Bombshell - Das Ende des Schweigens

Originaltitel
Bombshell
Land
Jahr
2019
Laufzeit
109 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Volker Robrahn / 13. Februar 2020

Der entscheidende, auslösende Impuls für die auch aktuell noch anhaltende „Me too“-Debatte und -Bewegung war zweifellos der Skandal um den Filmproduzenten Harvey Weinstein, der ja gerade erst juristisch aufgearbeitet wird. Eine andere Episode hätte an sich die gleiche Wirkung haben können, schlug jedoch selbst in den USA nur mittelgroße Wellen und ist hierzulande bisher fast unbekannt. Wer bei uns den Begriff „FOX News“ hört, denkt vor allem an einen mit dem Wort konservativ noch sehr zurückhaltend beschriebenen TV-Sender aus dem Medienimperium von Rupert Murdoch, der für seine stark Republikaner- und Trump-freundliche Berichterstattung bekannt und berüchtigt ist. Der Mann, der diesen Sender zu einem bedeutenden Machtinstrument aufgebaut hat, wurde jedoch im Jahr 2016 von ein paar seiner eigenen Mitarbeiterinnen zu Fall gebracht, und „Bombshell“ von Regisseur Jay Roach („Trumbo“) erzählt nun deren Geschichte.

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Die Klage einer Ex-Kollegin erschüttert mitten im US-Präsidentschaftswahlkampf den Sender FOX News. Dass Starmoderatorin Megyn Kelly (Charlize Theron) den Bewerber Donald Trump äußerst kritisch angegangen ist und sich anschließend einem medialen Shitstorm ausgesetzt sieht. kann man dort gerade noch verkraften, aber dass die frühere Moderatorin Gretchen Carlson (Nicole Kidman) ihren Ex-Chef Roger Ailes (John Lithgow) wegen langjähriger sexueller Belästigung verklagt, schlägt wie eine Bombe ein. Sofort setzen Ailes und sein Team alles daran, die Glaubwürdigkeit ihrer Gegnerin zu erschüttern, und bringen auch das Personal auf Kurs. Denn die größte Gefahr besteht darin, dass sich vielleicht noch weitere Frauen den Aussagen von Carlson anschließen. Auch wenn das zunächst nicht geschieht, machen sich doch einige der weiblichen Angestellten Gedanken wie sie sich positionieren sollen. Dazu gehören sowohl die junge und aufstrebende Kayla Pospisil (Margot Robbie) und zum Erstaunen vieler auch Megan Kelly, die sich hartnäckig weigert, Solidarität für ihren Chef zu demonstrieren.
 

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Die Verflechtungen bei diesem Sender sind komplex, und zusätzlich erfordert die gewählte Erzählweise die volle Aufmerksamkeit des Betrachters. Ansonsten findet man zunächst nur schwer den Durchblick wenn man mitten hineingeworfen wird in die einzelnen Episoden um das wild umherwuselnde Personal, die zudem noch mit diversen Rückblenden die Chronologie aufbrechen. Und dann kommt auch noch die verblüffende äußere Ähnlichkeit der Hauptprotagonistinnen hinzu, die aber absolut kein Zufall ist: Wer im Haus von Roger Ailes etwas werden wollte, der hatte dabei einem ganz bestimmten Typus zu entsprechen, und der präsentierte sich vorwiegend blond, schlank und langbeinig. Es ist schon bemerkenswert wie selbstverständlich diese Einstellungskriterien offenbar akzeptiert und mit Ailes lapidarer Begründung „Wir sind schließlich ein visuelles Medium" gerechtfertigt wurden. Da kommen dann die Nominierung und letztlich auch der Sieg in der Oscar-Kategorie „Make-Up & Hairstyling“ nicht von ungefähr. Denn in diesem Film hat das Haarstyling tatsächlich einige Relevanz, wie schon ein Blick aufs Filmplakat bestätigt.

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Nominierungen gab es dazu auch für zwei der drei Hauptdarstellerinnen, lediglich Nicole Kidman ging dabei leer aus. Das lässt sich mit der eher funktionalen und am wenigsten durchleuchteten Funktion ihrer Gretchen-Figur schon rechtfertigen. Für Charlize Theron, die hier äußerlich der echten Megan Kelly unglaublich ähnlich sieht und ein emotionales Wechselbad zwischen Wut, Loyalität und nüchterner Berechnung durchläuft, und sogar noch etwas mehr für Margot Robbie als neuestes, blutjunges und naives Opfer sind dies dagegen fantastische Rollen in denen sie durchgehend glänzen können. Die Szene, in der Robbies (übrigens fiktive) Figur der Kayla zum ersten Mal eine Privataudienz beim mächtigen Chef gewährt wird und der sie dazu anhält, beim „Screentest“ ihren Rock immer noch ein bisschen höher zu ziehen, ist dabei die unangenehmste und bewegendste von allen. In diesen Momenten ist Roger Ailes zweifelsohne ein Monster, und dennoch verteidigen ihn die allermeisten der Frauen – weil er ihnen ja schließlich die Karriere ermöglicht hat, sich oft großzügig und hifsbereit gibt und man ihn ja im Grunde doch mag, abgesehen von dieser einen Sache halt.

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Man merkt es schon: Die Damen von FOX News mit ihrem festgefügten, niemals angezweifelten konservativen Weltbild, der Obrigkeitshörigkeit und der patriotischen Überzeugung, genau dort zu sein, wo man für das Richtige steht, machen es einem gar nicht mal so leicht sie zu mögen. Zumal sie eben auch untereinander oft egoistisch und rücksichtslos agieren. Daran, dass sie absolut im Recht sind, sich gegen die sexuelle Belästigung und Gewalt zur Wehr zu setzen, ändert diese Unsympathie freilich nichts. Und das dem so ist, machen Drehbuch und Regie jederzeit deutlich, ohne dabei aber die Charaktere zu perfekten, glatten Sympathieträgern und Identifikationsfiguren zurechtzubiegen. Das ist eine starke Leistung und verleiht dem Film große Glaubwürdigkeit. Die Qualität des thematisch ähnlich gelagerten „The Big Short“ erreicht „Bombshell“ allerdings nicht ganz, dafür fehlt es ihm an Klarheit in der Komposition seiner Geschichte, und dafür verzettelt man sich zu sehr in unnötigen Mätzchen, wie einem zunächst eher locker-ironischen Ton mit Erzählstimme, der dann plötzlich wieder fallen gelassen wird. Insgesamt aber dennoch sehenswert und ganz klar mit dem Prädikat „wichtig“ zu versehen.

Bilder: Copyright

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