Schatten der Zeit

Originaltitel
Schatten der Zeit
Jahr
2004
Laufzeit
109 min
Genre
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Beatrice Wallis / 17. März 2011

 

Schon mit seinem Oscar-gekrönten Kurzfilm "Quiero Ser" wagte sich Filmemacher Florian Gallenberger auf fremdes Terrain - und das im wahrsten Sinne des Wortes. Sein halbstündiges Sozialdrama erzählte die Geschichte zweier in Mexiko auf der Straße lebender Brüder im Kindesalter, die eines Tages nach einem heftigen Streit auseinander gehen. Für seinen neuen Film "Schatten der Zeit" hat Gallenberger nicht nur einen ebenfalls fernen Drehort gewählt, nämlich Indien, sondern zugleich bis auf wenige deutsche Mitarbeiter (u. a. die Produzenten Dieter Wedel, "Vom Suchen und Finden der Liebe", und Norbert Preuss, "Das Experiment") ausschließlich mit Indern gearbeitet. Im Gegensatz zu seinem Kurzfilm ist "Schatten der Zeit" allerdings ein klassisches Liebesdrama, das von zwei Menschen erzählt, die ein Leben lang nach der wahren und einzigen Liebe suchen.

Ausgangspunkt ist eine Teppichfabrik, irgendwo in Indien. Dort arbeitet der elfjährige Ravi als Träger. Doch er ist klüger als die meisten Jungen und spart Geld, um sich eines Tages frei kaufen zu können. Nachts übt er heimlich das Teppich knüpfen und bekommt bald einen besseren Job, der ihm mehr Geld einbringt. In der Fabrik lernt er Masha kennen, ein Mädchen, das von ihrem Vater an den Fabrikbesitzer verkauft wurde. Um ihr zu helfen, kauft Ravi sie frei und schickt das Mädchen nach Kalkutta. Die Wege der zwei Kinder trennen sich und bei ihrem Abschied versprechen sie sich, stets bei Vollmond im größten Shiva-Tempel der Stadt aufeinander zu warten. Erst viele Jahre später kann sich Ravi (Prashanth Narayanan) frei kaufen und reist nach Kalkutta. Dort findet er Arbeit bei einem Teppichhändler, dessen Geschäft er mit seiner Begabung und seinen Ideen kräftig ankurbelt. Doch auch die Liebe lässt nicht auf sich warten, denn Deepa (Tillotama Shome), die Enkelin des Händlers, wirft ein Auge auf Ravi. Sie entdeckt jedoch seine heimliche Sehnsucht nach Masha (Tannishatha Chatterjee) und setzt viel daran, ein Zusammentreffen der beiden zu verhindern. Ein Kaleidoskop tragischer Verstrickungen und emotionaler Wirrungen nimmt seinen Lauf.

Eine Stunde und 49 Minuten muss der Zuschauer warten, um zu erfahren, ob Ravi am Ende seine geliebte Masha für immer in den Armen halten darf oder nicht - für einen Film im indischen Stil eher kurz angelegt. Doch beim Zuschauen von "Schatten der Zeit" erscheint dieses "Kurzwerk" stellenweise lang und dehnt sich zu einer gefühlten Zeit von drei Stunden aus. Denn auch 109 Minuten sind eine lange Zeit, in der sich verführerisch viele Möglichkeiten bieten, einen Kosmos an verschiedenen, oft auch überflüssigen Erzählsträngen und Personen zu entfalten. Und genau das macht Gallenberger in seinem ersten abendfüllenden Spielfilm. Er entwirft ein großes Gefühlsepos, in dem sämtliche Figuren nach dem Glück und der großen Liebe suchen und dabei zwischen emotionalen Extremen pendeln.
Die Ankündigung im Pressetext, der Film erzähle eine "romantische, tragische und zutiefst bewegende Geschichte zweier Liebender, die füreinander bestimmt scheinen", verspricht daher nicht zuviel: Immer wieder verfehlen sich die Liebenden, und wenn sie sich begegnen, können sie doch aus diversen Gründen nicht zueinander finden. Das ist auf die Dauer ermüdend und irgendwann wünscht man sich nichts mehr, als dass die beiden sich endlich kriegen oder endlich einer soweit davon läuft, dass er außer Sicht ist und bleibt.

Man könnte Florian Gallenberger unterstellen, er unternehme den Versuch die gefühlsbeladenen und opulenten indischen Filme zu imitieren. Doch natürlich ist sein Film keine Bollywood-Imitation, dazu fehlt es ihm an Leichtigkeit. Emotional beladen ist der Film in jedem Fall, und vielleicht könnte man auch sagen überladen. Aber seltsamerweise nicht im opulenten und leichten Bollywood-Stil, sondern auf eine zurückhaltendere Weise. Man möchte hier keine bösartigen Vergleiche zu bestimmten Sparten deutscher Fernsehproduktionen ziehen, aber tatsächlich bleibt der Film auf eigenwillige Art immer deutsch.
Es wundert daher nicht, wenn Gallenberger im Interview verrät, dass seine Geschichte ursprünglich in Berlin spielen sollte. Durch verschiedene Zufälle und eine klassische Schreibblockade kam dann Indien ins Gespräch. Nun kann man sich die Geschichte von Ravi und Masha tatsächlich besser in Indien vorstellen als in Berlin, aber die Vermischung aus deutschem Erzählstil und indischem Setting gelingt leider nur bedingt. Zuviel Schwere hält den Film am Boden und macht ihn letztlich zu einem filmischen Ereignis, das sich schnell aus der Erinnerung schleicht.

Doch soll auch Positives erwähnt werden. Zusammen mit Kameramann Jürgen Jürges, der in der Vergangenheit unter anderem mit Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders und Michael Haneke gearbeitet hat und "Quiero Ser" filmte, hat Gallenberger seinem Film einen wunderschönen optischen Rahmen gegeben. In opulenten und gewaltigen Einstellungen wird der Film optisch seinem Anspruch vom großen Kino, der hier einfach mal unterstellt sei, gerecht. Auch die Darsteller, allen voran Tannishtha Chatterjee als Masha, Tillotama Shome (Deepa), die hierzulande bereits aus "Monsoon Wedding" bekannt ist, und natürlich der äußerst attraktive Prashanth Narayanan (der viele Frauenherzen höher schlagen lassen wird) sind ein absolutes Plus.

So hat der Film letztlich doch etwas wirklich Gutes. Für Freunde des Gefühlskinos (und da ist nicht abwertend gemeint) könnte das durchaus ein genüsslicher Filmbesuch werden. Allen anderen sei geraten, sich lieber an die indischen Originale zu halten. Das hat mehr Unterhaltungswert.

Bilder: Copyright

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