Sumo Bruno

Originaltitel
Sumo Bruno
Jahr
2000
Laufzeit
96 min
Genre
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Frank-Michael Helmke / 19. März 2011

 

Manche Geschichten sind so abwegig, die müssen einfach wahr sein. Wie sonst sollte man auf einen 200 kg schweren Helden kommen, der in einem sächsischen Kaff namens Riesa zurückgezogen und schamvoll sein Dasein fristet, bis sein Heimatort als Austragungsstätte der ersten Sumo-Weltmeisterschaft außerhalb Japans auserkoren wird. Durch Training und Einsatz zur erfolgreichen Teilnahme findet der Held dann zu neuem Selbstbewußtsein und tritt sogar äußerst erfolgreich an. Im wahren Leben hieß der Held Jörg Brümmer und ist Welt- und Europameister im Sumo-Ringen. Für die Filmversion wurde die Story mit ein paar weiteren Konflikten aufgepeppelt und mit den handelsüblichen Randfiguren versehen, ansonsten bleibt sich aber alles gleich: Bruno Nestroy heißt hier die bemitleidenswerte Figur, die zwar über eine hervorragend sortierte Speisekammer, aber sonst über so gut wie gar nichts verfügt. Einzig sein Kumpel Kalle (Oliver Korritke) gibt sich alle Mühe, seinen fettleibigen Freund aus dessen Lethargie zu befreien, was in der Schnapsidee gipfelt, an der zufällig im Ort stattfindenden Sumo-WM teilzunehmen. Mit einem Möchtegern-Samurai als Trainer soll Bruno fit gemacht werden für diesen japanischen Nationalsport. Zusätzlicher Ansporn dabei ist Anna, in die sich Bruno verguckt hat, und für deren kleinen dicken Sohn Timo er zum großen dicken Vorbild wird.
Was sich wie eine Arbeitsprobe aus dem Workshop „Wir basteln uns eine 08/15-Dramaturgie“ anhört, ist leider auch nicht mehr als das und kann daher seine guten Ansätze nicht wirklich nutzen. Die durchaus interessante Idee, eine britische Komödie auf deutschem Boden zu inszenieren (spleenige Typen in spinnerter Geschichte in eigensinniger Umgebung = skurril und komisch) hat zwar durchaus Potential und wird im ersten Drittel auch ganz gut umgesetzt. Spätestens ab dem Mittelteil verliert Regisseur Krawinkel aber das Gefühl für seine liebenswerten Charaktere und deren authentisches Umfeld und läßt den Film zum Opfer eines streckenweise erschreckend einfallslosen und hölzernen Drehbuchs werden, das am Ende nicht mehr ist als eine Fleischklops-Ausgabe von „Karate Kid“.
Was schade für die Darsteller ist, denn mit Oliver Korritke, Julia Richter und Martin Seifert sind hier drei nicht umsonst etablierte Größen der deutschen Schauspiellandschaft vertreten, die ihr Können ein weiteres Mal anschaulich unter Beweis stellen. Vor allem Seifert als Japan-Fanatiker und Lachnummer des Ortes spielt den Spleen seiner Figur mit so viel Inbrunst nach, daß es eine helle Freude ist. Die schwer zu übersehende Entdeckung des Films ist aber in der Tat der Hauptdarsteller Hakan Orbeyi, übrigens der erste Türke, der in einem Spielfilm als Deutscher besetzt wurde. Er versteht es exzellent, die Schüchternheit des zurückgezogenen Bruno zu transportieren, das allgegenwärtige Schamgefühl über die eigene Körperfülle, das doch wieder nur mit mehr Frikadellen und Bier bekämpft wird. Wenn die meisten anderen Zielsetzungen von Krawinkel auch gescheitert sein mögen: Die Absicht, eine sympathische, lebensnahe und vor allem erfolgreiche Identifikationsfigur für alle mit sich selbst Unzufriedenen zu schaffen, ist ihm vollauf gelungen. Dank Hakan Orbeyi.
Nur reichen tolle Darsteller leider nicht aus, wenn man ihnen uninspirierte und unechte Dialoge in den Mund legt, Offensichtliches heraus posaunt wird, was die Bilder schon längst erzählt haben, und ein dramaturgischer Plattenbau errichtet wird, den jeder Zuschauer, der schon mehr als einen Sportfilm gesehen hat, mit verbunden Augen nachbauen könnte. Was „Sumo Bruno“ letztlich scheitern läßt, ist nicht die absurd klingende Geschichte, auch wenn diese wohl dafür sorgen wird, daß das Publikum ausbleibt (man stelle sich einmal bildlich die Blicke vor, wenn man seinen Freunden erzählt, man werde sich morgen einen Film über einen sächsischen Sumo-Ringer ansehen). Er scheitert an der schlichten Unfähigkeit der Leute hinter der Kamera, aus einem guten Konzept, guten Typen und guten Schauspielern einen Film zu machen, der sich auf die Eigendynamik seiner Stärken verläßt, anstatt sich verkrampft mit standardisierter Plot-Ware herum zu plagen, weil sowas ja einfach dazu gehört. Julia Richter in allen Ehren, aber der gesamte Nebenplot um ihre Figur als das zwangsläufig nötige „Love Interest“ des Protagonisten ist ein Paradebeispiel dafür, wie eine überflüssige Handlungskonvention einen Film in rührseligen Hollywood-Kitsch verwandeln kann, wo jeder am Ende das bekommt, was er verdient hat. Man sollte eigentlich erwarten, daß jemand, der einen Film über Sumo-Ringen in Sachsen macht, keine amerikanisierten Kreativ-Scheuklappen auf hat. So kann man sich irren.

 
Bilder: Copyright

10
10/10

Ein wunderbarer Film. Wir haben vor Freude geweint und noch lange über diesen tollen Film diskutiert.

Permalink

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.