Shape of Water - Das Flüstern des Wassers

Originaltitel
The Shape of Water
Land
Jahr
2017
Laufzeit
123 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Frank-Michael Helmke / 11. Februar 2018

Seit seinem bisher größten Geniestreich "Pans Labyrinth" von 2006 weiß man, wieviel Fantasie, unbändige Erzähllust und nerdige Liebe für die cineastische Handwerkskunst in Guillermo del Toro steckt. Etwas mehr als ein Jahrzehnt später beweist der Mexikaner nun erneut, was für filmische Wunderwerke in ihm stecken, wenn er wirklich machen kann, was er will und ihm keine Grenzen gesetzt werden. "The Shape of Water" geht mit insgesamt 13 Nominierungen ins diesjährige Oscar-Rennen, und das allein ist bereits ein Beleg dafür, das hier das wohl spektakulärste Gesamtkunstwerk filmischen Handwerks wartet, das es dieses Jahr zu sehen gibt. The Shape of WaterAbgesehen von seiner technischen Brillanz ist "The Shape of Water" aber auch einerseits eine extrem stilsichere Hommage an eine ganz spezifische Ära der Filmgeschichte, und andererseits ein geradezu zeitloses Märchen, das mit großem Herz ein klassische romantische Geschichte erzählt, von einer Prinzessin und einem Prinzen und einem finsteren Bösewicht, der ihrer Liebe im Weg steht. Nur dass die Prinzessin hier eine stumme Putzfrau und der Prinz eine fremdartige amphibische Kreatur ist.

Elisa Esposito (Sally Hawkins, trotz ihrer völligen Wortlosigkeit in diesem Film mit einer unfassbaren Präsenz und Ausstrahlung) arbeitet in den 1960er Jahren als Reinigungskraft in einer geheimen Forschungseinrichtung der amerikanischen Regierung. Dort untersucht der Wissenschaftler Robert Hoffstetler (Michael Stuhlbarg) ein merkwürdiges Wesen, das man in den Tiefen des Amazonas gefunden hat und eine Mischung zwischen Mensch und Fisch darzustellen scheint. Während Hoffstetler sich dem fremdartigen Geschöpf mit wohlmeinender wissenschaftlicher Neugier nähert, vertritt der wenig zimperliche Projektverantwortliche Richard Strickland (Michael Shannon) eine andere Herangehensweise: Für ihn ist das fremde Wesen ein Freak, an dem er seine sadistische Ader auslassen kann, und zwecks genauer Untersuchung sollte man es ohnehin besser heute als morgen umbringen, um es problemlos sezieren zu können. Derweil werden Elisa und ihre beste Freundin und Kollegin Zelda (Octavia Spencer) darauf aufmerksam, was sich dort in diesem großen Wassertank verbirgt, und Elisa beginnt eine besondere Verbindung zu dem amphibischen Wesen zu entwickeln...

The Shape of WaterMan darf hier wohl berechtigterweise von einer der ungewöhnlichsten Kino-Liebesgeschichten sprechen, die es bisher so zu sehen gab, doch das ist erst der Anfang der filmischen Wundertüte, die sich bei "The Shape of Water" auftut. Was man hier schon in den ersten paar Minuten mit einigem Verzücken registriert, ist die unglaublich liebevolle visuelle Ausgestaltung des Films, der in seinen Sets und seiner Ausstattung auf wundervoll detailversessene Weise seine Handlungsära aufleben lässt. Die 60er Jahre von "The Shape of Water" erheben dabei indes weniger einen Anspruch unbedingter historischer Authentizität, sondern versprühen einen ganz eigentümlichen Charme von Nostalgie und Überhöhung - es sind weniger die 'echten' frühen 60er, die hier zu neuem Leben erweckt werden, als das Kino dieser Zeit. Denn an der Oberfläche ist "The Shape of Water" eine herrliche Hommage an die Monster-Horrorfilme der Nachkriegszeit, inklusive der für die damalige Zeit typischen Metaphorik, alles Fremdartige (bzw. die Angst davor) mit der Angst vor einer kommunistischen Unterwanderung gleichzusetzen. Und weil del Toro das Kino in all seinem Facettenreichtum einfach so sehr liebt (und weil er es halt einfach kann), wirft er auch noch entzückende kleine Hommagen ans klassische Hollywood-Musical mit rein, und natürlich Huldigungen an den Stummfilm (versteht sich bei einer stummen Heldin ja quasi von selbst). 

The Shape of WaterDas alles ist zwar ein feiner visueller Rausch, für sich genommen aber 'nur' eine extrem gekonnt ausgeführte Übung in Pastiche, die sich in Zitatenreichtum verlieren könnte, ohne ein wirklich eigenes Herz zu entwickeln. Doch gerade Herz hat "The Shape of Water" besonders viel, dank der starken Figurenzeichnung von del Toro und seiner Co-Autorin Vanessa Taylor und dank ihrer extrem stark agierenden Darsteller. Besonders warm im Brustkorb wird einem jedesmal, wenn Richard Jenkins in Erscheinung tritt als Elisas bester Freund und Nachbar Giles, als gealterter Homosexueller in einer sehr repressiven Zeit genauso ein gesellschaftlicher Außenseiter wie Elisa selbst. Der Subplot um Giles und seine schwärmerische Verknalltheit in einen Restaurantbesitzer ist ein kleines Juwel an feinsinnigem Humor und leiser Tragik, und Giles liefert sich einen engagierten Kampf um den Titel als tollste Nebenfigur dieses Films mit Octavia Spencers Zelda, die im Forschungslabor quasi als Elisas Sprachrohr fungiert und das Schweigen ihrer Kollegin durch ihr eigenes Plappermaul mehr als aufwiegt. Zelda plaudert eigentlich die ganze Zeit vor sich hin, und tut dies mit soviel Charme, das man eigentlich schon Lächeln muss, sobald sie nur auf der Leinwand erscheint. Und auch Michael Shannon hat sich als wirklich grandios bösartiger und widerwärtiger Antagonist eine gesonderte Erwähnung verdient, wenn er im Vergleich zu Spencer und Jenkins schon auf eine Oscar-Nominierung verzichten muss. Wie del Toro die erste Begegnung von Elisa und Zelda mit Shannons Strickland gestaltet und über Stricklands Gewohnheiten beim Klogang den unfassbaren Chauvinismus dieser Figur etabliert, ist zugleich abstoßend und ein kleiner Geniestreich in Sachen Charakterzeichnung. 

The Shape of WaterDas einzige, woran man sich beim Betrachten von "The Shape of Water" ein wenig stören kann, ist die Tatsache, dass er es sich erzählerisch manchmal etwas leicht macht. Im Kern ist diese Geschichte einfach ein Märchen, und als solches schert sich der Film nicht sonderlich um Plausibilität. So ist der Mangel an Sicherheitsvorkehrungen in der vermeintlich streng geheimen Forschungseinrichtung doch mehr als merkwürdig, und die Einfachheit, mit der Elisa nicht nur überhaupt von dem amphibischen Wesen erfährt, sondern auch noch problemlos immer wieder unbemerkt Zeit mit ihm verbringen kann, ist schon ein ziemliches Zugeständnis in Sachen Glaubwürdigkeit zugunsten des gewünschten Plots. An anderer Stelle muss man für diesen Verzicht an Plausibilität aber auch wiederum dankbar sein, bahnt sich del Toro damit schließlich die Bahn für ein paar Bilder von wahrlich betörender Schönheit, wenn es hier zum außergewöhnlichsten Liebesakt der jüngeren Filmgeschichte kommt. 

Wie meisterhaft del Toro sämtliche Aspekte der Gestaltung seines Films dirigiert und was für ein stimmungsvolles, atmosphärisch perfektes Gesamtkunstwerk dabei entsteht, das dürfte dem Mexikaner verdientermaßen den Oscar für die beste Regie einbringen. Und wenn es am Ende dann auch noch für den besten Film reicht (im Favoritenrennen gegen "Three Billboards outside Ebbing, Missouri"), wäre das auch berechtigt. Denn "The Shape of Water" ist Kinomagie in Reinform und ein Werk von soviel Fantasie und Herzenswärme, dass man sich nur wünschen kann, dass es nicht wieder zehn Jahre dauert, bis Guillermo del Toro das nächste Mal so etwas auf die Beine stellt. 

Bilder: Copyright

9
9/10

Ich glaub es nicht, ich stimme mal Herrn Helmke zu in sachen Kritik. Das ich dies noch erleben darf :D Auch von mir 9 Augen da das mit dem Geheimniss und wie einfach die Dame den noch mit dem Wesen Aggieren kann ist ziemlich Unglaubwürdig aber trotz all dem Genialer Film !

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9
9/10

Wunderschönes Kinomärchen!
Das Herz sitzt am rechten Fleck; es wird clever mit der Art und Weise gespielt, wie und aus welchem Blickwinkel Geschichte(n) überliefert wird/werden; und handwerklich ist das sowieso fantastisch gemacht. Reingehen, verzaubern lassen.

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