Saw 2

Originaltitel
Saw 2
Land
Jahr
2005
Laufzeit
93 min
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Matthias Kastl / 30. Mai 2010

Jahrelang versuchte Darren Lynn Bousman Produzenten für sein Drehbuch "The Desperate" zu begeistern, jahrelang hagelte es Absagen. Bousmans Geschichte über eine Gruppe von Leuten, die sich, eingesperrt in einem Haus, dem mörderischen Spiel eines Wahnsinnigen ausgesetzt sieht, befand sich bereits auf dem Weg in Richtung Story-Friedhof, als 2004 das Schicksal in Form des Horror-Thrillers "Saw" ohne Vorwarnung zuschlug. Dessen Produzenten erkannten die Parallelen von Bousmans Werk zu ihrem Überraschungshit und kamen auf eine relativ einleuchtende und simple Idee: Warum nicht einfach Bousman anheuern und diesen zusammen mit Leigh Whannell, seines Zeichens Autor und Darsteller des Originals, aus "The Desperate" eine Fortsetzung zu "Saw" basteln lassen? Das ersparte nicht nur Zeit und Mühe, sondern erlaubte auch einen US-Kinostart passend fürs anstehende Halloween-Fest. Der Einfachheit halber wurde Bousman dann auch gleich die Regie übertragen und so sah sich der erst 26jährige, keinen einzigen Kinofilm auf seiner Referenzliste vorweisend, von einem Moment auf den anderen als hauptverantwortlich für die Fortsetzung eines der populärsten Horror-Thriller des vergangenen Jahres.
Dieser ungewöhnlichen Entwicklungsphase folgt dann auch ein ungewöhnliches Endergebnis. Die Schnellschuss-Fortsetzung erweist sich doch tatsächlich ihrem Vorgänger gegenüber als durchaus ebenbürtig und eigenständig. Zwar ist auch "Saw 2" wie das Original nur halb so clever wie er vorgibt zu sein, bietet aber letztendlich trotzdem durchaus unterhaltsame Genrekost.

Bereits nach zehn Minuten scheint das Schicksal des Serienmörders Jigsaw (Tobin Bell) besiegelt. Dieser hat zwar seine mörderischen Erziehungsmethoden, nämlich Menschen, welche ihr Leben nicht "lebenswert" gestalten mit ausgefeilten Tötungsmechanismen zu konfrontieren, immer noch nicht aufgegeben, doch eine scheinbare Unachtsamkeit lässt ihn bereits nach wenigen Minuten in die Fänge des Polizisten Eric Matthews (Donnie Wahlberg) geraten. Dessen Freude über den populären Fahndungserfolg schmilzt allerdings dahin als ihn Jigsaw mit einem kleinen Nebendetail konfrontiert: In Jigsaws Gewalt befinden sich acht Personen, darunter Erics Sohn Daniel (Erik Knudsen) und das Ex-Jigsaw-Opfer Amanda (Shawnee Smith). Eingeschlossen in einem Haus bleiben ihnen nur wenige Stunden Zeit, um das eigene Überleben zu sichern, diverse fiese Fallen und Aufgaben wieder einmal mit eingeschlossen. Per Monitor ist Eric live dabei, und während die neueste Opfer-Generation im Haus um ihr Leben kämpft, darf Eric sich mit Jigsaw unter Zeitdruck als Polizeipsychologe versuchen. Spätestens seit Hannibal Lecter weiß man ja, was Serienmörder wirklich wollen: eigentlich nur plaudern.

Hannibal Lecter ist ein gutes Stichwort. Während "Saw" deutliche Anleihen an David Finchers "Sieben" nahm, mixt die Fortsetzung nun eine gehörige Portion von Jonathan Demmes "Das Schweigen der Lämmer" hinzu. Das Psychoduell zwischen Agent Starling und Lecter aber mit dem von Matthews und Jigsaw auf eine Stufe zu stellen, ist ähnlich sinnlos wie Lecter dazu zu überreden, seinen Chianti doch durch Prosecco zu ersetzen. Denn trotz einer ganz ordentlichen Leistung können Bell und Wahlberg Hopkins und Foster natürlich nicht mal ansatzweise das Wasser reichen.
Die beiden bekommen vom Drehbuch auch deutlich weniger subtiles Material zur Verarbeitung bereitgestellt. Während Jigsaw bereitwillig aus dem Nähkästchen plaudert, inklusive ausführlicher Rechtfertigungen für seine bereits im Erstling sehr fragwürdigen "moralischen Motive" (eine Schranktür, die man lieber ungeöffnet hätte lassen sollen, da sie Jigsaws Motive nur noch umso lächerlicher erscheinen lässt), versucht sich Matthews an Verhandlungsmethoden, die der Rubrik "Rede oder es gibt Prügel" zuzuordnen sind. Ob das nun vielleicht den amerikanischen Verhörmethoden mehr gerecht wird als die subtile Taktik einer Clarice Starling sei dahingestellt, Fakt ist, dass dies auf jeden Fall deutlich weniger fasziniert als das Kammerspiel des Oscar-Gewinners von 1991.
Ähnlich rustikal geht es auch bei der mörderischen Schnitzeljagd im Haus zu. Während in "Saw" die Protagonisten noch versuchten, sich in die Gedankengänge ihres Peinigers zu versetzen, um ihn eventuell geschickt austricksen zu können, macht sich in "Saw 2" nun keiner so wirklich daran, seinen Kopf zu benutzen. Relativ blind wird da in eine offensichtliche Falle nach der anderen getappt, ohne sich vorher mal in Ruhe über so etwas wie Risiken und Nebenwirkungen Gedanken zu machen. Zwar liefert der Film schlussendlich eine gewisse Begründung für diese deutlich naivere Handlungsweise, doch insbesondere in der ersten halben Stunde nervt die bei den meisten Personen vorherrschende Mischung aus Hysterie und Dummheit doch schon gewaltig. In gewisser Weise ist aber zumindest letzteres wohl nötig, um die Massenabfertigung des deutlich größeren Personalbestands zu ermöglichen. Die schnellen Tode haben angesichts mancher wenig überzeugenden Darstellerleistungen durchaus auch ihre positiven Seiten.

So weit, so schlecht. Das alles klingt nach einer seelenlosen Fortsetzung, bei der auch der letzte Funken von der Originalität des Erstlings verloren gegangen zu sein scheint. Außerdem könnte man dem Film auch die plakative Gewalt seiner kranken und effektvoll in Szene gesetzten Tötungsmechanismen vorhalten, davon gibt es nun wirklich nicht zu wenige in diesem Streifen, und fertig wäre der Verriss.

Doch Einhalt: Geben wir der Verteidigung die Möglichkeit, der Anklage den Wind aus den Segeln zu nehmen. Da wäre zum einen Regisseur Bousman lobend zu erwähnen, der sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger keine Blöße gibt und mit einer, insbesondere in der zweiten Hälfte, relativ packenden Inszenierung den Zuschauer über die Dauer immer stärker ans Geschehen binden kann. Hilfe leistet hier auch das bisher so gescholtene Drehbuch. Trotz aller vorangegangener Kritik erfüllt es nichtsdestotrotz zwei grundlegende Aufgaben. Zum einen sorgt es tatsächlich für einen gewissen frischen Wind. So garantiert schon die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte des Films, dass hier nicht einfach stupide das Konzept des Vorgängers kopiert wird. Zum anderen mag man vielleicht deutlich entfernt sein von der Brillanz eines "Schweigen der Lämmer", doch das im Vergleich zum Vorgänger veränderte Grundszenario versteht es trotzdem erfolgreich, das Interesse des Publikums aufrecht zu erhalten. Die Frage, was genau Jigsaw im Schilde führt, und Erics verzweifelter Wettlauf mit der Zeit sorgen trotz fehlender psychologischer Tiefe immer noch für ein gehöriges Maß an Spannung. Außerdem machen Wahlberg und Bell ihre Arbeit gut genug, um Sympathie und Interesse an ihren Figuren zu wecken.
Dass die Protagonisten im Haus mit zunehmender Dauer den für sie vorgesehenen Fallen-Parcours ignorieren, und Jigsaws markantestes Markenzeichen somit zunehmend in den Hintergrund tritt, ist ebenfalls eine durchaus weise Entscheidung und sicher die bessere Alternative zum simplen Abhandeln von acht verschiedenen Tötungsmechanismen. Gepaart mit einer atmosphärisch dichten Inszenierung baut der Film nach dem etwas holprig geratenen Beginn kontinuierlich immer mehr Spannung auf, und auch beim Betrachter wächst das Interesse an der finalen Auflösung des perfiden Spiels.
Es ist das große Glück des Films, dass mit der angebotenen Auflösung dann schlussendlich das best case-Szenario eintritt: eine Prise Einfallsreichtum gepaart mit einem wundervollen Gimmick für Fans des Originals. Da kann man sich nun wirklich nicht beklagen. Langes Nachdenken mag vielleicht die ein oder andere Logikschwäche ans Tageslicht bringen, doch die Zeit dafür bekommt man erst nach dem Verlassen des Kinos bereitgestellt, und so entschädigt der Schlussakt für manch ärgerliche Schwächen zuvor.

Was bleibt unterm Strich? Auf der einen Seite ein Film, der wie der Erstling nicht unbedingt zu den Meilensteinen seiner Gattung gerechnet werden kann. Auf der anderen Seite liefert die Fortsetzung unterhaltsame Genrekost, die für einen "Aufguss" sogar relativ frisch und eigenständig daherkommt. Gepaart mit einem packenden Schlussakt darf man für "Saw 2" dann doch noch den Daumen nach oben richten, und so heben wir uns die Skepsis mal lieber für den bereits angekündigten dritten Teil auf. Wer weiß, vielleicht schlummert ja schon seit Jahren die Geschichte dafür in irgendeiner Schublade...

Bilder: Copyright

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1/10

Der wesentliche Unterschied eines Films wie diesem zum "Schweigen der Lämmer" ist daß das letzterer seinen Reiz daraus zieht, daß die Figuren alle immernoch dramatisch "Teil des Zuschauers" sind - ins extreme verzerrte Abbilder unserer eigenen menschlicher Abgründe.
Bei den Saw Filmen dagegen geht es eher darum, Leuten beim Sterben zuzuschauen und dabei auszuloten wie belastbar die emphatische Verbindung zwischen Filmfigur und Zuschauer ist: Ein sadistisches Spiel von "Nein!" - "Doch!" zwischen den Filmemachern und dem Publikum: Es geht nicht um den Schrecken vor uns selbst sondern um masochistische Lust.
Protagonisten wie Clarice Starling, die stellvertretend für den Zuschauer beim Schweigen der Lämmer das Geschehen filtern gibt es nicht. Stattdessen wird den Figuren des Films schon von vorneherein keine echte Menschenwürde zugestanden, sind sie nur fleischerne Spielfiguren und ihre Hintergrundgeschichten, Gefühle und Psychologien nur holzschnittartige Versatzstücke.
"Jigsaw" ist psychologisch gesehen nicht mit dem Zuschauer verwandt, kommt nicht aus einer Angst die uns innewohnt sondern zitiert nur alle möglichen Ängste mit dem alleinigen Sinn dass so ein Film überhaupt gemacht werden kann.
Die wahren "Mörder" in diesem Film sind seine Macher, und ihre Opfer sind degradiert zu Einweg-Namen und Vergissmich-Gesichtern ohne jede Relevanz außer ihren physischen Qualen.
Das Publikum glaubt "unterhalten" zu werden.

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