The Irishman

Originaltitel
The Irishman
Land
Jahr
2019
Laufzeit
209 min
Genre
Release Date
Streaming
Bewertung
8
8/10
von Matthias Kastl / 1. Dezember 2019

Eigentlich undenkbar, dass ein Filmproduzent heutzutage noch satte 160 Millionen Dollar in ein über dreistündiges Charakterdrama steckt. Doch dank der Oscar-Sehnsucht des Streaming-Anbieters Netflix, und deren (wirtschaftlich motivierten) Umgarnung von Hollywoods talentiertesten Regiegrößen, darf sich nun der große Martin Scorsese sein Herzensprojekt erfüllen: ein letztes großes Mafia-Epos mit einer legendären Schauspielerriege.

Es ist ein Film geworden, bei dem allein ein Blick auf die Besetzungsliste Cineasten Tränen der Nostalgie in die Augen treibt. De Niro, Pacino und Pesci in einem Scorsese-Film – ach, dass man das noch erleben darf. Und so ist "The Irishman" dann auch ein einziger großer nostalgischer Abgesang auf ein ganzes Genre und eine damit verbundene Schauspielergeneration geworden. Ein Film, der das Rad des Genres sicher nicht neu erfindet. Aber das ist auch gar nicht sein Ziel. Stattdessen bekommen wir über drei Stunden ruhiges Charakterdrama geliefert, das statt feuriger Leidenschaft eher mit einer etwas melancholischen Altersweisheit eine letzte nachdenkliche Reise in das Genre unternimmt.

Frank Sheeran
Die Reise startet bezeichnenderweise dann auch in einem Altersheim. Ein kurz vor seinem Lebensende stehender Frank Sheeran (Robert de Niro) beginnt uns hier seine Geschichte zu erzählen: von seinem Aufstieg vom einfachen Lastwagenfahrer bis hin zum Auftragskiller der amerikanischen Cosa Nostra. Eine entscheidende Rolle spielt dabei vor allem das Mafia-Oberhaupt Russell Bufalino (Joe Pesci), der Franks pragmatische Art mit Problemen umzugehen früh zu schätzen lernt. Und da der gute Frank ja auch eine Familie zu ernähren hat, übernimmt dieser nur zu gerne lukrative Handlangeraufgaben für Russell. Die später dann immer blutiger werden, was in dem Milieu aber ja eher ein Plus für das Renommee bedeutet. Also empfiehlt Russell Frank als Leibwächter für den genauso berüchtigten wie korruptionsfreudigen Gewerkschaftsführer Jimmy Hoffa (Al Pacino) weiter. Die beiden Männer beginnen sich anzufreunden, doch schon bald ahnt Frank, dass dieser Job ihn in ein schwerwiegendes Dilemma stürzen könnte...

Vielleicht kann man "The Irishman" am Besten beschreiben, wenn man die dortige Rolle von Joe Pesci mit denen in Scorseses früheren Mafia-Filmen vergleicht. Ob nun in "Goodfellas" oder auch in "Casino", Pesci gab immer den unberechenbaren Vulkan, der jederzeit austicken konnte und seinen Gegenüber auch mal spontan aus einer Laune heraus ins Jenseits beförderte. Oder eben "einfach nur" windelweich prügelte. In "The Irishman" dagegen spielt Pesci Russell Bufalino schon fast als eine Art rationale und fürsorgliche Vaterfigur. Natürlich urteilt er noch immer über Leben und Tod, aber emotionale Ausbrüche liegen ihm fern. Und gegen Ende wird er dann schon fast melancholisch, als er eine sehr folgenschwere Entscheidung treffen muss.

Frank und Russell
Diese Melancholie zieht sich durch den ganzen Film. Das beginnt schon in der ersten Szene im Altersheim. Es ist bezeichnend, dass der Film Frank als Relikt aus alten Zeiten einführt, das mit protzigem Goldring in einem nach Tod duftenden Altersheim sitzt. Scorsese baut die Hauptgeschichte dabei als eine große Rückblende auf und lässt Frank nachdenklich auf sein früheres Leben zurückblicken. Und so fühlt sich alles in "The Irishman" dann auch irgendwie an. Nämlich ruhig und altersweise, viel weicher und irgendwie auch distanzierter als in Scorseses früheren Gangsterfilmen. Selbst die Gewalt ist zwar noch alltäglich, aber doch in ihrer Brutalität deutlich weniger heftig ausgeprägt.

Das soll jetzt aber nicht heißen, dass wir hier keine klassische Mafiastory serviert bekommen. Wie schon in "Goodfellas" begleiten wir auch in "The Irishman" unsere Hauptfigur bei ihrem Ein- und Aufstieg in die Mafiakreise, obgleich Frank jetzt nie wirklich Ambitionen auf einen großen Posten hat und dieser Aspekt dann auch später, zugunsten der Jimmy Hoffa-Storyline, deutlich an Gewicht verliert. Genrefreunde dürfen sich hier trotzdem an vielen nur zu vertrauten Storyelementen erfreuen. Da werden Todesurteile beim Kochen gefällt, Begriffe wie Ehre und Respekt gerne überstrapaziert und in manchen Szenen hört man mehr italienische Familiennamen fallen als auf einem Marktplatz in Rom. Und bei all dem Testosteron-Overkill ist natürlich auch kein Platz für eine starke Frauenrolle.

Die Gewerkschaft räumt auf
Nein, so richtig Neues hat "The Irishman" inhaltlich jetzt nicht zu bieten. Dass die Gewerkschaften in den USA früher viel Dreck am Stecken hatten ist hinreichend bekannt und deren unrühmliche Rolle in der Blütezeit von Las Vegas ja auch schon von Scorsese selbst in "Casino" einmal aufgegriffen worden. Der Versuch, zusätzlich eine politische Komponente ins Spiel zu bringen, indem Ereignisse wie die Kubakrise, der Mord an Kennedy oder Watergate kurz aufgegriffen werden, ist im Film leider auch nur etwas halbgar geraten.

Aber egal wie vertraut uns viele Szenen auch erscheinen mögen, langweilig wird "The Irishman" nie. Das liegt auch daran, dass den Film oft eine gewisse Leichtigkeit durchzieht. Immer wieder streut das Drehbuch kleine Prisen Ironie und Witz mit ein, die man in diese Quantität bei Scorseses Mafia-Filmen bisher nicht wirklich kannte. So wird ein brutaler Auftrag schon einmal von einer herrlich sinnlosen Diskussion über Fischgeruch begleitet oder ein Jimmy Hoffa freut sich wie ein kleines Kind, wenn er in Reimform vor versammelter Mannschaft seine Lebensweisheiten zur Selbstverteidigung präsentiert.

Jimmy Hoffa on Tour
Es sind diese kleinen Charaktermomente, die "The Irishman" in seiner ganzen Pracht zelebriert. Die größte Leistung von Scorsese ist dann auch, wie er trotz der langen Laufzeit den Film stets im Fluss hält und mit seiner Inszenierung den Schauspielern die perfekte Spielwiese gibt, um ihre Figuren mit Leben zu füllen. Ein Meister seines Fachs eben, der dafür natürlich aber auch die richtigen Darsteller benötigt. Die überzeugen dann alle auch durch die Bank weg, auch wenn man von manchen, zum Beispiel Harvey Keitel, gerne noch etwas mehr gesehen hätte.

Am Ende ist es aber vor allem das Zusammenspiel von De Niro und Pacino, bei dem der Film seine größte emotionale Wucht entfaltet. Endlich haben diese beiden Schauspiellegenden einmal ein gemeinsames Projekt, das sie wirklich fordert (die überhypte Restaurantszene aus "Heat" und den gruseligen Streifen "Righteous Kill" ignorieren wir hier mal). Diese Chance nutzen sie eindrucksvoll. Insbesondere die gemeinsamen Abende der beiden im Hotelzimmer gehören zu den stärksten und emotionalsten Momenten des Films. Vor allem die Figur des Jimmy Hoffa tut dem Film dabei richtig gut. Hoffa bringt, durch sein Temperament und seinen unbändigen Machtdrang, richtig Leben in die Bude. Es ist aber vor allem die Tragik dieser Figur, die einem als Zuschauer so nahegeht. Hoffa ist ein klassischer Charakter aus einem Shakespeare-Stück, der im Machtwahn einfach nicht erkennen will, wann er den eigenen Zenit überschritten hat – grandios gespielt von einem der besten Schauspieler seiner Generation.

Jimmy und Frank
Unterstützt werden Pacino und de Niro dabei von modernster CGI-Technik, mit der unsere beiden Hauptdarsteller für Szenen aus ihrer Vergangenheit digital verjüngt wurden. Das Ergebnis ist ziemlich beeindruckend, auch wenn es ein klein wenig Zeit benötigt, bis man sich an die jüngeren Versionen der beiden gewöhnt hat. Einen kleinen Haken gibt es hier aber dennoch. Während die Gesichter erfolgreich verjüngt wurden, stecken Pacino und De Niro eben doch immer noch in den Körpern von fast 80jährigen. Das fällt dann ins Gewicht, wenn die beiden sich schneller bewegen. So ist man sich sicher, dass ein 40jähriger de Niro den Gemischtwarenhändler vom Block nebenan sicher deutlich "agiler" zusammengeschlagen hätte als sein digital verjüngtes 76jähriges Pendant. Aber irgendwie passt diese Trägheit der Figuren dann doch auch wieder ganz gut zur melancholischen Grundstimmung des Films.

Digitale Hilfestellungen hin oder her, es ist aber schon allein die reine Präsenz dieser alten Schauspielrecken, die "The Irishman" ein besonderes Flair verleiht. Man spürt einfach in jedem Bild, dass hier gefühlt eine ganze Schauspielergeneration ein letztes Mal ihr ganzes Herzblut für eine finale Best-of-Tour in die Waagschale wirft. Wie besonders gerade für diese Darsteller das Verhältnis zum Genre des Mafiafilms ist, lässt sich am Besten wieder anhand des Beispiels von Joe Pesci zeigen. Über den hat die deutsche Kameralegende Michael Ballhaus einmal eine wundervolle Anekdote erzählt. Während gemeinsamer Dreharbeiten Anfang der 80er Jahre in New Jersey hätte ein Konflikt mit der örtlichen Gewerkschaft nur dadurch gelöst werden können, dass Pesci mal eben zum Telefon griff und einen ihm bekannten Mafiaboss im Gefängnis anrief. Der wiederum schickte einen dicken Mann mit zwei Knarren ans Set, der dann dafür sorgte, dass die Gewerkschaft die Crew brav weiterdrehen ließ.

Freunde auf Lebenszeit
Ja, es ist schon eine ganz besondere Truppe, die sich hier verabschiedet. Auch Scorsese wuchs ja einst in Little Italy auf (in der Kindheit war Scorseses bester Freund übrigens der Sohn des dortigen Mafiabosses). Kaum jemand kennt dieses Metier so gut wie er, und so wird "The Irishman" für Scorsese auch zu einem ganz persönlichem Rückblick auf die eigene Filmkarriere. Ein würdevolles Charakterdrama, das als nachdenklicher und sanfter Abgesang auf die Welt der Mafiosi im letzten Jahrhundert dient. Gegen Ende sitzt dann auch der gealterte Frank vor der eigenen Tochter und versucht verzweifelt sein damaliges Verhalten irgendwie zu rechtfertigen und für Verständnis zu werben. Natürlich vergeblich. Es wird deutlich, dass diese alte Generation ausgedient hat und eine neue jetzt das Ruder übernimmt.

Scorsese findet noch ein weiteres wundervolles Bild, mit dem er die alte Garde in den Ruhestand verabschiedet. Es ist ein grauer und trister Moment in einem Gefängnis, der einem fast ein bisschen das Herz bricht. Ein letztes melancholisches Goodbye, das den Zuschauer mit Wehmut zurücklässt. Ja, Scorsese mag mit "The Irishman" vielleicht nicht seinen besten Film gedreht haben, aber sicher einen seiner persönlichsten. Verneigen wir uns also vor dem alten Haudegen und einer legendären Schauspielertruppe, dank der wir im Jahre 2019 in den leider viel zu seltenen Genuss von purem Charakterkino kommen. Und es bleibt zu hoffen, dass vielleicht gerade irgendwo beim Italiener ein junger Filmemacher sitzt, der eines Tages den Stab übernehmen und dem Mafiagenre mit ähnlicher Leidenschaft eine ganz neue Facette abgewinnen wird.

"The Irishman" ist auf Netflix zum Stream verfügbar und läuft noch in wenigen ausgewählten Kinos auch auf der großen Leinwand.

Bilder: Copyright

6
6/10

„…es ist aber schon allein die reine Präsenz dieser alten Schauspielrecken, die "The Irishman" ein besonderes Flair verleiht.“

Dieser Aussage kann ich vollumfänglich zustimmen. Allerdings glaube ich, dass genau dieser Umstand dazu führt, dass sich die diversen großen wie kleinen Kritikerstimmen weltweit nur all zu gerne blenden lassen und das gesehene kollektiv überbewerten. Jeder hat ein recht auf seine Meinung, und bisher stehe ich mit meiner auch ziemlich alleine da. Aber wo sich hier das von allen Seiten so hoch gelobte Charakterkino finden lässt, ist mir ein absolutes Rätsel.

Das wichtige für eine Geschichte und besonders für ein Charakterdrama, ist die Entwicklung der Figuren. Und diese bleibt hier bei absolut jeder einzelnen der tragenden Charaktere nahezu komplett aus.

ACHTUNG SPOILER!!!!!

De Niro bleibt von Anfang bis Ende der Spielball der Mafia-Bosse. Ohne dass diese Verbindung sonderlich originell, persönlich oder zumindest überzeugend geschlossen wird.

„Du weist wie Grausam der Krieg war?“
„Klar. Hab da einiges durch.“
„Dann sollte es ja kein Problem für dich sein, ab sofort, jeden für uns umzunieten, der uns im Wege steht.“
„Klar. Wieso nicht?“
„Italienisch kannst du auch?“
„Yup.“
„Super! Ist für deinen Job die kommenden 30 Jahr zwar so essentiell wie Schulpflege für eine Seerobbe, aber Wass soll’s.“

Und diese extrem vereinfachte Form dieser Zusammenkunft ist deutlich interessanter, als jene, die mir im Film präsentiert wird.

Später (viel später), als die durchaus interessante Situation um Hoffa, die innere Zerrissenheit von Sheeran in den Vordergrund rückt und der anschließende Part um das „Treffen“, tatsächlich mal so etwas wie Spannung konzipiert, wird dieser Strang der Geschichte fast beiläufig abgeschlossen, ohne dass Sheerans emotionales Gefüge auch nur ein bisschen Raum gegeben wird.

Hoffa ist bis zum Schluss der stoische Idiot, der von jedem Respekt einfordert, ihn aber niemanden so richtig gewährt, und dessen Ignoranz ihn schließlich das Leben kostet. Mag sein, dass diese Person tatsächlich so gestrickt war, dann wäre aber eine (tatsächliche) nähere Beleuchtung dieser Figur essenziell gewesen, um diese dann auch richtig verstehen zu können. So, muss ich ehrlich gesagt zugeben, ging mir dessen Ableben ziemlich am Allerwertesten vorbei.

Und auch Joe Pesci (zugegeben mit einer grandiosen Präsents. Wow!) verändert sich im Laufe der 209 Minuten (!) so gut wie garnicht.

Das ist alles wirklich ernüchternd. Das Script sieht für keine der Figuren eine nennenswerte Entwicklung, einen Funken Einsicht oder gar ehrliche Reue for. Und ja, mein Empfinden, dass die Charaktere ihr Handeln vielleicht bereuen sollten, ist nicht maßgeblich für einen guten Plot. Aber es fehlt ja ebenso ein Bekenntnis zum eigenem Selbst oder sonnst irgendeine charakterliche Auseinandersetzung mit den eigenen Taten. Und die Tatsache, dass Sheeran gegen Ende seine Tochter versucht zu kontaktieren, wirkt doch sehr dran geklebt und ist eher ein Zeichen für dessen stoische Weigerung sich mit der eigenen Vergangenheit zu beschäftigen oder wenigstens die Konsequenzen zu verstehen. Sorry, aber selbst ein blinder Autist mit ADS vermag sein direktes Umfeld besser zu reflektieren als die Figur, die uns hier aufgetischt wird.

Darüber hinaus scheinen Drehbuchautor und Regisseur irgendwie zu glauben, dass ich als Betrachter immer wieder aufs Neue vergesse, was für kranke Typen hier im Mittelpunkt stehen. Sheeran ist und bleibt bis zum Schluss ein Massenmörder ohne jegliche Identifikationsmöglichkeit für den Betrachter. Das allein wäre ja garnicht so wild. Schließlich ist auch ein Walter White ein aggressives nazistisches Riesenarschloch. Aber eben ein verdammt faszinierendes mit genialen Ideen und extrem vielschichtiger Charakterstruktur. Alles Eigenschaften, die ich bei Sheeran vergeblich suche.

SPOILERENDE!!!

So bleibt das Script stets sehr gradlinig und funktional und schafft es nur selten eine emotionale Bindung zu den Figuren aufzubauen. Wenn man will, kann man das als zurückhaltend bezeichnen. Ich fand es nur anstrengend.

Darüber hinaus ist da dann noch die technische Note. Okay. Die digitale Verjüngung funktioniert schon ziemlich gut. Ist aber auch nicht gänzlich überzeugend. Interessanter ist hier aber auch die Frage, ob das überhaupt nötig gewesen wäre. Schließlich wird hier keiner der besagten Darsteller in eine Jugendliche Zeit versetzt. Alle haben ihr 40. Lebensjahr schon hinter sich. Ich glaube das wäre auch konventionell gegangen. Sei’s drum. Das Ergebnis kann sich jedenfalls sehen lassen.

Die Ausstattung ist der absolute Wahnsinn. So glaubwürdig wie hier wurden die 50er und 60er Jahre vielleicht noch nie umgesetzt. Allerdings haben sich die Herren scheinbar so stark in Details wie den richtigen Autos, dem perfektem Licht (Klasse!) oder sonstigen (wichtigen und beindruckenden) Spielereien verloren, dass Regisseur, Kameramann als auch Cutter darüber vergessen haben, mit all dieser Opulenz etwas Interessantes oder - Gott bewahre - Kreatives anzustellen. Ich weiß, das mag jetzt für fiele eine blasphemische Aussage sein. Aber in kreativer Hinsicht ist dieses Werk ein formvollendetes Beispiel, wie man unter dem Deckmantel großer klassischer Filmkunst, sich von jeglicher kreativen oder auch nur zeitgemäßen Auseinandersetzung mit dem Medium drücken kann. So könnte man sich jede zweite Einstellung als Bild ausdrucken und an die Wand hängen. In Bewegter Form ist das ganze jedoch so dröge und uninspiriert nach Chema F abgefilmt, dass man fast glauben könnte, die Herren haben in den letzten 30 Jahren so ziemlich jede cineastische Entwicklung verschlafen. Kamera und Schnitt bauen null Intensität auf und strecken das ganze fast ins unerträgliche. Nur so als Vergleich: Ein Drive hat ebenfalls ein sehr behäbiges Tempo, schafft es aber dadurch das gezeigte noch zusätzlich zu intensivieren.

Man kann das jetzt alles als Rückbesinnung auf das gute alte Handwerk bezeichnen. Für mich ist das Stillstand. Es ist möglich sich auf seine Wurzeln zu besinnen und trotzdem kreativ und einfallsreich zu sein. Und hier einen Widerspruch zu argumentieren wäre ebenso einfallslos.

Alles im allem hat dieser Dreieinhalb-Stunden-Ausflug bei mir keinen nennenswerten Eindruck hinterlassen. Hier gibt es nichts, was ich in diversen anderen Streifen nicht schon um längen besser gesehen hätte. Der Plot ist zäh und uninspiriert in Szene gesetzt und die Charaktere bleiben so flach wie Frisbee-Scheiben und werden von Script und Regie auch genauso gradlinig in den nächsten Plot-Abschnitt geworfen.

Auf der Habenseite sind viele fantastische Schauspieler, die ihr Möglichstes tun, um das lahme Script zu retten. Hierbei ist besonders Joe Pesci hervorzuheben. Die Gravitas, mit welcher er seine Figur versieht, ist wirklich der Hammer. Aber das scheint vor allem dem immensen filmischen Erbe zugrunde zu liegen, welches dieser Ausnahmeschauspieler mit sich führt, insbesondere im Kontext ähnlicher Rollen, die vollkommen anders gelagert waren. Die eine oder andere witzige oder spannende Szene kann man dem Film auch nicht absprechen und die Ausstattung fängt das Zeitkolorit fantastisch ein.

Alles im allem ein Film auf den ich mich durchaus gefreut habe, der jedoch meine Erwartungen nicht erfüllen konnte. Auch wenn es mir weh tut das zu sagen. Aber in den Händen eines anderen (vielleicht jüngeren) Regisseurs, wäre das ganze vielleicht nicht so nostalgisch, dafür aber vermutlich deutlich interessanter und mitreißender geworden. Schade.

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7
7/10

Erster Eindruck (und da der Film sehr lang ist, wird es wohl auch so schnell keinen zweiten geben):
Sehr bewegend ist die letzte halbe Stunde, in der sich nicht nur die Figuren, sondern auch der Regisseur die Frage stellt: Wofür das alles? Joe Pesci gibt eine zurückhaltende, kraftvolle Performance. Der Schnitt macht aus dem Film wirklich einen Fluss aus Bildern. Insgesamt etwas zu lang. Scorseses Regie, ebenso wie die Kamera (wie immer toll: Rodrigo Prieto), dienen wie zuletzt bei "Silence" ganz der Geschichte; habe weniger das Gefühl einer Selbstbespiegelung zuzuschauen, sondern einem nachdenklichen Erzähler (erinnert ein wenig an Clint Eastwood). Das kann man mögen. Andere Filme von Scorsese haben mich mehr bewegt, wobei es bei allen mehr als einen Blick brauchte, bis sie mich wirklich gepackt haben. Insofern ist meine momentane Distanziertheit ein gutes Zeichen.

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5
5/10

Ja, ich muss Alex in allen Punkten recht geben. Es gibt keinerlei Spannung, keine Überraschung, keine Charakterentwicklung und nichts, was man nicht schon hundertmal ähnlich, wenn nicht gar besser gesehen hätte. Oft sogar in einem Scorsese-Film (Good Fellas, Casino etc.). Nichts rechtfertigt die Erstellung dieses Films, außer einem angenehmen Update auf dem Bankonto aller Beteiligten. Das einzig Faszinierende bestand für mich darin einen Film zu sehen, in dem tatsächlich 95 Prozent aller vorkommenden Personen weit über 70 Jahre zu sein scheinen. Irgendwann habe ich vor Langeweile angefangen die Altersflecken zu zählen.

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