Tomb Raider

Originaltitel
Lara Croft: Tomb Raider
Land
Jahr
2001
Laufzeit
101 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Frank-Michael Helmke / 16. Juni 2010

 

Es hat schon seinen Grund, warum Filme nach Videospielen bisher immer recht stupide ausgefallen sind. Den wohlbekannten Markennamen im Rücken, hält es die kommerziell orientierte Geschäftsführung des produzierenden Studios selten für nötig, mehr Gehirnschmalz in kreative Substanz

Drahtseilakt: Umringt von bösen Ganoven und noch
böseren Statuen muss Lara cool bleiben.

zu investieren als irgend nötig. Drum fallen die Ergebnisse auch alle recht ähnlich aus: Ob nun die Mario Brüder, "Streetfighter" oder "Mortal Kombat", keiner bietet mehr Story als das entsprechende Game vorgegeben hat, ergo bewegen sich diese Filme nahe an der Handlungslosigkeit und sind schließlich nichts mehr als eben ein verfilmtes Videospiel. Das anzuschauen ist dann ungefähr so aufregend wie jemand anderem beim Zocken zuzusehen. Mit "Tomb Raider" erreicht nun die Leinwandversion des erfolgreichsten Computerspiels der Welt Deutschland, mit Lara Croft als erstem Weltstar aus dem Cyberspace. Allen leichtgläubigen Hoffnungen auf Besserung sei hier aber gleich ein Riegel vorgeschoben: Auch in diesem Falle sieht man im Kino nicht mehr als ein Videospiel in Filmfassung.

Für "Tomb Raider" typisch ist Level Nummer Eins ein Trainingsparcours: In der Eingangssequenz wird Lara von einem riesigen Roboter angegriffen, der sich als von ihrem persönlichen Technik-Genie gebastelte Kampfmaschine zu Übungszwecken entpuppt. Dann, erwartungsgemäß, die erste Zwischensequenz zur Ploterläuterung: Lara findet in einem geheimen Versteck ihres Hauses eine merkwürdige Uhr, dort versteckt von ihrem lange verstorbenen Vater, dem die auch mal gar nicht so toughe Heldin nach wie vor leise nach weint. Diese Uhr ist der Schlüssel zu einem (natürlich) uralten Artefakt, das (natürlich) unglaubliche Kräfte in sich birgt. Eine nicht weniger uralte Bruderschaft (natürlich) böser Menschen, die "Erleuchteten", ist schon auf der Jagd danach, um (natürlich) die Weltherrschaft an sich zu reißen. Oder so. Die Zeit drängt, denn die

Und der ist wirklich nicht kalt?
Lara's Outfit für Temperaturen ab
20 Grad unter Null.

komplizierte Prozedur mit mysteriösen Gerätschaften funktioniert nur alle 5000 Jahre, wenn alle Planeten des Sonnensystems auf einer Linie stehen. Die weiteren verworrenen Einzelheiten sind eigentlich egal, dienen sie doch nur dazu, den Film intelligenter aussehen zu lassen, als er eigentlich ist, was spätestens dann nicht mehr funktioniert, wenn die Macher am Ende selbst wichtige Details außer acht lassen.
In Level 2 zertrümmern die Ganoven das Croft'sche Anwesen beim Versuch, die besagte Uhr zu stehlen, und anschließend geht's dann halt, wie sich das für einen zünftigen Grabräuber gehört, rund um die Welt: Weitere Level spielen in Kambodscha, Tibet und Island. An dieser Stelle sei Lady Croft zu ihrer erstaunlichen Resistenz gegen Kälte gratuliert: Während sich die begleitenden Herren im ewigen Eis in dickste Pelzjacken einmummen, trägt unsere Heldin nach wie vor körperbetonte Outfits aus dünnen Stoffen. Respekt (an dieser Stelle sei noch schnell eingeworfen, daß im ganzen Film nicht einmal das Croft-Copyright-Kostüm mit braunen Shorts und grünem Top eingesetzt wird).

Wie gesagt, alles wie im Videospiel, eigentlich. Mit dem Unterschied, daß die Action-Sequenzen (also quasi die Spiellevel) kürzer sind, dafür die Zwischenteile erheblich länger. Da die Story des

Gleichzeitig mit dem Motorrad durch die Lüfte UND
böse Buben umnieten? Koordinativ nicht ganz einfach.

Films aber keinen Deut komplexer gerät als die eines beliebigen "Tomb Raider"-Spiels kommt hier doch reichlich Langeweile auf. Da ist auch das Drehbuch keine Hilfe, das strikt dem Motto Form follows function gehorcht: Da werden einem Raum voller Leute, die es nun wirklich mehr als genau wissen, nochmals die Modalitäten der uralten Prozedur aufgetischt, damit es das Publikum im Kinosaal auch kapiert. Die Schauspieler für die Nebenrollen hätte man sich indes gleich sparen können: Die Tiefe sämtlicher Charaktere ausgenommen Lara ist so bescheiden, daß es ein Haufen Pappkameraden mit aussagekräftigen Beschriftungen wie "Bösewicht", "Butler" und "Technik-Fuzzi" ebenso getan hätte.
Das wäre ja alles noch halbwegs zu entschuldigen, wenn wenigstens die Actionszenen Ärsche treten würden. Doch auch hier wird der Zuschauer enttäuscht. Mit gerade einmal vier größeren Krach-Sequenzen ohnehin recht dünn ausgestattet, mangelt es "Tomb Raider" trotz gut choreografierter Schlägerei-Turnerei am rechten Spektakel-Charakter. Das große Staunen bleibt aus, und so kann die Action kaum für die groben Schwächen der vielen Minuten dazwischen entschulden.

Einsamer Lichtblick in einem mauen
Film: Angelina Jolie als Lara Croft.

Vor der absoluten Enttäuschung rettet "Tomb Raider" nur eine einzige Person, und das ist Angelina Jolie (deren wahrer Daddy Jon Voight passenderweise auch ihren Film-Daddy Lord Croft spielt). Wie es ihr gelingt, in einem ansonsten eher unterklassigen Action-Film eine enorme Präsenz zu entwickeln und dem eigentlich aufs herbe Image reduzierten Charakter Lara Crofts sogar ein wenig Tiefe angedeihen zu lassen, das hat schon uneingeschränkte Bewunderung verdient. Gleichzeitig ist es aber auch fast ein bißchen schade, daß diese grandiose Schauspielerin ihre kostbare Zeit mit solch einem sinnfreien Projekt vergeudet hat. Andererseits möchte man sich lieber nicht vorstellen, wie dieser Film ohne sie ausgesehen hätte.

Was schon im voraus zu befürchten stand, hat sich also bewahrheitet: Angelina Jolie bleibt der einzige Glanzpunkt in einem Film, der in allen Belangen nicht mehr Substanz entwickelt als das zugrunde liegende Videospiel, und das ist für gutes Kino schlichtweg zu wenig. Für alle, die größere Erwartungen in Videospiel-Adaptionen nun endgültig begraben wollen, sei allerdings gesagt: Haltet ein und hofft noch ein paar Wochen! Wenn gegen Ende des Sommers endlich "Final Fantasy" zu uns kommt, kriegen wir vielleicht doch noch den Beweis geliefert, daß auch aus einem Konsolen-Vergnügen ganz großes Kino gemacht werden kann.


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