein bemerkenswert cleverer Drehbucheinfall, der erfolgreich
dabei hilft die Tatsache ein wenig zu vertuschen, dass Frauenschwarm
Robert Pattinson alias Edward im zweiten Teil der Reihe leider kaum
auftaucht. Ein ärgerlicher Fauxpas, der der Buchautorin da
unterlaufen ist und mit
dem die Filmemacher nun zurechtkommen müssen. Was freilich
zu einem Zeitpunkt geschah, an dem Frau Meyer noch nicht ahnen konnte,
zu welch marketingtechnischen Problemen diese Wendung in der Handlung
einmal führen würde.
Da es nicht nur wieder viele Momente des Schmachtens oder vor sich
hin Trauerns, sondern auch nach wie vor einige unfreiwillig komische
Dialoge zu überstehen gilt, könnte man sich natürlich
noch ein wenig weiter lustig machen über diese keimfreie Romeo
und Julia-Version mit dem Motto "Kein Biss vor der Ehe".
Aber es gilt ehrlicherweise auch zu konstatieren, dass diese schwachen
Szenen in ihrer Anzahl doch deutlich weniger geworden sind und dass
mit Chris Weitz jetzt ein Routinier auf dem Regiestuhl Platz genommen
hat, der allemal sein Handwerk versteht und zuletzt nur das Pech
hatte, dass sein kompetent inszenierter "Goldener Kompass"
schon aufgrund der negativen Propaganda im Vorfeld zu einem kommerziellen
Fehlschlag mutierte.
Etwas mehr Geld stand nach dem großen Erfolg von "Twilight"
natürlich auch zur Verfügung, obwohl sich auch das Budget
von "New Moon" immer noch weit unter dem eines "normalen"
Hollywood-Blockbusters bewegt. In der Folge sind aber sämtliche
Special Effects und Verwandlungsszenen diesmal wesentlich überzeugender
geraten, auch mit den Werwölfen in Bärengröße
gelingen im Verlauf einige wirklich schöne Action- und Kampfszenen.
Jacob-Darsteller Taylor Lautner legte gezwungenermaßen schon
rein körperlich für die Fortsetzung reichlich an Muskelmasse
zu und präsentiert diese nun mehrfach stolz mit nacktem Oberkörper.
Aber auch schauspielerisch ist er mit seiner jetzt wesentlich größeren
Rolle gewachsen, wie man das auch von den anderen jungen Darstellern
sagen kann, die nun erkennbar besser mit ihren Charakteren zurechtkommen,
was vor allem für Kristen Stewart gilt, die zudem auch in fast
jeder Szene zu sehen ist.
Wenn
also in gleich mehreren relevanten Bereichen wie Schauspiel, Regie
und Effekten ein spürbarer Qualitätssprung zu verzeichnen
ist, dann muss man das auch als eher distanzierter Beobachter des
hormongesteuerten Treibens allemal anerkennen. Und wenn dann noch
ein paar wirklich schön eingefangene Augenblicke dazukommen,
wie etwa eine Bella, die traurig aus dem Fenster schaut, während
sich vor ihrem Auge unbeachtet die Jahreszeiten ändern, dann
ist man doch schon fast zufrieden. Obwohl dann selbst diese Szenen
unvermeidlicherweise mit einem neuen melancholischen Popsong unterlegt
werden, so wie es ungefähr alle fünf Minuten der Fall
ist. Das hilft dann aber dem Soundtrack und auch der wird ein sicherer
Hit werden, vielleicht sogar ein so gewaltiger wie es der Film "New
Moon" nach einem alles überragenden US-Startwochenende
jetzt schon ist.
Das "Phänomen" scheint auf dem Höhepunkt und
es wird uns noch eine Weile begleiten, Film Nummer Drei startet
sogar schon in einem guten halben Jahr. Wo man nach Teil Eins aber
noch leicht aufstöhnen und dem Kommenden mit einiger Skepsis
entgegen sehen durfte, ist jetzt Entspannung angesagt, denn so langsam
beginnt das Ganze sogar Spaß zu machen.
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