Die Spur des Falken

Originaltitel
The Maltese Falcon
Land
Jahr
1941
Laufzeit
97 min
Genre
Regie
Bewertung
von Frank-Michael Helmke / 20. Juni 2010

Als der Film, an dem sich alle nachfolgenden Detektivfilme messen lassen mussten, ging "Der Malteser Falke" in die Geschichte ein. Der in Deutschland besser unter dem Titel "Die Spur des Falken" bekannte Krimi war John Hustons erster Film als Regisseur und machte aus Humphrey Bogart in seiner 42. Filmrolle endlich einen Star.

Sam Spade (Humphrey Bogart) ist ein Privatdetektiv, zynisch, undurchsichtig und dem Gesetz nicht so nahe, wie er sein sollte. Eines Tages spaziert eine Frau (Mary Astor) in sein Büro. Unter dem Vorwand, sie sei in Sorge um ihre Schwester, gibt sie Spade und seinem Partner Miles Archer (Jerome Cowan) den Auftrag einen Tunichtgut namens Thursby zu beschatten. Archer, angetan von der neuen Kundin, reißt den Auftrag an sich. Doch schon in der ersten Beschattungs-Nacht wird er erschossen und wenig später taucht auch Thursbys Leiche auf. Spade, eigentlich daran interessiert, den Mord seines Partners aufzudecken, gerät selbst in Verdacht, Thursby erschossen zu haben. Er sucht die Auftraggeberin auf und stellt fest, dass ihr wahrer Name Brigid O'Shaughnessy ist und sie ihn belogen hat. Nur ansatzweise rückt sie mit der Wahrheit heraus, woraufhin der misstrauisch gewordene Spade vorgeblich in ihrem Auftrag, tatsächlich aber in eigenem Interesse anfängt, weiter zu ermitteln. Dabei deckt Spade auf, dass es hier weniger um einen simplen Eifersuchtsfall geht, sondern mehr um eine vielschichtige Schatzjagd mit einer mysteriösen Falken-Statuette in ihrem Zentrum, hinter der so ziemlich jeder her zu sein scheint ....

"Die Spur des Falken" eilt der Ruf voraus, der beste Detektivfilm aller Zeiten zu sein. Darüber kann man spätestens seit "L.A. Confidential" streiten, jedoch wird "Die Spur des Falken" im Gegensatz zu anderen, etwas angestaubten Klassikern seinem legendären Ruf nach wie vor gerecht. Der Krimi basiert auf Dashiell Hammetts berühmter Buchvorlage, welche zuvor schon in den 30iger Jahren zweimal verfilmt wurde. Doch während man sich an die ersten beiden Filme kaum noch erinnert, wird "Die Spur des Falken" noch heut gerne herbeizitiert, wenn es um gute Detektivfilme geht. Für die Rolle des kühl berechnenden und zynischen Detektivs Sam Spade war anfangs der damalige Star George Raft vorgesehen, doch er lehnte es ab mit einem jungen und unerfahrenen Regisseur zusammenzuarbeiten, wodurch Hustons Freund und geheimer Favorit Humphrey Bogart in die Hauptrolle schlüpfte. Der Part des Sam Spade verhalf Bogey zur lang ersehnten Berühmtheit und begründete den Detektiv-Archetyp des Film Noir, den Bogart mit dieser und anderen markanten Vorstellungen wie in "Tote schlafen fest" prägte wie kein anderer Darsteller seiner Tage. Tatsächlich gilt "Die Spur des Falken" als historischer Startpunkt von Hollywoods "Schwarzer Serie", die das Kino der 40er und frühen 50er Jahre dominierte, und ihren Anfang mit eben solchen Verfilmungen der urbanen Halbwelt-Detektivgeschichten von Autoren wie Dashiell Hammett oder Raymond Chandler nahm.

Bemerkenswert an "Die Spur des Falken" ist vieles, insbesondere allerdings die Darstellerleistungen. Ist die Rollenbesetzung immer wichtig, so scheint ihr doch vor allem im Kriminalfilm-Genre eine noch höhere Bedeutung zuzukommen, liegt es doch auch an der Fähigkeit der Darsteller, durch ihre nuanciertes Spiel das Publikum gespannt zu halten und weiter Rätsel raten zu lassen über die tatsächlichen Beweggründe ihrer Charaktere (die großen Krimi-Meisterwerke der Neuzeit wie "L.A. Confidential" und "Mystic River" bezogen auch maßgeblich hieraus ihre Stärke). Perfekt gewählt sind die Darsteller auch in diesem Fall und füllen ihre Charaktere tadellos aus, wobei sie fast allesamt eine ungeheure Leinwandpräsenz entwickeln. So interpretiert Humphrey Bogart seine Rolle hervorragend und wurde durch diese Performance zurecht zum Star. Gekonnt vermittelt er den undurchsichtigen Zyniker, einen nüchtern denkenden Mann mit Prinzipien, der die Parteien gegeneinander ausspielt, nur um seine eigene Haut zu bewahren und dabei doch sympathisch wirkt. Daneben wirkt Mary Astor anfangs geradezu unbeholfen und harmlos; ein Eindruck, der sich gegen Ende jedoch grundlegend revidiert, wenn sie sich als herausragende Vertreterin der gefährlichsten Art der Femme Fatale entpuppt. Für zwischenzeitliche Schmunzler sorgt der vor allem mit "Casablanca" und "M - eine Stadt sucht einen Mörder" berühmt gewordene Peter Lorre als überadretter und wahrscheinlich schwuler (zur damaligen Zeit musste man mit derlei Andeutungen im sauberen Hollywood-Kino noch sehr vorsichtig sein) Gauner Joel Cairo, der eine besonders erinnerungswürdige Vorstellung abliefert. Sydney Greenstreet als ebenso hinterhältiger wie charmanter Gangsterboss, mächtig im Körperumfang und in der Leinwandpräsenz, und Elisha Cook Jr. als unfähiger, irgendwie bemitleidenswerter Möchtegern-Killer komplettieren die außergewöhnliche Besetzung perfekt und tragen mit dazu bei, dass der Film alleine durch seine Besetzung länger in Erinnerung bleiben wird.

Gute Darsteller allein machen aus einem Film natürlich kein Meistwerk. Wesentlich mehr Komponenten spielen da mit, wie auch hier. Den modernen Sehstandards vermag der schon über 60 Jahre alte Film auch heute noch zu genügen, da sich die Spannung nicht durch seine Schockmomente oder -effekte definiert, sondern über eine komplexe, intelligente und sich mit rasanter Geschwindigkeit entfaltende Story. Neben den markanten und vielschichtigen Charakteren bietet die Geschichte auch einige überraschende Momente und Wendungen, und als Zuschauer ist mit angenehm gefordert, um mit den verworrenen Details auf Schritt zu bleiben.
Es sind die kleinen Gesten, die Blicke und die Wahl gewisser Worte, die den Film so spannend und unvorhersehbar machen. In diesem Sinne ist John Huston ein doppelter Geniestreich gelungen, der neben einer tadellosen Inszenierung auch eine kongeniale, intelligente Buchumsetzung in seiner Funktion als Drehbuchautor vorweisen kann. Nicht zuletzt sind die beiden vorherigen Adaptionen von Hammetts "The Maltese Falcon" schnell in Vergessenheit geraten, weil sie die Romanvorlage bis zur Unkenntlichkeit abgeändert hatten.
Der Einfluss von "Die Spur des Falken" als historischer Startpunkt des Film Noir spiegelt sich auch in der visuellen Gestaltung wieder, findet man in den urbanen Szenarien von Kameramann Arthur Edeson doch bereits erste Anlehnungen an den düster-alptraumhaften Stil des deutschen Expressionismus, der im weiteren Verlauf den Film Noir dominieren sollte. Die sich immer wieder in den Vordergrund drängende Musik unterstreicht diese düstere Stimmung hervorragend, sofern man die englische Version schaut. Denn Obacht, die berühmtberüchtigten deutschen Synchronstudios haben den Film mit lockerflockigem, variationsarmem Gedudel versaubeutelt. Das macht die zynisch-düstere Stimmung zwar ziemlich zunichte, jedoch den Film nicht unbedingt kaputt, da er auch abzüglich der Musik funktioniert und so mehr wie eine schwarze Komödie wirkt, was im Grunde auch eine interessante und gar nicht mal so abwegige Sicht auf die "Spur des Falken" wäre.

"Die Spur des Falken" bietet alles, was das Herz eines Krimi- und insbesondere Film Noir-Fans begehrt: einen zynischen Antihelden, eine etwas andere Femme Fatale, markante Nebencharaktere, ironische One-Liner, eine rätselhafte Story, einen gesunden Schuss Nihilismus und eine düstere, dichte Atmosphäre. Entstanden als B-Movie, gereift zum maßstabsetzenden Klassiker, sollte dieser Film auch heute noch zum Pflichtprogramm eines jeden Hobbydetektivs und Hollywood-Liebhabers gehören.


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