Somersault - Wie Parfum in der Luft

Originaltitel
Somersault
Land
Jahr
2004
Laufzeit
106 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Beatrice Wallis / 18. März 2011

In blaues Licht getaucht, breiten sich die Bilder von „Somersault“ in aller Ruhe vor dem Auge des Zuschauers aus. Unendliche Weite, absolute Kargheit und immer wieder der Eindruck beißender Kälte - nicht von ungefähr fröstelt es einen beim Betrachten dieser Landschaft. Die sechzehnjährige Heidi (Abbie Cornish) streift nachdenklich und verloren umher, die verlassene Umgebung unterstreicht ihre Einsamkeit und ruft in Erinnerung, warum sie hierher kam. Von ihrer Mutter erwischt, wie sie mit deren Freund knutschte, war etwas schwer Verzeihbares geschehen. Die Mutter, hintergangen und verletzt, schreit ihre Wut heraus, doch Heidi fehlen die Worte, ihr etwas zu entgegnen. Schuldbeladen flieht sie und landet in Jindabayne, einer schmucklosen und so gar nicht typischen australischen Kleinstadt.
Dort versucht sie Anschluss zu finden, aber niemand zeigt ernsthaftes Interesse an ihr. Im Gegenteil: Die Bewohner verhalten sich kühl und abweisend. Schnell wird deutlich, dass diese Reise nicht nur eine Flucht ist, sondern zugleich eine verzweifelte und beharrliche Suche nach Geborgenheit und Zuneigung. So stellt sich Heidi der Ablehnung der Menschen in Jindabayne entgegen, und es tut fast weh, sehen zu müssen, wie sie mit einer kaum zu ertragenden, schutzlosen und kindlichen Direktheit der Zurückhaltung und Kälte begegnet. Einmal nimmt sie ein Junge mit, aber es bleibt beim schnellen Sex und am nächsten Tag verschwindet er mit seinen Freunden. Fast wahllos setzt Heidi ihre Flirtfähigkeiten und ihre Lolita-Erscheinung ein, Liebe und Sex machen für sie keinen Unterschied. Eine positive Identifikationsfigur sieht anders aus. Schnell hat sie im Dorf den Ruf, „das Flittchen von der Tankstelle“ zu sein, doch dieser beschreibt nur den äußeren Schein, und resultiert aus einer falschen Auslegung ihrer Offenheit. Niemand versteht, dass Heidi nur das begreifen kann, was sie auch mit ihren Händen greifen kann. Und so kann in ihren Augen Liebe nur aus körperlicher Nähe entstehen.

Gelungen beschreibt „Somersault“ Heidis Irrfahrt. In ruhigen Bildern erzählt der Film von dem Mädchen, das gerne Zuneigung geben wollte und doch alles irgendwie verkehrt machte. In Heidi tobt ein jugendliches Gefühlschaos und es gelingt ihr nicht nachzuvollziehen, was um sie herum geschieht und wie sie das Geschehen positiv beeinflussen kann.
Regisseurin Cate Shortland setzt dem eisigen Blau der Umgebung daher konsequenterweise ein schreiendes Rot entgegen, in dem sich alle Gefühlsextreme spiegeln. Rot ist die Farbe von Heidis Handschuhen, die sie immer wieder fasziniert betrachtet, rot sind die Chilischoten, die sie aus Wut schluckt und rot ist die Welt, durch eine Skibrille mit roten Gläsern betrachtet. Das Spiel der Heidi-Darstellerin Abbie Cornish ist großartig und facettenreich. Abstoßend und verstörend in den Verführungsmomenten, rührend wiederum in ihrer Liebe für die kleinen Dinge, wie das kindliche Klebealbum, das sie bei sich trägt.

Erst als sie dem Farmerssohn Joe (Sam Worthington) begegnet, scheint alles in Bewegung zu geraten und ein positives Ende deutet sich an. Der smarte, junge Mann ist zwar zunächst reserviert, doch Heidi lässt ihn nicht los. Aber das Glück steht auf wackeligen Beinen. Heidi träumt den jugendlichen Traum von der großen Liebe – jetzt und sofort. Und weil Joe zunächst noch unentschlossen ist, und Heidi nicht warten kann, verstrickt sie sich wiederum in eine Situation, die ihr nur schwer verziehen werden kann.
Dieses wiederkehrende Thema, der Zusammenhang von Liebe und Verzeihen, ist eine zentrale Frage des Spielfilmerstlings von Regisseurin Shortland. Kann jemand wie Heidi, der sich selbst nicht verzeihen kann, eigentlich lieben? Herausgekommen ist dabei kein moralisches Bollwerk, sondern ein feines Psychogramm eines verwirrten Teenagers. Bedauerlich nur, dass der Film zum Teil etwas zu bedeutungsschwer inszeniert wurde, so hätten an manchen Stellen Andeutungen ausgereicht. Wie zum Beispiel die allzu offensichtliche Parallele zwischen Heidi und dem Jungen mit Asperger-Syndrom, das es ihm unmöglich macht, Gefühle zu erkennen und selber zu fühlen.

Dennoch ist „Somersault“ - der im letzten Jahr den australischen Oscar in allen 13 Kategorien gewann - insgesamt ein gelungenes und tief berührendes Werk, das trotz seiner ruhigen und gemächlichen Darstellung mit einer gut ausgearbeiteten Geschichte, atmosphärischer Dichte und einer ausgezeichneten Hauptdarstellerin fesselt. Die neuen Filme von Shortland und Cornish dürfen mit Spannung erwartet werden.

(Am Rande sei erwähnt, dass die deutsche Synchronfassung leider ziemlich plump ist, denn manche Redewendungen wurden offensichtlich wortwörtlich 1:1 ins Deutsche übersetzt. Aber dafür kann der Film natürlich nichts. Am besten im Original oder mit Untertiteln anschauen)

Bilder: Copyright

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