High Fidelity

Originaltitel
High Fidelity
Land
Jahr
2000
Laufzeit
114 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 1. Juni 2010
Kennst du dieses Gefühl, wenn man kurz davor steht, die Verfilmung eines Buches zu sehen, das man absolut genial fand? Diese (oftmals berechtigte) Angst, daß der Film irgendetwas für dich kaputt machen wird, weil er deine Fantasie tötet? Den Film in deinem Kopf, der beim Lesen entstand, zum Film vor deinen Augen macht, der irgendwie anders und deshalb längst nicht so gut ist? Genau diese Angst hatte ich bei „High Fidelity“, der Verfilmung eines Romans von Nick Hornby, den ich schlichtweg für das beste Buch halte, das ich je gelesen habe. Doch die Angst war unbegründet: „High Fidelity“ ist so werkgetreu, so nahe am Witz und Geist seiner Vorlage, wie man es von einer Adaption nur verlangen kann. Und schon allein deswegen ein famoses Vergnügen.

Rob Gordon ist soeben von seiner langjährigen Freundin Laura sitzen gelassen worden. „Wen kümmert’s?“ sagt er sich, „es gibt andere Frauen, und mir haben andere Frauen schon viel mehr weh getan als du!“. Rob erstellt die Top 5 der schlimmsten Trennungen seines Lebens (eine von vielen Top 5 Listen in diesem Film), stellt beruhigt fest, daß Laura nicht dazugehört, und lebt sein Leben erstmal wieder alleine. Das besteht hauptsächlich aus Rumhängen in seinem Plattenladen „Championship Vinyl“, der nicht sonderlich gut läuft, mit seinen beiden Angestellten Dick und Barry. Und dieses Trio ist einfach unschlagbar: Jeder für sich eine wandelnde Enzyklopädie der Rockmusik, führen sie Diskussionen über den besten Song für einen Montagmorgen, machen sich über Kunden lustig, die „I just called to say I love you“ kaufen wollen, und sind sich generell darüber einig, daß es viel wichtiger ist, was du magst, als wer du bist. Für Leute wie Dick, Barry und Rob definiert sich ein Mensch über seinen Musikgeschmack. Daß dem nicht so ist, gehört zu den Lektionen, die Rob lernen muß, auf dem schwierigen Weg zum Eingeständnis, daß Laura sehr wohl in besagte Top 5 Liste gehört.

Wie sich bereits vermuten läßt, ist „High Fidelity“ vor allem eine Geschichte über Trennungsschmerz, wie man ihn leugnet, wie man ihn akzeptiert, und zu was er einen treibt. Im Zuge dessen kommt aber ein mehr als reichhaltiges Buffet anderer Themen mit auf den Tisch: Von so banalen Dingen wie das richtige Erstellen eines Compilation-Tapes, über ur-männliche Ängste wie daß ihr Neuer im Bett besser ist als man selbst, bis hin zu existenziellen Erkenntnissen wie die Tatsache, daß Frauen genauso langweilige Unterwäsche haben wie man(n) selbst, und die wirklich aufregenden Teile für solche Anlässe aufheben, wo sie wissen, daß sie in der Kiste landen. Rob ist ein Mensch, der sehr viel Zeit hat, sich über sehr viele Nichtigkeiten sehr tiefschürfende Gedanken zu machen. Vor allem das macht den unwiderstehlichen Charme von „High Fidelity“ aus, sowohl als Film und als Buch.
Daß es sich um eine beinahe kompromisslose Roman-Adaption handelt, macht sich vor allem dadurch bemerkbar, daß der grandiose John Cusack in der Hauptrolle die meiste Zeit mit dem Zuschauer spricht. Und eben weil der Zuschauer sozusagen als Mitwisser eingebunden wird, fühlt sich auch der Nicht-Kenner des Stoffes schnell gut aufgehoben, man ist halt „in with the joke“.
Warum „High Fidelity“ als typischer Feel-good-movie so außergewöhnlich gut funktioniert, wesentlich besser funktioniert als die meisten anderen Filme dieser Art, ist die spürbare Realitätsnähe der Charaktere: Wenn man das Kino verläßt, hält man es durchaus für möglich, einem von ihnen über den Weg zu laufen. Die Story vereinigt ein buntes Kaleidoskop an Figuren, die einerseits in ihrer Alltäglichkeit jedem bekannt sind, andererseits aber noch in keinem Film vorkamen, und so weitab sind von jedem Klischee. 
Man nehme z.B. die Laden-Gehilfen Dick und Barry, von Todd Louiso und Jack Black absolut brillant verkörpert: Sie sind zwei Typen, wie sie wahrscheinlich jeder schon einmal getroffen hat: Fan-Boys ohne Wenn und Aber, die es glücklicher macht, dir ihre Meinung zu erzählen, als eine Platte zu verkaufen, die in ihrem eigenen kleinen Kosmos leben, den Außenstehende nicht begreifen, während sie die Außenstehenden nicht begreifen. „High Fidelity“ macht klar, daß diese Jungs genauso bescheuert sind, wie jeder andere auch: Der Enthusiasmus, mit dem sie über Musik reden, sie leben und atmen, lässt einen erst milde lächeln, bis man begreift, daß man selbst ähnlich enthusiastisch über eine andere Sache ist. Filme, Bücher, Computerspiele, Blumen, Ikea-Möbel, was auch immer. Und wem diese Gemeinsamkeit klar geworden ist, der sieht Dick und Barry mit neuen Augen, und hat an ihren Streitigkeiten noch mehr Spaß.

„High Fidelity“ ist so gut, wie eine Verfilmung dieses Buches nur sein konnte. Warum er trotzdem nicht die Höchstwertung bekommt, liegt an den Dingen, die man vom Buch nicht in den Film retten konnte, und dementsprechend auch für den unbelasteten Beobachter fehlen: Die vielen Kleinigkeiten, die sich zu einem Gesamtbild zusammensetzen, das weit über Rob und seine Probleme hinaus geht. Der Film bringt enorm viele der pointierten Beobachtungen Robs auf die Leinwand, und sehr oft denkt man mit einem mitfühlenden Grinsen „Junge, du hast ja so recht“. Die Sache ist nur, daß dieses Gefühl beim Lesen des Buches viel weiter ging. Als Mann fühlte man sich endlich verstanden, und als Frau verstand man endlich, wie Männer wirklich denken. Der Film jedoch bleibt beim Unterhaltungswert stehen, auch wenn dieser natürlich von sehr hohem Niveau ist.
Trotzdem kann man „High Fidelity“ als Film nur jedem empfehlen. Eine ungemein intelligente, wundervoll konstruierte Komödie über die Irrungen und Wirrungen des alltäglichen Beziehungschaos im Leben eines außergewöhnlichen Jedermanns. Wem der Film gefallen hat, wird das wahrscheinlich sowieso tun, aber auch allen anderen will ich es ans Herz legen: Kauft euch das Buch! Bitte! Der Film ist absolute Klasse. Das Buch ist noch tausendmal besser.

 


10
10/10

genial gespielt, bester soundtrack und grandios adaptiert! 10+

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