Glauben ist alles

Originaltitel
Keeping the Faith
Land
Jahr
2000
Laufzeit
127 min
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Rainer Leurs / 5. August 2010

 

Kennt ihr den? Ein Rabbi und ein Priester...
Eigentlich ist das nur der Anfang von irgendeinem flachen Witz, und es ist auch der Einstieg zu "Glauben ist Alles!". Doch "Keeping the Faith", wie Edward Nortons Regiedebüt im Original heißt, ist weit mehr als die Verfilmung eines abgedroschenen Kalauers. Es ist eine wunderschöne Geschichte vom Leben, von der Liebe, von Freundschaft und Vertrauen, von Religion und nicht zuletzt eine Liebeserklärung an die Stadt New York. Als unser Priester Brian Finn (Edward Norton persönlich) diese Story im Suff einem treuherzigen Barkeeper erzählt, wartet auch dieser eine Weile nur auf die Pointe. Bis er merkt, daß weit mehr dahintersteckt.

Da sind also diese beiden Jungs, so um die dreizehn, "New York City Boys" sozusagen, beste Freunde, der eine ein Jude, der andere Katholik. Und auf einmal ist da dieses Mädchen, "genau das Mädchen, das man sich als Dreizehnjähriger wünscht": Denn mit Anna kann man jeden Scheiß machen, sie klettert auf Bäume, prügelt sich, und die drei sind unheimlich dicke. Bis Anna dann auf einmal nach Kalifornien zieht und ihre beiden Jungs für immer allein lassen muß. 
Doch viele Jahre später, wir ahnen es bereits, klingelt das Telefon, Anna ist in der Stadt und will sich mit ihren Spielkameraden von damals treffen. Hier setzt üblicherweise die klassische Liebeskomödie an, denn aus der kleinen Anna Reilly ist eine erwachsene und überaus ansehnliche Dame geworden. Und cool unterwegs ist sie immer noch. Doch pikanterweise haben unsere beiden Jungs in all den Jahren eine Neigung zur Spiritualität entwickelt - aus dem kleinen Jake Schram ist ein jüdischer Rabbi geworden, aus dem Wonneproppen Brian Finn ein katholischer Priester. Rabbis haben bitteschön nur was mit jüdischen Frauen, und katholische Priester haben... haben gar nicht, Punkt. Jedenfalls lieben beide ihren Job, halten groovy stand-up Predigten und bringen frischen Wind in ihre Gemeinden. Doch selbstverständlich verlieben sich die beiden Gottesmänner aufs heftigste in ihre Jugendfreundin und der Weg ist frei für eine ziemlich abgefahrene Dreiecksbeziehung. Daß diese aufgrund von Zölibat, Freundschaft und Intoleranz nicht ohne tragische Elemente bleiben wird, liegt auf der Hand.

Soweit so gut - das ist eigentlich kein besonders guter Witz, und es ist im Grunde auch keine sensationell innovative Handlung. Trotzdem ist dieser Film ein kleines Schmuckstück, und das liegt nicht an dem "was", sondern an dem "wie" der Erzählung:
Da sind zunächst mal zwei außergewöhnliche Schauspieler. Daß Edward Norton (Fight Club,  American History X) zu den großartigsten Mimen unserer Zeit gehört, muß nicht erwähnt werden. Die Rolle des sensiblen, intelligenten, aber ein wenig naiven Brian Finn ist bestimmt nicht seine anspruchsvollste Rolle, mit Sicherheit aber eine sehr charmante und lebensechte. Mit dem eher romantisch-witzigen Stoff kommt Norton problemlos klar und spielt genauso pointiert wie Comedy-Gott Ben Stiller (Verrückt nach Mary). Rabbi Schram und Priester Finn nimmt man ihre enge Beziehung und auch ihre spirituelle Lebensauffassung völlig widerstandslos ab, die Chemie zwischen ihnen stimmt ganz einfach. Das gilt auch für Jenna Elfman (edTV) als Anna Reilly, dem "dritten Musketier". Und vergeßt bitte Gwyneth Paltrow. Denn Jenna Elfman rockt. Selbst gegen Norton und Stiller hat sie überhaupt keine Schwierigkeiten, jede Menge Sympathiepunkte für sich zu bunkern - glaubt mir, in eine Anna Reilly würde sich fast jeder Kerl verlieben. Hoffentlich kann sich ihre dröhnende Baßstimme halbwegs in die deutsche Synchronisation hinüberretten.

Neben diesen fantastischen Hauptdarstellern brillieren die anderen in allerfeinsten Nebenrollen, die sämtlich aus dem Leben gegriffen scheinen. Zum Beispiel der indische Barkeeper (halb Sikh, ein viertel Katholisch, ein viertel jüdisch, und er liest momentan "Dianetics" von Ron Hubbard). Oder auch die perlweißgebleichte TV-Ansagerin Rachel, von der Rabbi Schram ebenso angebaggert wird wie von der Fitness-Stute Ali, die gleich noch einen Querverweis auf "Fight Club" liefern darf ("Hit me as hard as you can!"). Oder Don, der Japse aus dem HiFi-Laden, der nur im Verkaufsgespräch einen asiatischen Akzent hat. Solche und noch ein ganzer Haufen anderer Charaktere, originell und dabei so echt, daß man sie riechen kann, brennen zu Spitzenzeiten wahre Dialogfeuerwerke ab - im Wechsel von brillantem Sprachwitz und heftigen Emotionsausbrüchen. Aber, wie das so ist, leider nur zu Spitzenzeiten.

Denn "Glauben ist Alles!" ist von der perfekten RomCom dann doch noch ein Stück weit entfernt. Zu sehr merkt man dem Film seinen Debütcharakter an, auch wenn Norton sicherlich talentiert Regie führt, so daß man in der Zukunft noch einiges von ihm erwarten kann. Offensichtlich hat er jede Menge Spaß gehabt, mit anderer Leute Markenzeichen herumzuexperimentieren - ein bißchen Soderbergh, eine Handvoll Smith. Sei´s drum. Was ihm für dieses mal wirklich noch nicht richtig von der Hand ging, ist eine straffe Inszenierung, ein dichteres Verweben von tragischen und komischen Elementen. So, wie´s aussieht, bewegt sich der Film gerade im zweiten Drittel von Wellental zu Wellental - allzu lang herausgezogene Momente ohne Tempo, sozusagen Ventile, durch die zu viel Dynamik entweicht. Sicherlich läuft auch das Drehbuch von Nortons Yale-Kommilitonen Stuart Blumberg in dieser Hinsicht etwas unrund. Blumberg wiederum ist dafür verantwortlich, daß an ein oder zwei Stellen ärgerlich oberflächliche Aktionen über die Bühne gehen - unverständlich, weil für die Handlung überflüssig. Den Gospelchor in der Synagoge oder Rabbi Schrams pathetisches Schuldbekenntnis vor der Gemeinde hätte man sich getrost schenken können. 

Wie auch immer - "Glauben ist Alles!" wird definitiv keinen Atheisten bewegen, in die Kirche zu gehen, und orthodoxe Juden werden ebensowenig wie bockige Katholiken von ihren Dogmen abweichen. Aber darum geht es auch nicht. Stattdessen werden viele Kinobesucher - je nach Zielgruppe - ein bißchen von Ben Stiller oder Jenna Elfman träumen dürfen, oder auch von New York. Einige werden sich am Ende ein paar Tränen verdrücken müssen und nicht genau wissen, wieso. Und die allermeisten werden einen Heidenspaß an diesem Film haben, einer zauberhaften Geschichte über das pralle, bunte Leben da draußen. Kein Witz.

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