Nebraska

Originaltitel
Nebraska
Land
Jahr
2013
Laufzeit
115 min
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 6. Januar 2014

Reden wir nicht lang um den heißen Brei herum: "Nebraska" ist der neue Film von Alexander Payne. Und wenn Ihnen, lieber Leser, diese Information nicht genügt, um den Film sehen zu wollen, dann werde ich hier kaum etwas sagen können, um etwas daran zu ändern. Denn auch wenn "Nebraska" ein großartiger Film ist und man über seinen Namen und die seiner Hauptdarsteller in der laufenden Awards-Saison wohl noch einige Male stolpern wird, ist er fast unmöglich zu verkaufen an ein Publikum, das eben nicht gleich losrennt wenn es hört, dass der Regisseur von "About Schmidt", "Sideways" und "The Descendants" einen neuen Film am Start hat. NebraskaMan siehe sich nur mal das Filmplakat an. Nein, "Nebraska" macht es einem wirklich nicht leicht. Er hat keine Stars. Er ist in schwarz/weiß. Und er erzählt die Geschichte eines senilen alten Mannes ohne irgendwelche sentimentalen Schönfärbereien. Man könnte ihn ziemlich deprimierend finden. Wenn er nicht so gut wäre, und hier und da auch richtig komisch.

Der Staat Nebraska markiert ziemlich präzise die geographische Mitte der USA, liegt also genau da, wo dieses Land am leersten und am langweiligsten ist. Unendliches Nichts, gespickt von bedeutungslosen Provinzkäffern, in denen das Leben zum Stillstand gekommen ist. Aus diesem Staat stammt Woody Grant (Bruce Dern), und ihn durchreist der alte Mann gemeinsam mit seinem Sohn David (Will Forte), um einen angeblichen Millionengewinn einzusammeln. Dass es sich bei dieser versprochenen Million aus einer Postwurfsendung um einen billigen Werbetrick zum Verkauf von Zeitschriftenabos handelt, ist zwar offensichtlich, doch ist es David leider unmöglich, es seinem ebenso senilen wie sturen Vater auszureden, zur Adresse des Gewinnspiel-Veranstalters zu reisen - und sei es zu Fuß. Leidlich unfreiwillig macht David sich aus hilfloser Sorge zum Fahrer seines Vaters, und strandet mit ihm auf dem Weg in Woodys verschlafenem Heimatkaff, wo man auf die Verwandtschaft und diverse andere alte Bekannte von Woody und seiner Frau Kate (June Squibb) trifft. Während Woody ob seines angeblich bevorstehenden Reichtums plötzlich zu lokaler Prominenz aufsteigt, macht David nach und nach mit Seiten seiner Eltern Bekanntschaft, die er so noch nicht kannte.  

Nebraska"Nebraska" war einst auch der Titel eines Albums von Bruce Springsteen, auf dem dieser brillante Songschreiber in kargen, quasi auf die nackten musikalischen Knochen reduzierten Balladen über verlorene Existenzen auf der Kehrseite des amerikanischen Traumes sang. "Nebraska" und "Nebraska" haben viel gemein, da sich auch der Film komplett von jeglicher Ausschmückung befreit um etwas zu zeigen, was wirklich wahrhaftig ist. "There's not an ounce of bullshit in it" schrieb Peter Travers vom Rolling Stone über den Film und die Darbietung seines Hauptdarstellers, und bringt es damit absolut auf den Punkt: "Nebraska" beschönigt nichts. Nicht die Ödnis seines Handlungsortes, dessen trostlose Leere er mit seinen grauen Schwarz/Weiß-Bildern (so schön sie auch fotografiert sein mögen) nur noch mehr betont. Nicht die geistige Verfassung seiner Hauptfigur, die Bruce Dern mit bewundernswerter Konsequenz durchweg an der Schwelle zur völligen Demenz porträtiert. Nicht die kommunikative Leere innerhalb einer Familie, die sich ihr ganzes Leben lang nie viel zu sagen hatte und das auch jetzt nicht tut. Und auch nicht die Odyssee nach einem letzten Moment der Würde, um die es hier eigentlich geht, die aber so platt nie ausgesprochen wird. 

Es geht auch um einen Sohn, der seine Eltern erst so richtig kennenzulernen beginnt, als es fast zu spät ist. David wandelt sich im Laufe dieser Reise immer mehr zum verwunderten Beobachter. Dringen doch immer mehr Details aus dem Leben seiner Eltern zu ihm vor, von denen er bis dato keine Ahnung hatte, und die eine leise, traurige Ballade über ein illusionsloses Leben im Nirgendwo des amerikanischen Mittelwestens singen, die Springsteens Album durchaus gut zu Gesicht gestanden hätte. NebraskaNo-Bullshit-"Nebraska" bleibt sich selbst treu, indem er seiner Geschichte nicht das verpasst, was man gängigerweise hier erwarten würde. Keine großen Momente der Erkenntnis. Keine herausgekehrte Katharsis durch die Begegnung mit der eigenen Vergangenheit. Und gerade weil in diesem Film nichts aufgesetzt oder verfälscht wirkt, ist der finale Moment der Würde, den David seinem Vater schließlich ermöglicht, doch noch so berührend. 

Das alles mag jetzt nicht sehr lustig klingen, und "Nebraska" als Komödie zu titulieren (und als solche ist er bei den Golden Globes nominiert) ist auch etwas fragwürdig. Dennoch glänzt der Film auch durch seinen trockenen, lakonischen Humor, und ist stellenweise herrlich komisch, wenn die betagte Mutter Kate zum Beispiel immer wieder davon erzählt, wer ihr in jungen Jahren alles an die Unterwäsche wollte, oder wenn David ein ums andere Mal vergeblich versucht, den Verwandten und Bekannten klar zu machen, dass der angebliche Millionengewinn seines Vaters nicht existiert. 

Also, lieber Leser, seien Sie versichert: "Nebraska" ist ein großartiger, wahrer und weiser Film, in dem es viel zu lachen gibt und einige der besten Schauspielerleistungen dieses Jahres zu bewundern sind. Und ich wette, dass Sie ihn sich trotzdem nicht ansehen werden. Aber er macht es einem eben auch wirklich nicht leicht. 

Bilder: Copyright

Tja. diese Wette haben Sie bereits verloren! Der Film klingt wirklich enorm interessant, zumindest für meine Ohren, und hoffentlich haben Sie damit nicht zu viel versprochen. Ich werde ihn mir jedenfalls definitiv ansehen, egal wie, wann und wo. Diese Entscheidung haben Sie mir mit Ihrer Rezension zumindest sehr leicht gemacht.

Permalink

7
7/10

'Nebraska' erreicht nicht ganz die emotionale Wucht und Genialität eines 'About Schmidt' oder 'The Descendants', die beide zu Tränen rührten. Trotzdem ist der Film echt gelungen und ein waschechter Alexander Payne. Ein leise dahin gleitendes Road-Movie mit sehr guten Schauspielern (vor allem Bruce Dern & Stacy Keach), einem unaufdringlichen Hintergrund-Score und einer überzeugenden Kameraführung. Das Ganze in stilvollem schwarz-weiss gehalten, was die Atmosphäre noch unterstützt. Ein fast schon niedlicher kleiner Film voller schrulliger und schräger Charaktere mit einer echten Message. Anschauen lohnt sich !

Permalink

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.