Yesterday

Originaltitel
Yesterday
Jahr
2019
Laufzeit
116 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Volker Robrahn / 9. Juli 2019

yesterday 1Danny Boyle ist einer der wenigen Filmemacher, der sich auf überhaupt kein Genre festlegen lässt, sondern ständig etwas Neues ausprobiert. Ob Sci-Fi, Horror, Thriller, Biographie oder Literaturverfilmung, Boyles Werke haben inhaltlich wenig gemeinsam, finden aber stets einen originellen Ansatz um das gewählte Thema aufregend zu präsentieren, was dem Filmemacher wohl am überzeugendsten bei seinem oscarprämierten „Slumdog Millionär“ gelang. Bei Richard Curtis sieht das etwas anders aus, denn der hat sich einen Ruf als Spezialist für die herzerwärmende romantische britische Komödie erworben, ob „Bridget Jones“,“Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ oder „Tatsächlich Liebe“, überall taucht sein Name als Autor oder Regisseur auf. Wenn sich diese beiden Meister nun zusammen tun, darf man also auf das Ergebnis gespannt sein. Ein richtig großer und aufregender Film ist „Yesterday“ dabei allerdings nicht geworden – dafür aber ein umwerfend sympathischer und unterhaltsamer.
 

yesterday 2Der liebenswerte Jack (Himesh Patel) ist kurz davor seinen Traum von der Karriere als Singer/Songwriter aufzugeben, denn der Zuspruch des Publikums ist eher kläglich, meist sind es hauptsächlich seine treuen Freunde die ihm zujubeln, allen voran seine Freundin Ellie (Lily James), die unbeirrt an ihn glaubt. All das ändert sich, als eines Nachts ein mehrminütiger, weltweiter Stromausfall für kurze Panik und bei Jack für ein Erwachen im Krankenhaus sorgt, nachdem er von einem Bus angefahren wurde. Dass sich die Welt ein wenig verändert hat bemerkt er aber erst als er auf einer Gitarre, kurzerhand „Yesterday“ anstimmt – und ihn ringsum alle für das schöne Lied loben und fragen wann ihm das denn eingefallen sei. Eine kurze Google-Suche ergibt, dass unter dem Begriff „Beatle“ lediglich ein Pilz bekannt ist, von der gleichnamigen Musikgruppe hat die Welt jedoch noch nie etwas gehört. Jack scheint der Einzige zu sein, der sich an die genialen Songs der Fab Four erinnert und hat damit auf einmal ein gewaltiges Archiv an potentiellen Hits zur Verfügung. Der Weg zum Pop-Superstar scheint damit vorgezeichnet – oder etwa doch nicht?
 

yesterday 3Schon bei seinem letzten Film „Alles eine Frage der Zeit“ baute Richard Curtis auch ein übernatürliches, phantastisches Element mit ein, ohne sich die Mühe zu machen die Zeitsprünge seiner Hauptfigur irgendwie rationell zu erklären. Auch für den kollektiven Gedächtnisverlust der gesamten Menschheit gibt es hier nun keine, es wird lediglich Stück für Stück deutlich, welche Allgemeingüter noch davon betroffen sind: Einen gewissen Zauberlehrling hat es daher genauso wenig gegeben wie Coca Cola, die Marke Pepsi ist dagegen allgegenwärtig.

Da Jack musikalisches Talent besitzt, ist er natürlich genau der Richtige um mit dem Schatz der Beatles-Songs beschenkt zu werden, auch wenn er diese nun aus dem Gedächtnis rekapitulieren muss. Der sofortige Erfolg stellt sich jedoch nicht ein und wirft so die interessante Frage auf, ob den jemand der heutzutage mit dem Beatles-Katalog auftauchen würde überhaupt die entsprechende Aufmerksamkeit generieren könnte, oder ob deren Erfolg nicht halt auch und vor allem einer der damaligen Zeit und Umstände war.

yesterday 4Die Antwort darauf lautet letztlich aber doch „Nein“, die Lieder des Quartetts aus Liverpool erweisen sich tatsächlich als zeitlose Klassiker, und wer Jack schließlich entdeckt und auf die Sprünge hilft ist einer, der halt das richtige Ohr dafür hat, nämlich Ed Sheeran. Nicht etwa jemand, der Ed Sheeran spielt, sondern der englische Wuschelkopf höchstpersönlich in einer Rolle, die weit mehr als ein kleiner Cameo-Auftritt ist. Und dabei beweist er die Fähigkeit zur Selbstironie, die sogar ein Hauch von Tragik umweht wenn er erkennen muss, dass der von ihm geförderte Jack offenbar ein weitaus größerer Songschreiber ist als er selbst.

Sheeran kommt dabei deutlich natürlicher rüber als eine Kate McKinnon ("Ghostbusters"), die in der Rolle der rücksichtslosen Managerin hart an der Grenze zur Karikatur entlang balanciert. Neuentdeckung Himesh Patel eignet sich die großen Pop-Klassiker dagegen auf eine Art an, die sie zwar absolut wiedererkennbar bleiben lässt, ihnen dabei aber dennoch eine ganz eigene Note verleiht. Vor allem diese Fähigkeit war es die Danny Boyle beim Casting überzeugte, wie er uns im Interview erzählt hat.

yesterday 5Dass der Bluff irgendwann wohl doch auffliegen muss scheint klar, aber das Drehbuch findet dafür eine sehr hübsche Lösung, die zumindest zum Teil auch die Frage beantwortet was denn aus den jungen Männern aus Liverpool in dieser Realität geworden ist. Die Romanze selbst verläuft in recht konventionellen Bahnen, inklusive der genretypischen Verwicklungen und den unvermeidlich auftretenden Problemen und Selbstzweifeln, so dass sich „Yesterday“ als Gesamtkonstrukt ein Stück mehr nach Richard Curtis-Terrain anfühlt, während sich Regisseur Boyle hier mit visuellen Spielereien aber eben auch in Sachen "Biss" eher zurücknimmt. Sein Film bietet dafür aber genug nette Einfälle um durchgehend kurzweilig und amüsant zu bleiben. Und dass es hier auch jede Menge verdammt gute Musik zu hören gibt versteht sich ja wohl von selbst.

Bilder: Copyright

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