Verflucht

Originaltitel
Cursed
Land
Jahr
2005
Laufzeit
97 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Frank-Michael Helmke / 3. Juni 2010

"Droste, hörst du mich" schallte es 1995 aus bundesdeutschen Stereo-Anlagen, nachdem es Mark'Oh - gerade zu einem der ersten Popstars aus der boomenden Techno-Szene aufgestiegen - für nötig befunden hatte, mit seiner dritten Hit-Single einen gehässigen Gruß an einen alten Lehrer abzugeben, der ihm einst prophezeit hatte, aus ihm würde nie etwas werden. Wie sich zeigte, war Mark'Oh nicht die einzige Popkultur-Ikone der 90er, der einen überschäumenden Groll gegen einen ehemaligen Erziehungsbeauftragten hegte: Drehbuch-Autor Kevin Williamson gelang mit dem selbstreflexiv-ironischen Slasher-Horror "Scream" 1996 die Renaissance einen ganzen Sub-Genres, und mit der ebenfalls gelungenen Fortsetzung "Scream 2" und dem konventionellen, aber erfolgreichen "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast" spielte er sich schnell zum angesagtesten Schreiberling in Hollywood hoch. Bis er sich mit seinem Regie-Debüt "Tötet Mrs. Tingle" an einer diabolischen Lehrerin aus seiner High-School-Zeit rächen wollte. Der Film platzte in eine Reihe von Amokläufen an Schulen und fiel gnadenlos durch.
Die Moral von der Geschichte muss wohl lauten: Leg dich nicht mit Lehrern an. Mark'Oh geriet aufs Abstellgleis des kommerziellen Sell-Outs und produziert nur noch Standardpop-Tanz-Platten mit Titeln wie "Never stop that feeling" und "Let this party never end". Kevin Williamson konnte zu seiner Hochzeit noch die gelungene und sehr erfolgreiche, selbstreflexive TV-Serie "Dawson's Creek" entwickeln, seine weniger gelungenen und sehr unerfolgreichen, selbstreflexiven TV-Serien "Wasteland" und "Glory Days" beendeten seine Fernsehkarriere aber auch wieder. Jetzt ist Williamson irgendwie wieder bei Null angekommen, und kann doch nur die alten Kamellen aufwärmen: Einen Teenager-Horror-Film (*gähn*) mit Werwölfen (*gääähn*) und ein paar selbstreflexiv-ironischen Anspielungen (*gääääähn*).

Es ist natürlich Vollmond, als die junge Talkshow-Redakteurin Ellie (Christina Ricci) und ihr Bruder Jimmy (Jesse Eisenberg) in "Verflucht" auf der Heimfahrt in einen Unfall verwickelt werden und einem merkwürdigen Biest begegnen, dass erst einmal ihre Unfallpartnerin Becky (Gast-Cameo von Teen-Kino-Veteranin Shannon Elizabeth) entzweit. Worüber sich die beiden erst langsam klar werden: Sie sind einem Werwolf begegnet, und durch ihre erlittenen Verletzungen wurden auch sie mit dem animalischen Virus infiziert: Die Lust auf rohes Fleisch und frisches Blut ergreift von ihnen Besitz, und bald ist auch wieder Vollmond....

Das ist es dann eigentlich auch schon. Die beiden Hauptcharaktere kriegen beide noch einen Subplot ab - Ellie will mit dem Raumausstatter Jake (Joshua Jackson aus "Dawson's Creek") eigentlich eine ernsthafte Beziehung beginnen, seine Ausflüchte werden aber unterstützt von ihrer intriganten Kollegin Joanie (Judy Greer), während High-School-Loser Jimmy sich ausgerechnet in Brooke (Kristina Anapau) verliebt, die Freundin des Sport-Proleten Bo (Milo Ventimiglia) - das war's dann auch wirklich. Aus ökonomischen Gründen sind die genannten Nebenfiguren dann auch so ziemlich die einzigen Relevanten im ganzen Film, was für eine schnelle und offensichtliche Verstrickung der Haupt- und Nebenstränge sorgt. Soll heißen: Das "Geheimnis" darum, wer der Werwolf ist und von wem somit das ganze Übel ausgeht (das ergo mit dessen Tötung auch wieder verschwinden würde), ist aufgrund mangelnder Wahlmöglichkeiten lächerlich einfach zu durchschauen und bietet absolut null Spannungspotential.
Was dann soll die Zuschauer von "Verflucht" fesseln: Die Slasher-Szenen, in denen sich der Werwolf blutrünstig über seine jungen Opfer hermacht? Bitte, wir wollen noch eine halbwegs brauchbare Altersfreigabe haben! Also: Slasher-Faktor runter, es sind sowieso nicht genug Charaktere da, um für eine ordentliche Blut-Orgie zu sorgen.
Vielleicht die lustigen, ironischen Selbstverweise? Wie schon in Williamsons Skript zu "Faculty" (eine selbstreflexiv-ironische Neubearbeitung des Klassikers "Invasion of the Body Snatchers") darf auch hier der Loser-Typ die übersinnliche Bedrohung als Erster erkennen und muss dann die weibliche Hauptfigur davon überzeugen - in einem Dialog, der kurz alle Standards und Regeln dieses besonderen Gegner-Typs durchkaut, damit wir auch alle grinsen können, wenn im folgenden mit den Genre-Regeln gespielt wird. Das ist von Prinzip und Ausführung her identisch mit Williamsons Arbeit aus den 90ern - nur sind wir inzwischen ein halbes Jahrzehnt weiter und Williamsons ehemalige Erfolgsrezepte von Dutzenden Nachahmern inzwischen so abgekaut, dass sich das Horror-Genre längst in eine neue Richtung entwickelt hat (siehe gelungene jüngere Beispiele wie "Cabin Fever", "High Tension"). Dass Williamson im gesamten Filmverlauf tatsächlich überhaupt nichts Neues einfällt, ist die eigentliche, leise Bankrotterklärung an "Verflucht" - das offenbare kreative Ende eines Autoren, der all sein Pulver auf einmal verschoss, und dann nichts mehr zum Nachladen hatte.

Wie wäre es denn mit den Darstellern? Das ist eine Geschlechterfrage: Jesse Eisenberg, Milo Ventimiglia und Joshua Jackson spielen hohle Genre-Archetypen männlicher Hauptcharaktere die man aus etlichen Teenager-Filmen kennt, und die wie alle Genre-Elemente so routiniert und unvariiert heruntergespult werden, dass sie null Substanz entwickeln können.
Besser sieht's bei den Frauen aus: Christina Ricci ist nach wie vor eine großartige, sehr vielseitige Schauspielerin, die sich hier mit einer Ernsthaftigkeit ihrer Rolle nähert, welche die platten Darstellungen ihrer männlichen Gegenüber ziemlich alt aussehen lässt. Riccis quasi angeborenes Goth-Charisma - bestens zur Geltung gekommen in den "Addams Family"-Filmen und "Sleepy Hollow" - kommt der Thematik hier ebenfalls sehr zu Gute, so dass sie allein dem Film stellenweise eine Intensität verleiht, die zumindest tiefer geht als die Oberfläche, an der er sonst schwimmt. Judy Greer ("30 über Nacht", "The Village") als Oberzicke Joanie schraubt dafür fleißig am Trash-Faktor, mit einer genüsslich überzogenen Vorstellung, die dem Film ebenfalls selbständig ein paar lichte Momente verpasst.

Der Rest vom Licht kommt vom Regisseur: Obwohl Horor-Veteran Wes Craven (mehr zu ihm in unserem >>> Spotlight) schon durch seine Regie bei der "Scream"-Trilogie mindestens so entscheidenden Anteil am Genre-Revival hatte wie Kevin Williamson, fiel der Ruhm damals vor allem auf den Autor ab. Ein gutes Jahrzehnt später trifft man sich wieder, und Craven beweist mit lockerer, erfahrener Hand, wer von den beiden es immer noch drauf hat: Mit ein paar netten Tricks und Einfällen, die er elegant aus dem Ärmel schüttelt, kann Craven "Verflucht" zumindest inszenatorisch noch über die übliche Genre-Brühe heben - was im mit viel Müll versetzten Horror-Bereich allerdings noch lange keinen tollen Film bedeutet.
Ein letzter positiver Punkt: Zumindest macht man Fortschritte bei der Computeranimation von Wölfen. Waren die tierischen Angreifer in "Hulk" und "The Day after Tomorrow" noch Ziel von viel Publikums-Spott und Häme, hinterlassen zumindest diese Passagen in "Verflucht" einen positiveren Eindruck: Die digitalen Kreaturen sind besser in den Hintergrund eingebunden, bewegen sich glaubhafter und sehen auch besser aus. Eine Extra-Aufwertung verdient man sich damit aber noch nicht.

Drum ist "Verflucht" auch nach wie vor die Verschwendung der Zeit von einem guten Regisseur, zumindest zwei guten Darstellerinnen, einer anständigen Effekt-Crew - und natürlich des Publikums. Das hat sich bei einem Williamson-Skript jedenfalls noch nie so gelangweilt wie hier. Selbst die Schote mit dem letzten Sommer war noch lustiger, unterhaltsamer und spannender.
In den USA ist "Verflucht" in der allgemeinen Frühjahrs-Misere bereits ordentlich abgeschmiert - schlimmer als alle anderen Horrorfilme. Für den hiesigen Markt darf man wohl ähnliches erwarten, wenn es sogar ratsamer erscheint, sich statt des Kinobesuchs nochmal die verstaubte Videotheken-Kopie von "Teenwolf" auszuleihen. Da turnt immerhin ein Werwolf auf einem fahrenden Lieferwagen herum, und der kleine Michael J. Fox gewinnt ein Basketball-Spiel. Das ist mal gute Unterhaltung.

Bilder: Copyright

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