Whatever works

Originaltitel
Whatever works
Land
Jahr
2009
Laufzeit
92 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Maximilian Schröter / 2. Juni 2010

Woody Allen ist zurück. In Anbetracht der Tatsache, dass der ewige Stadtneurotiker nun schon seit Jahrzehnten in konstantem Rhythmus einen neuen Film pro Jahr dreht, dürfte es zwar niemanden überraschen, dass Allen nach "Vicky Cristina Barcelona" auch in diesem Jahr ein neues Werk präsentiert. Fast schon wieder überraschend ist allerdings die Wahl des Schauplatzes. Denn nach seinen drei mit "Match Point" beginnenden Ausflügen nach London und dem darauf folgenden kurzen Abstecher ins sonnige Spanien kehrt der Altmeister mit "Whatever Works" Europa nun zumindest vorübergehend wieder den Rücken und in die Stadt zurück, deren Bild er im Kino wie kaum ein zweiter Regisseur geprägt hat: Woody Allen ist zurück in New York.

Europäische Metropolen spielen in Allens neuestem Film übrigens ebenso wenig eine Rolle wie Scarlett Johansson, die ja über weite Strecken fester Bestandteil der Europa-Aufenthalte des Regisseurs war. Hauptdarsteller des neuen, tatsächlich schon 40. Films unter Allens Regie, ist dieses Mal der hierzulande vollkommen zu Unrecht so gut wie unbekannte Larry David. Genau wie Woody Allen in Brooklyn geboren, kam David nach jahrelanger Erfahrung in der Stand-Up-Comedy Anfang der 90er als Co-Erfinder und Gastdarsteller der legendären Sitcom "Seinfeld" in den USA zu Ruhm und Reichtum; zur Kultfigur wurde er jedoch erst als Schöpfer und Hauptdarsteller der vor neun Jahren gestarteten HBO-Serie "Curb Your Enthusiasm", in der er - ohne festes Drehbuch, mit frei improvisierten Dialogen - mehr oder weniger sich selbst spielt und dabei auf geniale Weise die ungeschriebenen Gesetze des sozialen Miteinanders seiner Landsleute aufdeckt und in Frage stellt. In zwei früheren Filmen von Woody Allen hatte David bereits kleine Nebenrollen, doch mit "Whatever Works" stellt er sich nun erstmals der Herausforderung einer Kinohauptrolle.

David spielt den misanthropischen, ehemaligen Physikprofessor Boris Yellnikoff. Dieser ist zwar ein brillanter Geist und ein nur knapp am Nobelpreis vorbei geschlittertes Genie mit einem Intelligenzquotienten von knapp 200, doch wie das bei Genies eben oft der Fall ist, hat Yellnikoff so seine Probleme im Umgang mit seinen Mitmenschen. Über diese - auch in deren Gegenwart - zu schimpfen scheint nämlich zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zu gehören, so dass es nicht allzu sehr verwundert, dass Yellnikoff nur wenige Freunde und zudem bereits eine gescheiterte Ehe und einen Selbstmordversuch hinter sich hat. Als eines Abends die 21jährige Melody (Evan Rachel Wood) vor seiner Haustür steht und ihn um eine warme Mahlzeit bittet, überrascht Yellnikoff sich selbst, als er das aus ihrem Elternhaus in New Orleans ausgerissene Mädchen in seine Wohnung lässt. Obwohl Melody intellektuell eindeutig mehrere Stufen unter ihm steht, lässt er es zu, dass sie sich bei ihm einquartiert. Den sarkastischen Attacken ihres Gönners gegenüber immun, zeigt sich die junge Dame von dessen Altersweisheit so beeindruckt, dass sie sich schließlich in ihn verliebt. Die beiden werden ein äußerst ungleiches Paar, ganz nach Yellnikoffs Devise whatever works - wenn eine Beziehung funktioniert, dann ist sie in Ordnung, ganz egal in welcher Konstellation. Erst das Auftauchen von Melodys Eltern bringt ihre Beziehung in ernsthafte Schwierigkeiten.

Die Figur des Boris Yellnikoff ist einer jener typischen, intellektuell-zynischen Woody-Allen-Charaktere, die der Regisseur in seinen früheren Filmen häufig noch selbst gespielt hat. Dass seine Wahl dieses Mal auf den als ernsthaften Schauspieler eher unerfahrenen Larry David gefallen ist, erweist sich als gar nicht verkehrt, schließlich bestehen zwischen dessen aus "Curb Your Enthusiasm" bekanntem Serien-Ich und den charakteristischen Allen-Figuren definitiv große Gemeinsamkeiten. Das macht Davids Aufgabe als Hauptdarsteller hier natürlich um einiges leichter und jegliche Befürchtungen, der Komiker würde sich dabei unfreiwillig zum Affen machen, sind zum Glück vollkommen unbegründet.
Freilich ist es als Zuschauer von Vorteil, wenn man mit Larry Davids sonstigem Schaffen vertraut ist, denn dann wirken Boris Yellnikoffs ständige Genervtheit von seinen Mitmenschen und die überheblichen Belehrungen, die er sich einfach nicht verkneifen kann, gleich in doppelter Weise - einmal als eine weitere, typische Woody-Allen-Figur, die sich auf der Leinwand mit der von Evan Rachel Wood gespielten Melody manchmal zum Brüllen komische Wortgefechte liefert, und zum anderen als Variation der etablierten Larry-David-Persönlichkeit, die hier eben nur noch ein Stück zynischer und intellektueller daherkommt. Larry David ist es so zu verdanken, dass die an sich vollkommen unsympathische Figur des Boris Yellnikoff nicht abschreckend wirkt und sogar zum Mitfühlen auffordert.
Dass zudem das von Allen angewandte Stilmittel, die Hauptfigur mitunter direkt von der Leinwand zum Kinopublikum sprechen zu lassen, hier tatsächlich funktioniert, ist ebenfalls zum Großteil Davids Verdienst (und gleichzeitig kaschiert Woody Allen durch diesen Kunstgriff, dass die in den entsprechenden Szenen von Larry David vorgetragenen Monologe doch eigentlich nichts anderes sind, als geschickt verpackte Erzählerkommentare, wie sie in "Vicky Cristina Barcelona" noch extrem störend gewirkt haben).
Dass Larry David hier so gut abschneidet, verdankt er zu einem wesentlichen Teil auch seiner Schauspielpartnerin Evan Rachel Wood ("Across The Universe", "The Wrestler"), der es sichtlich Spaß macht, hier einmal absichtlich das Dummchen zu spielen. Aus dem Zusammenspiel der naiven Südstaatlerin Melody mit dem völlig gegensätzlichen Ostküsten-Intellektuellen Yellnikoff ergibt sich die wesentliche Dynamik des Films, die dann sowohl in Allens Dialogen als auch in der lockeren, nie aufgesetzt wirkenden Art zum Ausdruck kommt, in der David und Wood sich hier die Bälle zuspielen. Unter den Nebendarstellern beeindruckt vor allem die ja sowieso immer fantastische Patricia Clarkson, die zuletzt unter anderem in "Vicky Cristina Barcelona" zu sehen war und sich hier als Melodys Mutter von der sittenstrengen Südstaatlerin zu einer sexuell freizügigen Größe der New Yorker Kunstszene wandelt.

Wenn man "Whatever Works" einen größeren Vorwurf machen kann, dann den, dass die hier erzählte Geschichte bestenfalls belanglos, ja mitunter sogar reichlich unglaubwürdig ist. Die Aussage des Films steckt bereits in seinem Titel und der oben angesprochenen Einstellung Yellnikoffs zu Liebesbeziehungen. So erzählt Woody Allen hier eigentlich nur davon, wie sich die Protagonisten seines Films über 90 Minuten zu zum Teil recht ungewöhnlichen Paarkonstellationen zusammenfinden (wobei sich allerdings nicht alle Beziehungen auf zwei Personen beschränken), bis dann zum Schluss jeder den Partner gefunden hat, der zu ihm passt. Das mag also einerseits trivial erscheinen, ist aber dank der spritzigen Dialoge, eines gut aufgelegten, nicht deplaziert wirkenden Larry David und der hervorragenden übrigen Darsteller zum Glück größtenteils sehr unterhaltsam. Sicherlich handelt es sich bei diesem Film nicht um einen der Höhepunkte in Woody Allens Karriere, aber: it works. Und zwar ziemlich gut.

Bilder: Copyright

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