Wahre Lügen

Originaltitel
Where the truth lies
Jahr
2005
Laufzeit
108 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Patrick Wellinski / 31. Mai 2010

 

Atom Egoyans ("Das süße Jenseits", "Ararat") Name steht für Werke, die sich oft einer verschachtelten und rätselhaften Erzählweise verschreiben. So ist die oberflächlich gesehen konfuse Struktur einiger seiner Filme oft das Spiegelbild des Seelenzustandes seiner Protagonisten. Mit "Wahre Lügen" begibt sich Egoyan diesmal ins konventionelle Mainstream-Kino (dass er als Autorenfilmer eigentlich meiden wollte) und führt uns in die korrupte aber auch komplexe Welt des US Showbusiness der 50er Jahre.

Lanny Morris (Kevin Bacon) und Vince Collins (Colin Firth) sind das beliebteste Fernsehduo Amerikas. Marathonsendungen, Clubauftritte - es gibt so gut wie nichts, was sie dem Publikum nicht verkaufen könnten. Doch nachdem in ihrer Hotelsuite eine junge Frau (Rachel Blanchard) tot aufgefunden wird, ist alles aus und das Duo trennt sich.
10 Jahre später macht sich die junge Journalistin Karen O'Connor (Alison Lohman) auf, den Mord an der Frau genauer zu untersuchen, und stößt dabei auf den eigentlichen Grund der Trennung des größten Entertainment-Duos der 50er.

Es ist die Atmosphäre, die den Film über weite Strecken trägt. Die leicht verblassten Bilder, das schummrige Licht und die nichtssagenden Blicke der Protagonisten erschaffen eine beachtlich düstere Film-Noir-Stimmung. Es ist wirklich beeindruckend, wie Egoyan es mit diesen Mitteln schafft, Erinnerungen an Meisterwerke von Filmlegenden wie Hitchcock und Wilder zu wecken.
Wo aber Klassiker dieses Genres wie "Chinatown" oder "Die Spur des Falken" es schaffen, vornehmlich durch ihre Hauptfiguren das Gefühl der Verlorenheit des Außenseiters in der Gesellschaft auf so eindringliche Weise zu vermitteln, scheitert Egoyan hier an der konventionellen Story, die auf dem gleichnamigen Roman von Rupert Holmes basiert.
Colin Firth und Kevin Bacon verkörpern ihre Parts herrlich zynisch und wunderbar boshaft. Den Gentlemen mit der düsteren Fassade, deren Handeln immer mysteriös erscheint, verleihen sie ihr Gesicht. Vor allem aber Firth überzeugt, mit einem wundervollen Oxford-English-Akzent.
Neben diesen hervorstechenden Leistungen kann Mrs. Lohman leider nicht mithalten. Vielmehr ist sie sogar eine reine Fehlbesetzung. Sie schafft es nicht ihre ambivalente Rolle, die eigentlich Dreh- und Angelpunkt der Story ist, zum Leben zu erwecken. Der angeblich so ehrgeizigen Journalistin ist während ihrer kompletten Leinwand-Präsenz diese Eigenschaft überhaupt nicht anzumerken. Wie sehr wünscht man sich in diesen Momenten Naomi Watts herbei, die mit dem Ausdruck der gespenstigen Einsamkeit so genial David Lynchs Thriller "Mulholland Drive" enorme Tiefe verlieh.

"Wahre Lügen" ist somit eine reine Kriminalgeschichte, wie es sie schon viele gab. Und die Auflösung könnte gut einem Agatha Christie-Roman entsprungen sein. Dabei hätte Egoyans neues Werk ein wirklich angenehm spannender Film werden können, doch er macht sich das Leben schwer. Eine äußerst wirre Erzählung, bedingt durch viele Zeitsprünge und ein Übergebrauch an Off-Kommentaren, schwächt das Filmerlebnis erheblich.
Wer Spaß an verrätselten Puzzelspielen im Kino hat, darf sich ohne weiteres auf "Wahre Lügen" einlassen. Allein der Grundton und die Stimmung, die diese düstere Geschichte verbreitet, haben schon eine außergewöhnliche Kraft, die den Zuschauer wirklich vereinnahmt. Doch über diese ganzen positiven Aspekte hindurch sollte man nicht vergessen, dass zu einem wirklich gelungenen Film immer noch eine einfallsreiche und überzeugende Story gehört. Weil diese fehlt, ist "Wahre Lügen" leider nur ein halber Kinospaß.


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