W.E.

Originaltitel
W.E.
Jahr
2011
Laufzeit
115 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Miriam Flüß / 5. Juni 2012

Madonna widmet sich in ihrer zweiten Regiearbeit einer ganz großen Romanze der Weltgeschichte, die in den 1930er Jahren fast eine Staatskrise in Großbritannien ausgelöst hätte. Die Liebe König Edwards III. zu der bürgerlichen, zweifach geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson, für die er sogar auf den Thron verzichtete, würde locker Stoff für mindestens 120 Kinominuten hergeben. Tom Hooper streift in seinem Oscar-gekrönten Meisterwerk „The King’s Speech“ (2011) die Romanze als Auslöser für die Antrittsrede seines Nachfolgers König George. Madonna wäre aber nicht Madonna, wenn sie ein konventionelles Biopic auf die Leinwand bringen würde. Als Sängerin hat sich die Queen of Pop immer wieder neu erfunden. Als Regisseurin stellt sie ähnlich hohe Ansprüche an sich selbst. Dem historischen Liebespaar stellt Madonna deshalb noch ein fiktives zeitgenössisches gegenüber, presst somit zwei komplexe Erzählstränge in zwei Kinostunden und verlangt ihrem Publikum ziemlich starke Nerven angesichts der ständigen Handlungswechsel, teils kruden Dramaturgie und heillos überfrachteten Geschichte ab. Dafür entschädigt sie in Teilen mit perfekt komponierten Bildern sowie aufwändig rekonstruierten Roben und königlichen Juwelen aus den 1930er Jahren.
 

New York, 1998. Vor dem Auktionshaus Sotheby’s bilden sich lange Schlangen, als der Nachlass des weltberühmten Liebespaares Wallis Simpson und des abgedankten englischen Königs Edward unter den Hammer kommt. Auch die New Yorker Upper-Class-Hausfrau Wally Winthrop (Abbie Cornish) lässt sich von den kostbaren Ausstellungsstücken gefangen nehmen. Ihr Besuch ist jedoch mehr dem Eskapismus als Kunstsinn geschuldet. Unglücklich und ungewollt kinderlos mit einem angesehenen New Yorker Psychiater verheiratet, flüchtet sie in die Illusion einer großen Liebe. Dass auch diese nicht ohne Kompromisse und Opfer auskommt, zeigen die Rückblenden auf das Leben von Wallis Simpson (Andrea Riseborough) und Edward III. (James D’Arcy). Zielstrebig knüpft die in zweiter Ehe mit einem Londoner Geschäftsmann verheiratete Amerikanerin Kontakte zum Dunstkreis des feierfreudigen Edward.Wallis (Andrea Riseborogh) und Edward (James D'Arcy) genießen das Strandleben

Wallis' Rechnung geht auf: Der blaublütige Lebemann verfällt dem unterkühlten Material Girl mit dem trockenen Humor und eine brisante Affäre nimmt ihren Lauf. Unbeschwert genießen sie das südfranzösische Strandleben, feiern stilvolle Partys und pushen langweilige Gäste mit Amphetaminen auf. Als Zeugnis seiner Liebe beschenkt Edward seine Wallis mit Juwelen, graviert mit den gemeinsamen Initialen „W.E“. Doch als die Presse Wind von der Affäre bekommt, wird es ernst für den Lebemann und seine Geliebte. Die Öffentlichkeit ist angesichts der Option einer bürgerlichen, noch dazu geschiedenen Frau auf dem Thron „not amused“.
 

Wie es ausgeht, ist historisch bekannt: Edward entscheidet sich für die Abdankung – und verbringt den Rest seines Lebens mit Wallis im französischen Exil. Dank der englischen Aktrice Andrea Riseborough („Happy go lucky“, „We want sex“) und eleganten Bildern ist die Erzählung dieser Romanze durchaus sehenswert. Auch wenn ihre dunkle Seite, die sympathisierende Haltung des Paares zu den Nazis, ausgeklammert wird und man sich streiten kann, ob der wilde Tanz stocksteifer Adliger zu „Pretty Vacant“ von den Sex Pistols ein genialer oder schlicht peinlicher Einfall der Regisseurin ist. 

Elegantes Paar: Wallis und Edward beim TanzWesentlich schwerer zu ertragen ist die Geschichte von Wally Winthrop im New York des Jahres 1998, die sich bei Sotheby’s in die Relikte der großen Liebe von „W.E.“ flüchtet, um ihr eigenes Unglück zu vergessen. Ihren Vornamen erhielt sie als Huldigung an Wallis Simpson und auch sonst hat ihre Biographie einiges mit der von Wallis gemein: Trotz Hormonbehandlung wird sie nicht schwanger. Wie Wallis erster Ehemann ist auch der von Wally brutal: Der Psychiater William Winthrop (Richard Coyle) prügelt, bezeichnet sie als „Hure“ und schleudert ihr Gemeinheiten wie – Höhepunkt der sinnfreien Dialoge – „selbst wenn du eines kriegen könntest wollte ich kein Kind von dir!“ entgegen.

Wachmann Evgeni (Oscar Isaac) und Wally (Abbie Cornish) kommen sich näherDarf man eine derart reaktionäre Geschichte der Queen of Pop, die zwar kontrovers diskutiert aber immer wieder als Agentin feministischer Interessen bezeichnet wurde, durchgehen lassen? Ganz sicher nicht hinnehmbar ist die krude konstruierte Handlung: Wallys heimlicher Verehrer Evgeni (Oscar Isaac)entpuppt sich als russischer Intellektueller und Konzert-Pianist, der sich als Wachmann durchschlagen muss. Sein stylishes Loft mit reich bestückter Bücherwand, Designer-Möbeln und glänzendem Konzertflügel kann er von diesem Job aber ganz sicher nicht finanzieren. Auch eine plausible Antwort darauf, warum eine moderne, gut ausgebildete Frau sich von einem ebenfalls nicht bildungsfernen Ehemann derart unterbuttern lässt, bleibt das Drehbuch schuldig. Schlicht ärgerlich ist es, dass in dem Wally-Evgeni-Erzählstrang die Bilder von Kameramann Hagen Bogdanski („Das Leben der Anderen“) teils in eine Werbefilm-Ästhetik kippen, die den Zuschauer zweifeln lassen, ob er noch „W.E.“ oder einen Chanel-Spot genießt. Und wenn Madonna in der Schlusseinstellung Wallis und Wally über die zeitliche Distanz aufeinander treffen und Plattitüden austauschen lässt, scheinen sich die letzten Kinominuten endlos in einem ähnlichen Zeitloch zu dehnen. 

Bilder: Copyright

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