Der König des B-Films: John Carpenter im Portrait

von Simon Staake / 13. Februar 2010

Auf diesen Seiten wird es Zeit Abbitte zu leisten. Vollkommen zurecht wurde John Varpenter für seine letzten zwei Werke "Vampire" (hier etwas überhart) und "Ghosts of Mars" von der Filmszene abgewatscht. Was recht ist muss recht bleiben und schlechte Filme sind nun mal schlechte Filme. Trotzdem erinnert diese Situation an die von Barry in der Filmversion von "High Fidelity" gestellte Frage, ob man frühere Großmeister wie Stevie Wonder und Elton John für ihre musikalischen Verbrechen der 80er und 90er verabscheuen darf und darüber dann ihre Klassiker der 70er vergisst. Ähnlich verhält es sich auch mit Carpenter.

John Carpenter

Dass die letzten Filme eigentlich durchweg schwach waren versperrt vielleicht den Blick darauf, dass Carpenters Großtaten zu den absoluten Klassikern ihrer Genres wurden und dass zumindest vier seiner Filme (Assault - Anschlag bei Nacht, Halloween, Die Klapperschlange, Das Ding aus einer anderen Welt) eigentlich in die Sammlung jedes ernsthaften Filmfreunds gehören, da man sie ohne größeres Zögern zu den besten Filmen überhaupt zählen kann (wenn man freilich eher verschmähten Genres wie dem Horrorfilm offen gegenübersteht). Besonders in diesen vier Filmen wird deutlich, wie sehr Carpenter auf der einen Seite für ihn charakteristische inhaltliche Merkmale weiterführt und verfeinert, und wie er auf der anderen Seite wichtige neue Impulse setzt.

Carpenter wird am Ende seiner Karriere zurückblicken können und sich über eins am meisten freuen können: Erfolgreich in die Fußstapfen seines erklärten Idols Howard Hawks getreten zu sein. Abgesehen von Carpenters Allzweckinspiration "Rio Bravo" haben Hawks' Filme mit denen Carpenters nichts gemein, die Analogie ist im Schaffen selbst zu sehen. Hawks galt zeitlebens als solider Regiehandwerker und erst nachträglich sah man in ihm im Rahmen der Auteur-Theorie einen Künstler. Als solcher zeichnete er sich aber darüber aus, in nahezu jedem Genre, von Komödie ("Leoparden küsst man nicht") über Film Noir ("Tote schlafen fest") zu Science Fiction ("Das Ding aus einer anderen Welt") Klassiker geschaffen zu haben. Und dieses ist auch Carpenter zuzuschreiben (wenngleich eine wirkliche Komödie noch fehlt). Zudem ist Carpenter als B-Filmer ein Meister darin, auch das schmalste Budget so gut es geht auszukosten. Gleichzeitig ist er durch sein hauptsächlich unabhängiges Schaffen gewöhnt, diverse Funktionen gleichzeitig zu übernehmen. Neben seiner Position als Regisseur ist er zudem oft Produzent, Drehbuchschreiber, Cutter und Komponist. Gerade seine minimalistische Musikuntermalung mit billigem Heimkeyboardcharme kennzeichnet viele Filme als echte "Carpenters". Und mit dem "Halloween"-Thema das zusammen mit John Williams' "Der Weiße Hai"-Fanfare wohl erschreckendste und nervenzerrendste Stück Filmmusik aller Zeiten geschrieben zu haben, ist für den "Zweitjob" Komponist nun wahrlich nicht schlecht. Da wäre wohl auch Papa Howard, klassischer Musiker, stolz gewesen.

John Carpenter

Carpenters Filme haben oftmals dieselben Stärken und dieselben Schwächen und eigentlich immer dasselbe Thema. Sein Schaffen wurde als "Kino der Isolation" beschrieben, andere bemerkten flapsig, der Westernklassiker "Rio Bravo" sei "die Blaupause für Carpenters gesamte Karriere". In der Tat stehen Ein- und Ausgrenzung sowie eine Gruppe von Außenseitern bzw. ein Außenseiter im Zentrum in nahezu allen seinen Filmen. Zumeist entwirft Carpenter tatsächlich an seinen Lieblingsfilm "Rio Bravo" angelehnte Szenarien der Belagerung ("Assault", "The Fog - Nebel des Grauens", "Die Fürsten der Dunkelheit") oder Variationen, indem die Helden starke Außenseiter (und damit restlos isoliert) sind, oder sich die Isolation in Schauplätzen ("Das Ding") oder gesellschaftlichen Klassen ("Sie leben") widerspiegelt.
Stärkste Waffe Carpenters ist dabei sein meisterhafter Spannungsaufbau. Seit Hitchcock gibt es wohl keinen Regisseur, der die Spannungsschraube so simpel und gleichzeitig effektiv anziehen kann wie Carpenter. Während Hitchcock aber den Suspense zum wichtigsten Stilmittel erhob, ist es für Carpenter meist der Schock. Zudem ist er ein Meister im Schaffen von Atmosphäre: für den Zuschauer sind die Gefühle von Angst, Terror, Panik etc. in seinen besten Werken so real, weil er eine so dichte Stimmung kreiert, dass man förmlich in den Film hineingesogen wird.
Andererseits gibt es auch unbestreitbare Schwächen. Und neben vielen schon durchs Material limitierten Stoffen werden auch einige seiner besseren Filme Opfer der Vorlieben des Regisseurs. Carpenter ist ein Geschichtenerzähler alter, klassischer Schule. Didaktische oder politische Subtexte findet man in seinen Filmen selten. Er spielt zwar mit den Möglichkeiten (der am Anfang von "Assault" angedeutete faschistische Polizeistaat oder der am Anfang von "Halloween" implizierte sozialkritische Ansatz, Missachtung führe zu Michael Myers' Bluttat), verwirft aber sozialkritische Elemente für reine Genrestandards ("Halloween") oder gibt schlichtweg gar keine Erklärung bzw. Kommentar ab. Denn, so erklärt Carpenter etwas unreflektiert, "Botschaften jeder Art gibt es in meinen Filmen nicht. Meine Vorstellung von Kino ist die totale Unterhaltung". Ist Carpenter dann mal offensichtlich politisch, wie in "Sie leben", so leidet der Film unter seiner anderen großen Schwäche, dem Hang zum Simplen und zum Plakativen. Seine Vorliebe für Science Fiction-, Grusel- und Fantasy-Stoffe äußert sich eben auch in wenig subtiler Art, wenngleich es für manche Filme wie "Die Mächte des Wahnsinns" schlicht besser gewesen wäre, er hätte nicht mehr genug Budget für ein paar Monster gehabt.

John Carpenter

Bereits mit seinem ersten Film "Dark Star" empfahl sich Carpenter 1974 als Anarcho aus dem B-Filmbereich, dessen Filme Mainstream-Hollywood oftmals wie eine Gräte im Hals stecken bleiben würden, was auch seine spätere, kurze und nicht sehr erfolgreiche Karriere bei den großen Hollywoodstudios erklärt. "Dark Star" - die Langversion von Carpenters Abschlussarbeit an der UCLA - versteht sich als respektlose Antithese gegenüber der verkopften, pseudointellektuellen Stoner-Science Fiction von Stanley Kubrick in "2001: Odysee im Weltraum". Die Geschichte um eine Gruppe Astronauten, die an Bord der Dark Star instabile Planeten mittels intelligenter Bomben aus dem Weg räumen, hat weder mit Kubricks Megametapher noch mit den damals vorherrschenden Betroffenheitsdystopien wie "Soylent Green" oder "Logan's Run" viel gemeinsam, ja versteht sich als subversiver Tritt in den Hintern eines Genres, das nach "2001" zu den Sternen aufbrechen wollte und doch kaum bis außerhalb des Hangars kroch. Die Astronauten hier sehen alle aus wie Penner und am Ende entscheidet sich eine der sprechenden, intelligenten Bomben (Carpenters Gruß an Kubricks "Dr. Seltsam"), die Dark Star gleich mit zu vernichten. Kein großer Verlust. Rabenschwarz ist "Dark Star", und die durch das winzige Budget erklärbaren "Special Effects" wie etwa ein roter Plastikball mit Füßen als Alien kommen der absurden, anarchischen Stimmung eher zu Gute, als das sie stören.
Allerdings war Carpenters Langfilm-Regiedebüt damals kein großer Erfolg, sondern verschwand nahezu ungesehen. Erst über die Jahre hinweg entwickelte er sich zum Kultfilm für Filmstudenten allerorts (das damalige Zielpublikum verschmähte den Film beim Start ebenfalls) und rückblickend gilt "Dark Star" als Signal, dass Carpenter jemand war, mit dem man rechnen sollte.

Dass ihm aber bereits mit dem nächsten Spielfilm "Assault - Anschlag bei Nacht" (Apokalyptischer Alternativtitel: "Das Ende") von 1976 ein absoluter Klassiker gelingen würde, war aus "Dark Star" doch nicht zu erahnen. Eigentlich nur als seine Hommage an "Rio Bravo" gedacht (als sein Pseudonym für den Cutter wählte Carpenter den Namen John T. Chance, John Waynes Rollennamen aus jenem Film), ist "Assault" der Quantensprung in seinem Gesamtwerk, in jeglicher Hinsicht. Wie er in den ersten 45 Minuten drei parallele Handlungsstränge zeitlich genau abstimmt und geschickt montiert und dann zur Belagerungssituation zusammenführt, in deren Verlauf die in einem stillgelegten Polizeirevier zusammengeworfene Gruppe unterschiedlichster Charaktere sich einer übermächtigen und schwerbewaffneten Jugendbande erwehren muss, das ist einfach große inszenatorische Klasse. Auch das von Carpenter mitverfasste Drehbuch zeichnet sich durch präzise Dialoge aus, die mitunter wahre Klassikerqualität aufweisen (so bescheinigte der Spiegel dem Schlussdialog zwischen Polizist Bishop und Knacki Napoleon Wilson "Humphrey Bogart-Qualität" à la "Casablanca"). Insgesamt ist "Assault - Anschlag bei Nacht" zwar ohne höheren Anspruch oder tiefere Bedeutung, aber als filmisches Handwerk mit großartigen Leistungen in allen Bereichen (zu erwähnen ist da vor allem die gute Ensembleleistung der größtenteils unbekannten Darsteller) kaum zu schlagen. Viele halten "Assault" für Carpenters besten Film, eine Meinung, der man nicht unbedingt widersprechen kann.

Carpenter

Jedoch war es sein nächster Kinofilm "Halloween" (1978), der ganz offiziell Klassikerstatus erwarb und Carpenter gleichzeitig etablierte. Mit dem Einspielergebnis von dem mehr als 200-fachen des schmalen 300.000$-Budgets war "Halloween" lange Zeit der erfolgreichste Independentfilm aller Zeiten. Wichtiger war jedoch seine filmhistorische Relevanz als Urmutter aller Slasher-Filme: Die Geschichte um den mystischen und unzerstörbaren Killer Michael Myers, der zwanzig Jahre nach dem Mord an seiner Schwester in seinen Heimatort zurückkommt, um seine Stiefschwester umzubringen, hatte mehrere bedeutsame Ergebnisse. Michael Myers mit seiner Plastikmaske wurde zur Popkulturikone, Donald Pleasance auf die Rolle des fast ebenso manischen Dr. Loomis festgelegt, Jamie Lee Curtis zur über Jahre führenden "Scream Queen". Gleichzeitig legte der Film archetypische Regeln für den Slasher-Film fest, die aus selbstreferenziellen Filmen wie "Scream" inzwischen sattsam bekannt sind, etwa die Regel "Nur Jungfrauen sterben nicht, während Sex und Gewalt zum bald sicheren Tod führen". Dass "Halloween" damit auch die oppressive und ironischerweise sehr puritanische Logik der Slasher-Filme, in der der Killer drogen- und sexgeile Teenager für ihre ‚Vergehen' bestraft, begründet, ist die eine Sache. Aber der schlechte Ruf, der Slasher-Filmen anhängt, kann man nicht auf Carpenters kunstvollen Spannungsfilm zurückführen, da dieser nahezu vollkommen unblutig und im Grunde genommen sehr gemäßigt daherkommt. Erst Sean S. Cunninghams "Freitag der 13." begründete zwei Jahre später die darauffolgenden Exzesse, in denen es wirklich nur noch darum ging, möglichst viele halbnackte Teenies möglichst grausam und blutig abzuschlachten.
"Halloween" ist auch insofern kein typischer Slasher, da er sich sowohl sehr viel Zeit für eine Charakterisierung seiner Figuren nimmt, als auch den Spannungsaufbau konsequent (und damit verhältnismäßig langsam) betreibt. Durch suggestive Kamerafahrten, bei denen die sich ständig bewegende Kamera von Dean Cundy die potentiellen Opfer umkreist, Carpenters bedrohliche Musik aus dem Heimkeyboard und die lange, bedrohliche Präsenz Myers' als kaum gesehener und nicht greifbarer Schatten (nicht umsonst wird die Figur seither "The Shape" genannt) treiben die Spannung auf die Spitze, bevor Myers dann in der zweiten Hälfte des Films überhaupt mit dem Morden loslegt. In "Halloween" nimmt Carpenter wiederum einen relativ schnörkellosen, fast banalen Stoff und wandelt ihn in perfektes Spannungskino um, das durchaus tiefere Betrachtungsweisen zulässt.

John Carpenter

Nach "Halloween" von vielen als Horrorfilmer festgelegt, bekam Carpenter hauptsächlich entsprechende Angebote und drehte schließlich "The Fog - Nebel des Grauens", eine relativ altmodisch anmutende Gruselgeschichte über eine Gruppe ermordeter Seemänner, die im Schutz des titelgebenden Nebels Rache an den Nachfahren ihrer Mörder nehmen. Was bei "Assault" allerdings noch so gut funktionierte, nämlich einzelne Figuren und ihre Erzählstränge als charakterlich gemischte Gruppe in einer Belagerungssituation zusammenzuführen, misslingt hier. Zum einen kommt die Zusammenführung zu spät, zum anderen zerfallen die zum Teil sehr gelungenen Episoden der Erzählstränge in ihre Einzelteile und können dann eben nicht mehr befriedigend verknüpft werden. Trotzdem ist "The Fog" immer noch absolut akzeptables Gruselkino, denn die meisten von Carpenters Schocks verfehlen ihre Wirkung nicht, dafür ist er in diesem Bereich auch einfach zu gut. Aber er muss sich den Vorwurf gefallen lassen, aus seinem Stoff ein bisschen wenig gemacht zu haben. Die bedrohliche Idee des allumfassenden aber als Gefahr kaum greifbaren Nebels wird weitestgehend verschenkt und die toten Seefahrer wären ohne rotglühende Geisteraugen erschreckender gewesen. Insgesamt kein großer Wurf, aber im qualitativ oft mäßigen Genre des Horrorfilms immer noch gut für einen Platz im gehobenen Mittelfeld.

1981 stellte Carpenter dem Publikum dann "Die Klapperschlange" alias Snake Plissken vor, der in einer nicht allzu fernen Zukunft die in ihrer Gesamtheit zum Gefängnis umfunktionierte Halbinsel Manhattan (wesentlich passenderer Originaltitel war daher "Escape from New York") betreten muss, um den dort abgestürzten amerikanischen Präsidenten aus den Händen der Kriminellen zu befreien. Mit dem von Kurt Russell wunderbar verkörperten Protagonisten zeichnete Carpenter dann auch das Bild eines Antihelden, wie ihn die Filmwelt vorher kaum sah. Plissken muss zu diesem Einsatz unter Androhung seiner Exekution gezwungen werden, kümmert sich im Grunde genommen einen Scheiß um alle anderen und löst mit der zynischen Schlusspointe einen Krieg aus. Radikaler als seine Vorgänger, war Plissken der bisher konsequenteste Dark Hero. Gleichzeitig war auch die stimmungsvolle "Dark Future"-Atmosphäre in Carpenters Werk so überzeugend, dass dieser Streifen zusammen mit "Mad Max" zum im Genre meist plagiierten Film der 80er wurde.

John Carpenter

Die apokalyptische Zombiestadt, die kompromisslos inszenierte Action, das bis in die Nebenrollen mit Leuten wie Harry Dean Stanton und Ernest Borgnine perfekt besetzte Ensemble - "Die Klapperschlange" hat viele Gründe, zu Carpenters besten Filmen gezählt zu werden.
Gleichzeitig zeugt der Aufbau des Films aber von einer Schwäche, die sich schon in "The Fog" andeutete. Während der Spannungsaufbau zu Anfang konsequent und sehr gelungen durchgezogen wird, geht dem Film etwa bei einer Stunde Laufzeit etwas die Luft aus. Carpenter verheddert sich, widmet einem eigentlich überflüssigen Wrestlingkampf zu viel Zeit und obwohl er mit dem Showdown auf der Brücke noch mal an Fahrt gewinnt, kann die letzte halbe Stunde des Films nicht mit der sehr gelungenen ersten Stunde konkurrieren. Dennoch gilt "Die Klapperschlange" vielen als Carpenters Bester und ist zumindest ganz unstrittig ein Klassiker des Science Fiction-Action Genres.

Nach diesem sowohl künstlerisch als auch kommerziell erfolgreichen Film wurden dann auch die großen Hollywoodstudios auf Carpenter aufmerksam. Und so durfte er sich bei Columbia einen langgehegten Wusch erfüllen und für die damals recht hohe Summe von 15 Millionen $ ein Remake von Howard Hawks' "Das Ding aus einer anderen Welt" drehen. Dabei orientierte er sich weniger an Hawks' relativ naivem Film, sondern hielt sich eng an die literarische Vorlage "Who goes there?" von John W. Campbell. Mit allen Konsequenzen. Denn wo Campbell von unvorstellbaren Monstern fabulierte, scheute sich Carpenter nicht, diese darzustellen. Das titelgebende Ding assimiliert (und massakriert) fremde Lebensformen, was Carpenter und seinem S/X-Mann Rob Bottin reichlich Raum für ausladende Splattereffekte gab. Leider waren es dann gerade diese exzessiv betriebenen und überzeugenden Splatter- und Ekeleffekte, die Kritik und Publikum gleichermaßen verstörten und den Film völlig unverdient zum kommerziellen Flop werden ließen. Erst in den nachfolgenden Jahren erhielt Carpenter Anerkennung für seinen (natürlich zum Scheitern verurteilten) Versuch, Splatter und Mainstream zusammenzuführen, und wird für das Ausreizen von Effektmöglichkeiten als seiner Zeit voraus angesehen.
Dabei ist "Das Ding" von der Kontroverse unbelastet betrachtet eben nicht nur eine reine Freakshow, sondern ein fantastisch dichter und großartig konstruierter Spannungsfilm, dessen Darstellung von Paranoia und Panik gegenüber einer unsichtbaren Bedrohung unübertroffen bleibt. Dass die Geschichte um einen Forschungstrupp, der ein UFO findet, während die außerirdische Lebensform einen nach dem anderen aus der Gruppe tötet und seine Form übernimmt, in der Arktis angesiedelt ist, gibt dem Film ein ständiges Gefühl von Isolation, Hilflosigkeit und Gefangensein, vor dem sich Stück für Stück die Spannung aufbaut, bis sie unerträglich ist. Kongenial wird dies unterstützt von Kamera und Filmmusik, die diesmal Altmeister Ennio Morricone besorgt. Dessen Score orientiert sich am Carpenter-Stil und das Thema ist fast so effektiv wie damals das von "Halloween". Führt man zudem noch die exzellente, wiederum von Kurt Russell angeführte Besetzung ins Feld, so hat man hier Carpenters Meisterstück vor Augen. Damals sicherlich auch verkannt, weil der Film düster und konsequent bis hin zum puren Nihilismus ist, ist "Das Ding" auch zwanzig Jahre später ein Film, dessen pure Stimulationskraft ungetrübt ist. Oder, wie Carpenter ganz richtig erklärte: "Whatever anyone tells you, you will never, ever see anything like this again".

Leider folgte diesem Höhepunkt der große Einschnitt in Carpenters Filmographie. Waren alle bisherigen Filme nicht nur äußerst sehenswert, sondern auch wahre Großtaten (von "Dark Star" und "The Fog" mal abgesehen), bestimmten von nun an Kompromisswerke sein Schaffen, und Carpenter gelang es nur noch sehr selten zu alter Stärke zurückzufinden.

John Carpenter

Geschockt von der harschen Kritik von allen Seiten an seinem Traumobjekt ließ Carpenter dem "Ding" zwei reine Auftragsarbeiten folgen, die nur noch wenig alte Stärken aufblitzen ließen. War aber die Stephen King-Verfilmung "Christine" (1983) um ein besessenes, mörderisches Auto von Carpenter noch kompetent in Szene gesetzt und immerhin für Genrefans interessant, so war spätestens mit der peinlich übersentimentalen "E.T."-Variante für Erwachsene "Starman" (1984) klar, dass Carpenter und die großen Studios nicht zusammenpassten. Zu kompromisslos und unangepasst für den Mainstream in seinen Hauptwerken, ließ die Anbiederung an den Massengeschmack seine eigentlichen Stärken und Fähigkeiten außen vor. Zurück blieben nur mäßig inspirierte Allerweltswerke ohne den besonderen Carpenter-Touch.

Trotzdem gaben sich die unheilige Allianz Carpenter und Major Studio (mittlerweile war er bei 20th Century Fox untergekommen) noch einen allerletzten gemeinsamen Versuch, die 1986 entstandene Abenteuerkomödie "Big Trouble in Little China", die sehr wild und in bester B-Filmmanier Elemente von Action-, Martial Arts- und Fantasyfilmen vermischte. Darin versuchen Truckfahrer Jack Burton (Jack Russell) und sein Kumpel, einem uralten chinesischen Magier die Tour zu versauen, und gleichzeitig ihre Mädchen aus den Klauen dieses bösen Lo Pan zu befreien. Leider fand der Versuch, einem Mainstreampublikum einen B-Film mit aufgemotzten Effekten und Kulissen darzubieten, in diesem Fall keine Resonanz, etwas erstaunlich ob des Erfolgs der zwar besseren, aber ähnlich gelagerten "Indiana Jones"-Reihe. Angesichts des wilden Eklektizismus des Films, in der von billigen Plastikmonstern über schwebende Magier und wilde Kung Fu-Kämpfer alles mögliche vorkam, was nur wenige Jahre später im Hongkongkino à la "Chinese Ghost Story" gefeiert wurde, blieb der Zuschauer damals etwas ratlos zurück. Wiederum war Carpenter also seiner Zeit voraus, wiederum zahlte es sich nicht aus. Nachdem es bereits während der Produktion endlose Streitereien über die Ausrichtung des Films gegeben hatte, bedeutete der kommerzielle Misserfolg das (vorläufige) Ende von Carpenter im Studiosystem Hollywoods. ‚Zurück in die Unabhängigkeit' lautete das Motto.

Leider konnte Carpenters Rückzug zu den Wurzeln, zum kleinen Independentfilm und ‚Do it Yourself'-Methoden, in Form von "Die Fürsten der Dunkelheit" (1987) nicht recht überzeugen. Die Geschichte, in der vom Bösen kontrollierte Penner eine Kirche belagern, in der das Böse selbst in einem Flakon wartet und Tote zu seinen Zombiehelfern macht, die die gefangene Gruppe weiter attackieren, riecht zu sehr nach "Assault" plus "Die Nacht der Lebenden Toten" (von dem seine Belagerungsszenarien durch Horden anonymer Feinde sowieso zu einem guten Teil inspiriert sind). Auch das der Teufel als, nun ja, Lavalampe daher kommt ist nicht gerade dazu angehalten, für Begeisterung zu sorgen. Den endgültigen Rest gibt Carpenter der Geschichte aber durch eine recht klägliche Auflösung, die der Vorgabe des Films - schließlich soll es hier um den epischen, zeitlosen Kampf zwischen Gut und Böse gehen - überhaupt nicht gerecht wird. Trotz einiger spannender Szenen und gelungener Schocks also ein unterdurchschnittliches Werk.

John Carpenter

Auch "Sie leben" (1989), in der Wrestlingstar Roddy Piper die eigentlich für Kurt Russell prädestinierte Rolle des Bauarbeiters John Nada spielt, der eine Unterwanderung durch als Yuppies getarnte gehirnwaschende Außerirdische aufdeckt, leidet unter bereits genannten Schwächen. Ist der Anfang des Films, in der Nada spezielle Sonnenbrillen findet, mit denen er die Außerirdischen und ihre suggestiven Befehlsbotschaften ("Denkt nicht! Kauft!") erkennen kann und einer Untergrundbewegung zur Bekämpfung beitritt, recht spannend, so geht dem Film nach einer Stunde wiederum etwas die Luft aus und die übersimple Auflösung ist höchst unbefriedigend. Die Annahme, Nada könne sämtliche Außerirdischen demaskieren und ihre komplexe Unterwanderung stoppen, indem er eine Satellitenschüssel eines einzigen Fernsehsenders zerstört, lässt sogar das Zurückschlagen der Aliens in "Independence Day" fast glaubwürdig erscheinen. Dies ist doppelt schade, da hiermit eine große Chance verschenkt wurde. Denn Carpenters bitterböse satirische Abrechnung mit den Reaganomics und New Capitalism der 80er Jahre hätte das Potenzial zum Klassiker und zu einem seiner besten Filme seit langem. Letztendlich zeigt aber auch der einzig offensichtlich politische Film Carpenters, dass er eben nie einen wirklich befriedigenden politischen Film drehen wird. Denn der Hang zu simplen Auflösungen verhindert wirkliche Ambitionen in diese Richtung. Trotzdem ist dies größtenteils spannende, gutgemachte Unterhaltung, bei der man (ähnlich wie bei "The Fog") lediglich ob der verschenkten Möglichkeiten trauert.

"Jagd auf einen Unsichtbaren" (1992) war dann sowohl Carpenters überraschende Rückkehr zu einem großen Hollywoodstudio (Warner Brothers), als auch eine weitere Enttäuschung für beide Seiten. Das immerhin 40 Millionen teure Effektspektakel, in der Chevy Chase als Unsichtbarer zu sehen bzw. eben nicht zu sehen ist, war ein Flop und - schlimmer noch - Carpenters wohl uninspiriertester Film.

1995 wurde sich Carpenter dann mit New Line Cinema, einem kleineren Studio, einig, ein Skript von dessen Boss Michael DeLuca zu verfilmen. Und Carpenter schaffte mit "Die Mächte des Wahnsinns" das, was man schon kaum mehr für möglich gehalten hatte: Er schuf einen weiteren Meilenstein seiner Karriere, einen hochintelligenten und trotzdem mordsspannenden Horrorfilm, der es atmosphärisch allemal mit seinen großen Würfen aufnehmen kann. Das intelligente Skript spielt mit den Grenzen zwischen Realität und Fiktion und kommentiert als Metafiktion seine eigene Vorgehensweise. Dazu erreicht Carpenters Spannungsaufbau neue Höhen, die erste Stunde ist wohl das Beste, was er an Mischung aus Spannung und Suspense bisher abgeliefert hat. Leider hat der Film danach in bekannter Manier einen kleinen Hänger, bevor er sich dann zum zweifellos großartigen, bitterbösen Finale aufrafft.

John Carpenter
Die Geschichte, in der ein Versicherungsvertreter (Sam O' Neill) einen verschwundenen Bestsellerautor (Jürgen Prochnow) suchen soll und dann in dessen fiktionalen Schauplätzen landet, wo er auf Monster trifft, die aus den Werken H.P.Lovecrafts zu kommen scheinen, wird in genau dem Moment schwach, in dem Carpenter zu viel von den Monstern zeigt. Auch hier zerstört zuviel und zu konkretes Zeigen Vorstellungskraft und damit Atmosphäre. Dennoch ist "Die Mächte des Wahnsinns" als sein intelligentes, stimmungsvolles Alterswerk der Beweis, dass Carpenter es noch kann. Und auch seinen Humor schien er wiedergefunden haben: Wenn sich der in der psychiatrischen Klinik eingesperrte Trent über die sedative Musik beschwert und stöhnt "Bitte nicht die Carpenters", dann ist das eine schöne Sache.

Leider blieb es bei dieser so unverhofften wie positiven Überraschung, denn bei Carpenters weiteren Filmen bis zum heutigen Tag zeigte das Qualitätsbarometer teilweise erschreckend nach unten. Direkt nach "Die Mächte des Wahnsinns" filmte er aus kaum erklärbaren Gründen ein Remake des Films "Das Dorf der Verdammten". War das Original ein Werk seiner Zeit, das amerikanische Kommunismusängste reflektierte, so wirkte Carpenters reine Übertragung in die Jetztzeit albern und lachhaft.
Danach folgte 1996 "Flucht aus L.A.", die langerwartete Fortsetzung der Saga um "Klapperschlange" Snake Plissken. Leider war der Film mehr Remake als Sequel und erschreckend einfallslos. Außer durch die recht schönen Effekte, die ein großes Budget von Warner Brothers ermöglichte, hat der Film nichts zu bieten, was das Original nicht fünfzehn Jahre früher und zehn mal besser gemacht hatte. Eine kreative Enttäuschung, die aber in den Kinos immerhin recht erfolgreich lief. Sein dreckiger Mix aus Western, Road Movie und Vampirfilm "Vampire" (1998) wurde daher vielerorts (allerdings nicht hier bei der Filmszene) als Rückkehr zur Form gefeiert. Jedoch nerven die Machoplattitüden und die recht dämliche Story in der Tat. Allerdings ist "Vampire" noch ein gutes Stück besser als "Ghosts of Mars" (2001), der in allen Belangen nicht nur schlecht ist, sondern so dilettantisch umgesetzt, dass man fast Angst bekommt. Denn wenn Carpenter weder sein Miniaturbudget ein wenig kaschieren kann, noch inhaltlich irgendetwas Interessantes beizutragen hat, wird es wahrlich bitter.

Aber noch ist die Hoffnung nicht verloren. Denn gemäß seiner Selbstaufforderung im Titel wird Carpenter ungeachtet möglicher Kritik und der durch seine Klassiker bereits sicheren Position in den Annalen des Kinos weiter Film um Film drehen. Und solange die Hoffnung besteht, dass noch mal ein Klassiker wie "Assault" oder "Das Ding", zumindest aber ein versöhnliches kleines Werk wie "Die Mächte des Wahnsinns" abfällt, geben wir die Hoffnung auf Hollywoods B-Film-König nicht auf. In John we trust.


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